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BEI TRENNUNG IST DAS VISUM WEG

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Als sozial schwache Gruppe sind ausländische Frauen auch häufiger als andere Opfer von Gewalttätigkeiten. Von Gewalt durch ihre Männer und Partner, von Gewalt durch Arbeitgeber. Suchen auch ausländische Frauen Zuflucht und Hilfe in einem Frauenhaus?

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Als sozial schwache Gruppe sind ausländische Frauen auch häufiger als andere Opfer von Gewalttätigkeiten. Von Gewalt durch ihre Männer und Partner, von Gewalt durch Arbeitgeber. Suchen auch ausländische Frauen Zuflucht und Hilfe in einem Frauenhaus?

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Rosa Logar und Hermine Sieder, Mitarbeiterinnen in Wiener Frauenhäusern, meinen, daß ausländische Frauen sich besonders häufig in einer Situation großer Abhängigkeit und sozialer Unsicherheit befänden, den Männerp daher besonders ausgeliefert seien. Sei ein Familienvisum vorhanden, so ermögliche nur das Beisammenbleiben mit dem Partner den weiteren Aufenthalt in Österreich, bei Trennung oder Scheidung drohe den Frauen die Abschiebung in ihre Heimatländer.

Besonders betroffen seien Frauen, die sich illegal in Österreich aufhielten, denn sie könnten bei Gewalttätigkeiten auch nicht den gesetzlichen Schutz - also beispielsweise die Hilfe der Polizei - in Anspruch nehmen. Durch die Neuregelung der Aufenthaltsbestimmungen seit 1. Jänner (siehe Seite 9) habe die Zahl der illegal in Österreich lebenden Frauen zugenommen.

Auch die Vermittlung von Arbeitsplätzen sei viel schwieriger geworden, da kaum mehr Beschäftigungsbewilligungen erteilt würden. Ohne Arbeitsplatz und Einkommen bliebe den Frauen aber nur übrig, wieder zu ihren gewalttätigen Männern zurückzukehren.

In einer speziellen Situation seien Frauen, die als Nachtklubtänzerinnen - in Wirklichkeit als Geheimprostituierte - nicht nur aus Thailand oder Lateinamerika, sondern vor allem auch aus der Slowakei, aus Tschechien oder Rumänien nach Österreich kämen. „Im Vorjahr sind eine Kubanerin und eine Frau aus der Dominikanischen Republik im Frauenhaus gelandet. Die Frau aus der Dominikanischen Republik ist unter falschen Vorspiegelungen illegal nach Österreich gelockt worden, hat ein Verhältnis und ein Kind mit dem Besitzer der Bar gehabt, in der sie tätig war und der wollte sie nun durch Gewalttätigkeiten einfach loswerden. Durch ein Rückflugticket in ihre Heimat ist für uns das Problem relativ leicht zu lösen gewesen", erzählt Hermine Sieder.

Etwa 250 Frauen aus der Dominikanischen Republik seien derzeit offiziell in Österreich und etwa noch einmal so viele illegal, außerdem natürlich Frauen aus dem asiatischen Raum und eben aus Osteuropa. Alle mehr oder weniger als Prostituierte. Für diese Frauen bestehe kaum eine Chance, aus eigenen Kräften diesem Kreislauf zu entkommen. Auch als Putzfrauen könnten sie nur illegal in Österreich arbeiten, das bedeute aber die totale Auslieferung an den Arbeitgeber.

Derzeit stehen in Wien etwa 40 Frauenhausplätze zur Verfügung, 20 Prozent der Bewohnerinnen stammten im Jahr 1992 aus dem ehemaligen Jugoslawien, fast acht Prozent aus der Türkei, insgesamt 45 Prozent seien Ausländerinnen gewesen.

Manchmal kämen auch Frauen aus Flüchtlingslagern oder Flüchtlingswohnungen ins Frauenhaus. Der unerträgliche Druck der Flüchtlingssituation, oft auch in ihren Heimatländern erlittene Folterungen veranlaßten die Männer, sich an ihren Familienangehörigen abzureagieren. Mitverursacht seien Gewalttätigkeiten oft auch durch die unzumutbar engen Wohnverhältnisse von Ausländerfamilien.

