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Behutsame Zeitkritik
Der 1881 in Wien geborene und 1942 in Südamerika in den Freitod Gegangene war der meistübersetzte Schriftsteller seiner Zeit. Es war geistige, nicht materielle Not, die ihn lebensüberdrüssig machte. Er hielt die Haßwelt und den Weltkrieg nicht aus, empfand die Welt als Exil und wurde in Brasilien in einer Ehrengruft beigesetzt; Geschäfte und Schulen waren geschlossen, die höchsten Würdenträger des Landes gaben ihm die letzte Ehre.
Hierzulande halb vergessen, zählt er etwa in der Sowjetunion noch immer zu den vielgelesenen Autoren deutscher Sprache. „Die Monotonisierung der Welt“ enthält einundzwanzig Aufsätze und Vortragstexte unterschiedlicher Länge und Bedeutung aus den Jahren 1916 bis 1939.
Dieser Schriftsteller konnte nur rühmen, allenfalls beklagen: Polemik war seine Sache nicht. Das beginnt beim Titelthema, in welchem er die allgemeine Nivellierung durch die Technik (nicht diese selbst) bedauert, und kulminiert dann in einer breiten Schilderung seiner „Reise nach
Rußland“, die er 1928 als Ehrengast absolvierte, dem freilich alle Schattenseiten verborgen blieben.
Der literarische Buchteil behandelt unter anderem Ben Jon-son, Leo Tolstoi, Marcel Proust, Romain Rolland, Rainer Maria Rilke und Hermann Hesse, gipfelt aber in der glänzenden Interpretation des knapp vorher erschienenen „Ulysses“ von James Joyce und der ebenso treffenden Analyse der „Lotte in Weimar“ von Thomas Mann.
Zweig war kein „Genie“, aber ein Genie brillanter Vereinfachung, manchmal auch der Voraussicht: „Reisen oder Gereist-Werden“ (1926) persifliert - vor mehr als sechzig Jahren — elegisch den einsetzenden Massentourismus.
DIE MONOTONISIERUNG DER WELT. Von Stefan Zweig. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1988. 255 Seiten, kart., öS 154,-.
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