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Begabung allein genügt nicht Akademie soll Abhilfe bringen

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Die Zeitungslandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Es wird immer schwieriger, aus der Fülle der täglichen Informationen das Wesentliche auszuwählen und die Zusammenhänge zu begreifen. Der Begabungs-Journalist von früher ist der neuen Situation hilflos ausgeliefert, der reine Stilist den Anforderungen des modernen Journalistenberufes nicht mehr gewachsen. Kein Wunder, daß immer weniger Schriftsteller zugleich Journalisten sind und umgekehrt.

Die „Ideologie vom Begabungsberuf ‘ ist jedoch nach wie vor die Grundlage für die Aufnahme von Journalisten, wogegen Absolventen des Publizistikstudiums nur schwer in Redaktionen untęrkommen. Noch 1974 waren in österreichischen Redaktionen nur neun Prozent geprüfte Publizisten, 23 Prozent konnten ein anderes abgeschlossenes Studium vorweisen, 49 Prozent hatten Matura, teilweise mit begonnenem Studium, der Rest kam aus verschiedenen Berufen. Die große Mehrzahl der Journalisten sammelt ihre Kenntnisse in der Praxis.

Woher kommt die Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit eines größeren und umfassenderen Wissens im Bereich der modernen Kommunikation und der Ablehnung studierter Publizisten? Das liegt im wesentlichen an der Struktur der Universitätsinstitute, die gar nicht das Ziel haben, Journalisten auszubilden, sondern eher eine wissenschaftliche Berufsvorbildung auch für Verleger, Öffentlichkeitsarbeiter, Werbeleute oder Medienpädagogen bieten wollen. Dabei haben sie durch Jahrzehnte den praktischen Aspekt der Ausbildung fast völlig vernachlässigt. Erst in den vergangenen Jahren ist die medienpraktische Ausbildung intensiver geworden. Die Studenten, die um ihre spätere Arbeitsplatzsituation wissen, fordern bereits vehement eine verstärkte praktische Ausbildung an den Universitäten.

Aber auch der Verband österreichischer Zeitungsherausgeber und -Verleger, der ORF, der Zeitschriftenverband und die Journalistengewerkschaft haben das Problem in Angriff genommen. Sie haben kürzlich ein „Kuratorium für Journalistenausbildung“ gegründet und ihre seit 1973 laufenden Aus- und Fortbildungskurse in die bereits kollektivvertraglich festgesetzte Bildungsfreistellung für Journalisten einbezogen. Auf so- zialpartnerischer Ebene werden diese Kurse nun intensiviert und vor allem Berufsanfängern theoretisches und praktisches, auf den letzten Stand gebrachtes Fachwissen vermittelt (Interviewtechnik, Gestaltung, Presserecht). Diese „kleine Ausbildungslösung“ soll zwar zur ständigen Einrichtung werden, reicht aber doch nicht aus. Daher ist für die ferne Zukunft eine Medienakademie als Aus- und Fortbildungsstätte neben den Universitätsinstituten im Gespräch, von der alle Beteüigten noch recht unterschiedliche Vorstellungen haben.

Wer heute diesen Beruf ergreift, weiß, daß er als Ungelernter nicht mit wirtschaftlicher Sicherheit rechnen kann, solange er nicht als Redakteur fest angestellt ist Die Ausbildung als Voraussetzung für den Journalisten muß jedoch Hoffnungen auf einen Arbeitsplatz wecken, aber der Markt ist klein. In Österreich sind rund 2000 Journalisten hauptberuflich fest angestellt oder feste freie Mitarbeiter, aber 3000 bis 5000 sind nebenberuflich oder fallweise als Journalisten tätig.

Wie stellen sich die Redaktionen zur Journalistenausbildung? Nach wie vor ist die Aufnahme eines Journalisten eher eine Frage des Zufalls. Der Journalist soll sich in der Praxis be währen, sowohl durch sein Wissen als auch durch seine Schreibweise. Woher er seine Fähigkeiten bekommt, ist für die Redaktion belanglos. Aus wirtschaftlichen Gründen sind sie meistens nur sehr knapp besetzt, wodurch die Entsendung von Mitarbeitern zu Fortbildungskursen zu einem fast unlösbaren Problem wird.

Ist es möglich, daß die Ausübung des Joumalistenberufes eines Tages an eine vorgeschriebene Ausbildung gebunden ist? Bei aller Forderung nach fundiertem Wissen bleibt der Journalismus ein schöpferischer Beruf. Überdies „bedeutet Pressefreiheit“ -

betont Günter Nenning „daß jeder Journalist werden kann“. Verantwortungsbewußtsein und eine ethische Haltung kann dem Journalisten, von der wirtschaftlichen Abhängigkeit abgesehen, auch durch Wissen nicht beigebracht werden. Für denjenigen, der beides für sich in Anspruch nimmt, sollten ständige Weiterbildung und echte Information als Allrounder ebenso wie als Fachjournalist eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Verantwortung liegt jedoch nicht bei der Zeitung allein, auch der verantwortungsbewußte Leser entscheidet mit, solange er verantwortungslose Journalisten kritiklos liest. Im Sinne der Pressefreiheit hat auch der Leser die Wahl der Zeitung. Mit dem Bildungsstand in der Bevölkerung in Zusammengang gebracht, ist auch die Journalistenausbildung im wesentlichen ein gesellschaftliches Problem.

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