Ist die Hemmschwelle ausländischer Frauen, sich an ein Frauenhaus zu wenden, nicht noch größer als bei Inländerinnen?Und woher kennen sie die Frauenhäuser?„Türkische Frauen kommen am ehesten durch ihre Landsmänninnen. Ausländerinnen kommen prinzipiell eher durch die Polizei vermittelt als Inländerinnen. Vielleicht liegt das daran, daß bei gewalttägien Streitigkeiten von Ausländern Nachbarn eher die Polizei alarmieren. Wir haben auch gute Kontakte zu den Ausländerinnen-Beratungsstellen", sagen Logar und Sieder.

Welche Rolle spielen die kulturellen Unterschiede, wenn sich beispielsweise türkische Frauen an eine Frauenhaus wenden?„Bei Frauen aus dem islamischen Kulturkreis gibt es schon Unterschiede. Häufig werden Familienangehörige, Autoritäten aus dem

Familienkreis, für Entscheidungen zu Rate gezogen.

Der Familienverband ist für Türkinnen ausgesprochen stützend. Jugoslawische Frauen kommen dagegen öfters aus zerbrochenen Familienverhältnissen, die Kinder stammen aus verschiedenenen Partnerschaften, das soziale Netz funktioniert nicht mehr. Natürlich spielen auch die individuellen Lebensgeschichten eine entscheidende Rolle", meint Hermine Sieder.

Kehren solche Frauen dann wieder in ihre Familien zurück? „Türkisehe Frauen scheinen es sich meiner Erfahrung nach lange Zeit zu überlegen, bevor sie den Mann verlassen, dann aber bleiben sie bei ihrer Entscheidung - anders als jugoslawische Frauen", wird ergänzt. Da diese Frauen meist schon länger in Österreich lebten, wäre es möglich, für sie Arbeitsplätze zu suchen.

Ein zusätzliches Problem bedeutet die Wohnraumbeschaffung nach dem Verlassen des Frauenhauses. Die stark gestiegenen Mieten seien natürlich nicht aufzubringen, auch die Unterbringungsmöglichkeiten durch kirchliche oder private Hilfseinrichtungen seien - nicht zuletzt wegen der Bosnien-Flüchtlinge - erschöpft. Auch in den Mutter-Kind-Heimen der Gemeinde Wien gebe es für ausländische Frauen keine Plätze(obwohl diese Frauen zum Teil viele Jahre in Österreich lebten, trotz Kindern berufstätig waren und Sozialabgaben zahlten).

„Durch die gestiegenen Mieten ist in den letzten Jahren fast eine Art Nomadentum entstanden. Für diese fleißigen Frauen ist es entwürdigend, alle paar Monate vom Frauenhaus in ein Mutter-Kind-Heim des Kolping-werkes oder ähnliches zu übersiedeln. Es besteht auch kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung. Die Verschärfung der sozialen Situation trifft eindeutig auch die ausländischen Frauen stärker als andere", sagt Rosa Logar.

Natürlich würden die Frauen oft auch wieder Zuflucht bei Männern suchen, die sie wieder ausbeuteten,,... aber wenn das Aufenthaltsvisum und die Existenz von ihm abhängt, wer kann da schon zur Trennung von diesem Mann raten?"

In den Frauenhäusern würde auch bei den ausländischen Frauen die weibliche Solidarität gestärkt, gerade türkische Frauen hätten ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und würden einander auch später noch beistehen.„Die Erfahrungen aus dem Frauenhaus wirken auch bei ausländischen Frauen nach. Oft werden solche Frauen durch ihre eigene Situation Expertinnen für Rechtsfragen der Ausländerinnen und geben dieses Wissen an andere Frauen weiter", schildert Rosa Logar.

Und immer wieder tauchen neue Probleme auf:

Bei der Flüchtlingswelle aus Bosnien seien auch bosnische Frauen mit den Kindern ihren Männern nach Österreich nachgefolgt, der Mann habe aber hier bereits mit einer neuen Lebensgefährtin zusammengelebt.

Da im Frauenhaus grundsätzlich Beratung in der Muttersprache angestrebt wird, bediene man sich der Dolmetscher, bis man feststellte, daß männliche Dolmetscher aus dem islamischen Kulturkreis die Frauen kräftig zu manipulieren versuchten, statt sich aufs Dolmetschen zu beschränken.

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