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Beifall verdient und gefunden

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Das Forschungsförderungsgesetz von 1967 ermöglichte es, begabten Wissenschaftern oder Forscherteams Zuschüsse durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und durch den Forschungsfonds der Industrie zu gewähren. Diese offiziellen Einrichtungen sind die Gegenstücke zu nationalen Wissenschaftsstellen, wie sie in den meisten anderen Ländern schon lange vorhanden waren.

Ungeachtet der Notwendigkeit, zunächst die ökonomischen Grundbedürfnisse Österreichs nach dem Krieg zu befriedigen, wurden beachtliche Forschungen geleistet, die internationale Anerkennung verdienten und fanden.

In der Medizin zum Beispiel entdeckte und bewies um das Jahr 1960 Oleh Hornykiewicz, ein junger Arzt am Pharmakologischen Institut der Universität Wien, daß ein Defekt im menschlichen Gehirn die Ursache der Parkinsonschen Krankheit ist.

Gemeinsam mit Prof. Walter Birkmeyer (Krankenhaus Lainz der Stadt Wien) entwickelte er die damals wirkungsvollste Therapie für diese Krankheit. Prof. Hornykiewicz kehrte kürzlich aus Toronto nach Wien zurück und schloß sich hier einem Team ausgezeichneter Kollegen an, das sich erfolgreich mit klinischer Hirnforschung befaßt.

Prof. Johann Navratil, der 1967 aus der CSSR an die Wiener Universität kam, hat sich auf dem Gebiet der Herzchirurgie hervorgetan. Er arbeitet mit einem großen Team von Spezialisten der Internen Medizin und entwickelte effiziente neue Einrichtungen zur Unterstützung des Blutkreislaufes, darunter eine Pumpe, die während einer Operation die Herzfunktionen übernimmt und vielen Opfern von Herzattacken geholfen hat.

Zwei hervorragende Wissenschafter, die nach ausgedehnten Auslandsaufenthalten nach Österreich zurückgekehrt sind und hier hochaktive Forschungsgruppen aufgebaut haben, sind der Immunologe Prof. Georg Wiek (Universität Innsbruck) und der Physiologe Prof. Thomas Kenner (Universität Graz).

Die Innsbrucker Gruppe unternimmt Anstrengungen, den Mechanismus der Auto-Immunität zu enthüllen. Die Unfähigkeit des Immunsystems, Eigenzellen von Fremdzellen zu unterscheiden, ist der Grund wichtiger Krankheiten. Andere mögliche Anwendungen dieser Arbeit liegen in der Hilfe für den Körper, Transplantate anzunehmen. Die Grazer Gruppe wendet bei der Erforschung des Kreislaufsystems Erwachsener und Neugeborener neue, nicht auf Eingriffen beruhende Techniken und Systemanalyse an.

Helmut Rauch (Technische Universität Wien) konstruierte das erste arbeitsfähige Neutroneninterferometer, das die Meßmethoden in der Festkörperphysik revolutionierte und neue Experimente in der Quantenmechanik ermöglichte.

Prof. Otto Kratky (Universität Graz) befaßte sich mit der Brechung von Röntgenstrahlen. Von Prof. Kratky ersonnene neue Geräte und Techniken erlauben, die Form und die Dynamik biologischer und technischer Polymere zu studieren.

Beachtliche Fortschritte auf dem Gebiet der Supraleiter machte Peter Klaudy, vormals Professor an der Technischen Universität Graz. Er konstruierte unter anderem Koaxialkabel, die durch die Verwendung von flüssigem Helium auch nahe dem absoluten Nullpunkt ständig und wirkungsvoll arbeiten. 1979 verwendete ein Kraftwerk in der Steiermark als erstes diese He-lium-gekühlten supraleitenden Kabel.

Professor Kratkys Geräte werden derzeit an mehrere Staaten verkauft, Prof. Klaudys Entdeckung wurde erfolgreich industrieller Nutzung zugeführt. Dies sind Beispiele für den passenden Ubergang von Grundlagen- und angewandter Forschung zu industrieller und wirtschaftlicher Entwicklung. In ähnlicher Weise konzentrierten sich gegenwärtige Forschungsprojekte an der Montanuniversität Leoben auf das Studium von Metallegierungen - mit einem Auge auf die Entwicklung neuer Stahle. Diese Projekte werden im Rahmen des Forschungsschwerpunktprogramms der österreichischen Universitäten finanziert.

