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Bei ihm wird viel toleriert

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Die Begebenheit liegt ungefähr zehn Jahre zurück. Ich war ein junger Jour­nalist und schrieb Für den „Stern". Es muß so um den 60. Geburtstag des Bun­deskanzlers herum gewesen sein. Ich hatte den Auftrag, eine außergewöhnli­che Geschichte über Bruno Kreisky zu schreiben.

Ich nahm mir vor, Kreisky ein soge­nanntes Ich-Interview vorzuschlagen. Schließlich war er Bundeskanzler und sozialistischer Parteivorsitzender. Da er schon damals dafür bekannt war, binnen weniger Stunden zu ein und demselben Thema widersprüchliche Meinungen zu äußern (und dies auch noch mit voller Absicht), müßte es - so dachte ich mir - eigentlich journali­stisch etwas hergeben, wenn der Partei­vorsitzende Kreisky den Bundeskanzler Kreisky befragt.

den Termin mit dem Regierungschef. Und in seinem Zimmer im Kanzleramt trug ich ihm das Anliegen vor. Er hörte sich die Sache an, wollte sich aber noch nicht so recht entscheiden. „Ich werde mich bei Ihnen melden", sagte er mir zum Abschied.

Etwa eine Woche später kam sein Anruf und seine Antwort. „Wissen Sie, die Idee mit dem Interview ist ja recht gut. Aber mir sagt man ja eh schon nach, daß ich zuviel rede. Und dann noch das Interview mit mir selbst. Also ich glaube, daß ich mir das nicht leisten kann.“

Schade, daß dieses Ich-Interview nicht zustande gekommen ist. Es wäre nämlich symptomatisch für ihn gewe­sen. Daß1 er das Spiel mit den „zwei Seelen, die, ach, in meiner Brust woh­nen“, beherrscht, hat er uns ja öfters vorgezeigt. Erst vor wenigen Monaten, in Zusammenhang mit dem Pro-Zwen- tendorf-Volksbegehren, hat er sich zwar als Bundeskanzler einer Meinungs­äußerung enthalten, dafür aber als Pri­vatmann seine Stimme erhoben.

Bei jedem anderen Politiker würde man ein solches Verhalten bissig kom­mentieren, bei Kreisky wird dies heute schon toleriert. Warum dies der Fall ist? Darauf gibt es viele Antworten. Si­cher ist, daß er mit seiner Art der Selbstpräsentation, der Meinungsäu-

Schon nach wenigen Tagen hatte ich ßerung, ein spielerisches Moment in die Politik gebracht hat. Während etwa Für seinen Amtsvorgänger Josef Klaus die Sachlichkeit oberstes Prinzip beim Po­litik-Machen war, hat Bruno Kreisky immer wieder Show gemacht. Er nützte wie kein anderer die Medien und be­diente sich der Journalisten.'

Wenn es freilich heißt, er sei ein Jour­nalistenkanzler, so vergißt man allzu leicht, daß viele Journalisten, die heute dem Bundeskanzler hofieren, von ihm auch schon gemaßregelt, ja sogar öf­fentlich abgekanzelt wurden. Und sie haben es sich gefallen lassen.

Auch die Österreicher haben sich letztlich einiges gefallen lassen. Denn Kreisky verstand es auch, Themen, ganz wie’s ihm' beliebte, hinauf- oder hinunterzuspielen.

Vor mehr als zehn Jahren - unter der ÖVP-Regierung - inszenierte die SPÖ bei dreiprozentiger Preissteigerungs­

rate einen Inflationsalarm sonderglei­chen. Seit Jahren prasseln die Bela­stungslawinen auf die Bevölkerung nie­der. Diese Lawinen werden von Kreisky & Co. verharmlost, als wären es nur die Federn aus dem Polster der Frau Holle. Und lange Zeit haben dies viele unter uns auch noch geglaubt.

Zu diesem Schauspiel, das man uns in den letzten zehn Jahren bot, gehört sicher auch, daß die Sozialdemokratie in Österreich hoffähig wurde. Dabei ist „hoffähig“ durchaus im doppelten Sinn des Wortes zu verstehen. Durch Jahr­zehnte hindurch waren die Sozialisten immer nur die Zweiten, jetzt unter Kreisky sind sie die Ersten. Und sie ge­nießen diese Rolle, wie man auch am Regierungsstil erkennen kann, der an Prunk und monarchischem Gehaben (denken wir nur an die „Kronprinzen“) oft überdeckte, was an sozialistischer Politik gemacht wurde.

Kreisky ist heute, an seinem 70. Ge­burtstag, ein unbestritten sehr populä­rer Politiker. Die Politik an sich ist aber in seiner Zeit nicht populärer gewor­den. Im Gegenteil (und auch daran muß man an diesem Geburtstag denken): wir sind in eine Glaubwürdigkeitskrise unseres politischen Systems geschlit­tert. Und die Partei, deren Vorsitzen­der dieser Bruno Kreisky ist, hat leider viel zu dieser Situation beigetragen.

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