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Begins Stärke ist der Haß

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Frankreichs (ehemaligem) Präsidenten Giscardd’Estaing warf er vor, er hätte ja bekanntlich überhaupt keine Prinzipien; beim deutschen Bundeskanzler Schmidt orteteer „Arroganz", „Frechheit" und „Habsucht"; und die Österreicher, die vom „Sozialisten und Juden" Kreisky angeführt würden, seien schlimmere Nazis gewesen als die Deutschen: Israels Premierminister Menachem Begin schlägt im Wahlkampf nach allen Seiten um sich.

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Frankreichs (ehemaligem) Präsidenten Giscardd’Estaing warf er vor, er hätte ja bekanntlich überhaupt keine Prinzipien; beim deutschen Bundeskanzler Schmidt orteteer „Arroganz", „Frechheit" und „Habsucht"; und die Österreicher, die vom „Sozialisten und Juden" Kreisky angeführt würden, seien schlimmere Nazis gewesen als die Deutschen: Israels Premierminister Menachem Begin schlägt im Wahlkampf nach allen Seiten um sich.

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Mit solchen Tiraden, wie sie Begin in den letzten Tagen und Wochen von sich gab, fand er viel mehr Verehrer und Anhänger für seine Wahlpropaganda, als mit Aufzählen des Erreichten seiner Regierung vor einigen Wochen als Einleitung eines soliden Wahlkampfs gegen die oppositionelle Arbeiterpartei.

Die Liste des Erreichten ist kurz, die Liste der Fehler dieser Regierung hingegen ist lang, sodaß Begins Gegenspieler - der „Maarach“, der Parlamentsblock der Arbeiterpartei - dieser Art von Wahlpropaganda mit Leichtigkeit begegnen konnte.

Die Meinungstests zeigten zwar einen riesigen Vorsprung des Arbeiterparteiblocks, mit Peres an der Spitze, gegenüber Begins Likudblock. Doch mit seinen scharfen, nichts verschonenden Angriffen gegen seine Rivalen und ausländische Staats- und Regierungschefs stieg Begins Popularität rapide unter den niederen Bevölkerungsschichten und Neueinwanderern.

Begins große Stärke ist der Haß -ein unversöhnlicher Haß gegen alles und alle, die gegen ihn sind oder waren. Mit seinen Haßtiraden konnte er seine Anhänger in der Vergangenheit wie heute immer wieder begeistern. Sein Haß gegen die Deutschen ist nur zu natürlich, hatte Begin doch einen Großteil seiner Familie durch den Holocaust verloren.

Die Frage ist aber, wie weit sich ein Premierminister von persönlichen Emotionen hinreißen lassen darf, wobei Begins Stärke als Rhetoriker offensichtlich ist.

Nicht minder unfair und unwahr als Begins Angriffe waren allerdings gewisse Reaktionen darauf aus der Bundesrepublik Deutschland": Denn die ganze Angelegenheit wurde so hingestellt, als ob Begin ganz Israel und alle Israelis verkörpere. Von deutscher Seite hörte man, die Israelis seien „hartnäckig“, „mißtrauisch“, ganz zu schweigen von ihrer „Arroganz“ gegenüber den arabischen Nachbarstaaten ...

Dabei wurden die wahren Ursachen dieser Konfrontation, deren extremer Ausdruck in Begins Worten zu vernehmen war, völlig in den Hintergrund verdrängt.

Denn nach seiner Saudiarabien- Reise hatte Kanzler Schmidt sich auf einmal der besonderen Beziehungen zu Israel nicht mehr erinnern können, sondern lobte die Saudis als „wichtigen Bundesgenossen der Bundesrepublik Deutschland“ und sprach von einer „moralischen Verpflichtung“ gegenüber den Palästinensern.

Das war eine empfindliche Erklärung füf die Israelis. Dazu kommt, daß sie wenig darüber begeistert sind, wenn die USA und europäische Staaten Saudiarabien aufrüsten helfen wollen - ein in den Augen des Westens dank seines Feudalsystems gemäßigter Staat.

Doch waren es ja gerade die Saudis gewesen, die wiederholt zum „Heiligen Krieg“ gegen Israel aufgerufen haben. Und wenn Schmidt aufgrund innenpolitischer Schwierigkeiten Riad vorläufig bezüglich eines Panzergeschäftes vertrösten mußte-Österreichs Bundeskanzler Bruno Kreisky ist bei seinem jüngsten Besuch da ja offensichtlich bereitwillig in die Bresche gesprungen.

Auch wer sich in Israel nicht mit Begin identifizieren will, beurteilt die Bundesrepublik anders als andere EG- Staaten; schließlich kann man die nahe Vergangenheit nicht einfach so ohne weiteres abschreiben.

Es ist jedem klar, daß nicht alle Söhne und Töchter des deutschen Volkes für den Holocaust verantwortlich gemacht werden können; auch während der Hitler-Ära waren die meisten Deutschen nur Mitläufer. Doch all dies entbindet sie nicht ihrer historischen Verantwortung als Deutschedemjüdischen Volk gegenüber.

DieTatsache bleibt bestehen: ein Drittel des jüdischen Volkes wurde von den Nazis umgebracht. Für einen Juden können die angewandten Maßstäbe gegenüber der Bundesrepublik - ob er will oder nicht - also niemals dieselben sein wie etwa gegenüber der USA oder Großbritannien.

Und wie heikel die deutsch-israelischen Beziehungen sind, läßt sich schon daraus ersehen, daß eine einzige Haßtirade eines durch die Nazis schwer getroffenen Menschen - sei er auch Ministerpräsident - genügt, um die sich erst sachte angebahnten guten israelisch-deutschen Beziehungen sofort wieder zu erschüttern.

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