Ungeachtet der hohen Kosten für ein kleines Land lieferte Österreich in den letzten 25 Jahren einen enormen Beitrag zur Archäologie. Zu den bedeutendsten Projekten gehören Ausgrabungen in Ephesus (Türkei), in Ägina (Griechenland) und im Nildelta. In Ephesus wurden Stadt und Hafen eines der bekanntesten und reichsten Handelszentren des Hellenismus vollständig freigelegt.

Nach einer Sondervereinbarung mit der türkischen Regierung bleiben die bedeutendsten Funde in der Türkei, aber manche Objekte wurden nach Österreich gebracht, wo als Teil des

Wiener Kunsthistorischen Museums ein Spezialmuseum eingerichtet wurde.

Manfred Bietak (Universität Wien) arbeitet in Teil el Dab'a im Nildelta und gräbt Paläste und Häuser aus. Er benützt die Archäologie als Mittel, um zum Verständnis der Gesellschaft und Zivilisation beizutragen.

In der Kunstgeschichte erwarb sich Prof. Otto Demus (Universität Wien) internationales Ansehen mit seinen Studien über venezianische und byzantinische Mosaike sowie Miniaturen in Sizilien, Griechenland und der Türkei.

Die Bücher des Althistorikers Prof. Fritz Schachermeyr (Universität Wien) setzten internationale Maßstäbe: zunächst über Etrusker, Hethiter und Ägäer, dann über die minoische und mykenische Kultur und über die Persönlichkeit des Alexanders des Großen.

Größere österreichische Beiträge zur Geschichtsschreibung betreffen die politische und kulturelle Geschichte der Völker Ost- und Westeuropas. Nachdruck liegt dabei auf dem Vielvölkerstaat Österreich von einst und auf den Beziehungen mit den angrenzenden Staaten. Walter Leitsch (Universität Wien) konzentriert sich auf das Rußland des 17. Jahrhunderts. Richard Plaschka (Universität Wien) publizierte über Südosteuropa im 19. Jahrhundert.

Adam Wandruszka (Universität Wien) ist Spezialist für das Haus Habsburg und hat, mit einer italienischen Kapazität gemeinsam, die Geschichte der österreichisch-italienischen Beziehungen im Lauf der Jahrhunderte niedergeschrieben, ein Versuch, beiden Nationen Geschichte objektiver nahezubringen.

Junge Historiker wie Prof. Michael Mitterauer (Universität Wien) verwenden soziologische Methoden bei historischen Studien. Mitterauers Team untersucht - gemeinsam mit Forschern in England, Deutschland, den USA, Frankreich und Polen - die Geschichte der Familie und familärer Strukturen vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Der Wiener Soziologe Prof. Leopold Rosenmayr hat umfassend über die Soziologie der Jugend und der Alten gearbeitet. Er hat kürzlich seinen Beitrag zur von der UNESCO kommissionier-ten Studie „Jugend in einer sich wandelnden Welt 1966-1977” veröffentlicht und seine Untersuchung auf das politische Verhalten junger Menschen in aller Welt konzentriert.

Vor kurzem 90jährig gestorben, gehörte Alfred Verdroß zu den angesehensten Rechtslehrern. Er personifizierte für viele Generationen von Rechtsphilosophen und Experten im internationalen Recht die am Beginn dieses Jahrhunderts von Hans Kelsen und Adolf Merkl begründete Schule der Rechtsphilosophie.

Solche Leistungen sind natürlich nur ein paar Illustrationen zu der Forschung, mit der es Österreich gelang, mit der internationalen wissenschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten. Nach 25 Jahren steht die Wissenschaft in Österreich an einem neuen Scheideweg.

Wie alle kleineren Länder muß Österreich die Qualität der Erziehung und der Bildung auf allen wissenschaftlichen Gebieten sichern, um seine gesamte industrielle und soziale Entwicklung fortsetzen zu können. Und da das Menschenpotential und die finanziellen Mittel in einem kleinen Land begrenzt sind, müssen die Fondsgelder auf ein paar Gebiete konzentriert werden.

Univ.-Prof. Dr. Hans Tuppy ist Biochemiker und Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Der Beitrag stammt aus Heft 1/1980 der Zettschrift „Austria Today” (Übersetzung: Heiner Bobcrski).

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