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Begabte Junge drängen nach

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Selbst Menschen, die berufsmäßig mit dem Film zu tun haben, fiel es viele Jahre hindurch schwer, der heimischen Produktion mehr als ein nachsichtiges Lächeln entgegenzubringen. Zu lange war das Bild des österreichischen Films der Nachkriegsära durch Operettenkitsch, Heimat-schnulzen, billigste Lustspielware, Sexfilmchen etc. geprägt.

Gewiß, es gab auch zwischendurch recht ordentliche, saubere Unterhaltung, aber internationale Erfolge wie „Der Prozeß" oder „Die letzte Brücke" blieben die ganz seltene Ausnahme.

Seit der Einrichtung eines Filmbeirates beim Bundes-

ministerium für Unterricht und Kunst im Jahre 1973, der bis 1980 Sechsundsechzig Filme verschiedener Länge mit insgesamt etwa 100 Millionen Schilling gefördert hat, besserte sich manches. Es kamen zwar keine Wunderwerke zustande, aber etwa ein halbes Dutzend Filme,’ die man ohne weiteres auch im Ausland herzeigen konnte.

Der Durchbruch des österreichischen Films erfolgte jedoch erst in diesem Jahr, bzw. in der abgelaufenen Saison. Das seit 1. Jänner dieses Jahres in Kraft befindliche Filmförderungsgesetz war es sicher nicht allein, denn es setzte im wesentlichen auf legisti-scher Grundlage das fort, was ja bereits seit Jahren praktiziert wurde.

So konnte mit „Anima", von Titus Leber, erstmals seit der obenzitierten „Letzten Brücke" (1954) wieder ein Film im Wettbewerb des bedeutendsten Filmfestivals der Welt in Cannes aufscheinen. Daneben gab es dort eine Informationsschau mit Filmen wie „Oer Schüler Gerber", „Der Bockerer", „Egon Schiele - Exzesse", „Den Tüchtigen gehört die Welt" und „She dances alo-

ne". Der letztgenannte Film, das faszinierende Psycho-gramm von Nijinskis Tcch-ter Kyra, erhielt obendrein vor kurzem den Großen Preis des Festivals von Fi-gueira da Foz (Portugal).

In der internationalen Publicity höher wiegt allerdings der Schauspielpreis, den Karl Merkatz vom Festival von Moskau für den „Bockerer" heimgebracht hat. Seit Ernst Deutsch für seine Hauptrolle im „Prozeß" von G. W. Pabst (Festival Venedig 1948) war keinem österreichischen Schauspieler mehr eine solche Auszeichnung zuteil geworden.

Dem heurigen Festival von Venedig bleibt es allerdings vorbehalten, sowohl Wolfgang Glücks „Der Schüler Gerber" wie auch Peter Patzaks „Den Tüchtigen gehört die Welt" abzulehnen, obgleich dort, wie ich in diesem Blatt erst vor wenigen Wochen berichten

konnte, nicht viel Besseres angeboten wurde. Schließlich wurde Patzaks Film, wenn auch ohne Erfolg, kurz darauf beim Festival von San Sebastian gezeigt.

Immerhin: Man konnte das österreichische Filmschaffen auch international wieder zur Kenntnis nehmen. Der heimische Film ist endlich aus dem jahrelangen Schattendasein eines geistigen und künstlerischen Armutschkerls herausgetreten.

Aber auch manches, was noch nicht im internationalen Rampenlicht gestanden ist, kann sich sehen lassen, wie etwa die jüngsten „österreichischen Filmtage" in Kapfenberg bewiesen. Da gab es neben den bereits zitierten Filmen der letzt jähr igen Produktion und zwei großen ORF-Beiträgen - etwa „Kopfstand -oder: Wie einer zufällig mit dem Leben davonkam" von Ernst Joseph Lauscher, die in ihrem gebändigten Realismus beklemmende, kameratechnisch und schauspielerisch ausgezeichnete Studie eines jungen Menschen, der im unmenschli-

chen Teufelskreis einer psychiatrischen Anstalt fast zugrunde geht.

Einiges erwarten darf man sich wohl auch von „Ein wenig sterben", dem jüngsten Film des durch

„Die blinde Eule" bestens legitimierten Mansur Ma-davi. Der Film wird seine Uraufführung in der „Vien-nale" erleben.

Neben Madavi haben sich in Österreich noch zwei weitere Perser als ernstzunehmende Filmemacher etabliert: Said Manafi, der in Kapfenberg mit dem Ein-stunden-Film „Der Henker

der Fiji-Inseln" ein eindrucksvolles Menschenschicksal darstellte und Ba-bak Mohammadi, der mit dem Kurzspielfilm „Probeaufnahme" neuerlich eine Talentprobe bot.

Sie alle haben in Wien an der Abteilung Film der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst studiert, die in Kapfenberg mit einigen guten Beiträgen vertreten war und der auch bei der Viennale ein ganzes Abendprogramm gewidmet sein wird.

Der begabteste Einheimische aus diesem Ensemble ist zweifellos Johannes Fabrick, der im Vorjahr mit „Mama" und heuer mit „Welt weit weg" ein erstaunliches Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen und eine fast professionelle Reife der Gestaltung zeigte.

So scheinen - nach einigen Jahren der künstlerischen Dürre ^— aus dem Kreis der Filmhochschule wieder Begabungen zu kommen, die dem österreichischen Filmschaffen gute Impulse geben könnten.

Uber den österreichischen Film ist in den letzten Jahren - sicher nicht ganz zu Unrecht - viel gejammert, geschimpft und gehöhnt worden. So sollte aus gegebenem Anlaß auch in diesem Blatt Lobendes über die „siebente Kunst" in Österreich gesagt werden. Ob die Keime von 1980/81 weiterhin gute Früchte bringen werden, wird nicht zuletzt davon abhängen, in welche Kanäle der österreichische Filmförderungsfonds sein Wasser, sprich seine Geldmittel leiten wird.

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