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Beim Ballspiel opferten sie Menschen

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Dem immer noch rätselhaften Volk der Mayas ist eine der bedeutendsten Hochkulturen Mittelamerikas mit hervorragenden wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen zu danken.

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Dem immer noch rätselhaften Volk der Mayas ist eine der bedeutendsten Hochkulturen Mittelamerikas mit hervorragenden wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen zu danken.

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Mit 350 Objekten ist die vom Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Mu-seum übernommene, durch zusätzliche Leihgaben erweiterte Ausstellung des Kunsthistorischen Museums im Wiener Künstlerhaus die bislang umfassendste Schau über die Welt der Maya, jenes indianischen Volkes, das vor beinahe 4.000Jahren im Gebiet des heutigen Belize, El Salvador, Guatemala, Honduras und Mexiko erschien. Es gründete miteinander rivalisierende Stadtstaaten, baute Stufenpyramiden wie die alten Ägypter und schuf eine blühende Kultur, die sechsmal länger bestand als das Römische Reich, es lebte nach einem Kalender, derunserem glich. Das Volk der Maya erfand das mathematische Konzept der Null, konnte Sonnen-und Mondfinsternisse voraussagen und die Bahn der Venus mit einem Fehleranteil von nur vierzehn Sekunden im Jahr berechnen.

Der Versicherungswert der bis 27. Juni in Wien gezeigten Objekte beträgt 1,2 Milliarden Schilling. Entliehen wurden die Exponate Museen der Maya-Nachfolgestaaten, der USA und verschiedener europäischer Länder (darunter dem Londoner British Museum, dem Museum Leiden und dem Wiener Völkerkundemuseum mit seinen altamerikanischen Beständen aus der ehemaligen Habsburgischen Kunstkammer). Die Kunstschätze gehören zur materiellen Hinterlassenschaft eines jener Völker, dessen Kultur im 16. Jahrhundert von den spanischen Konquistadoren systematisch zerstört worden ist.

Ergänzt von einem zweibändigen Katalog vermitteln die Exponate den neuesten Stand der Mayanistik - muß doch durch die in den vergangenen eineinhalb Jahren erzielten Fortschritte bei der Entzifferung der Maya-Hieroglyphen die Geschichte der Mayas und ihrer vom Urwald überwucherten Ruinenstädte teilweise umgeschrieben werden. Von großem Interesse ist deshalb die sogenannte

Leidener Platte, ein nach seinem Aufbewahrungsort benannter Jade-Anhänger, auf dem sich eines der ältesten Maya-Daten befindet, sowie ein wissenschaftlicher Beitrag des hervorragenden Mayaisten Nikolai Grube aus Bonn.

Jadeschnitzereien

Gegliedert ist die vom Atelier Kräftner symbolisch vor einem blutroten Hintergrund gestaltete Exposition „Die Welt der Maya” in drei Teile: die vorklassische Periode (2000 v. Chr. bis 250 n. Chr.), die klassische Periode (250 bis 900 n. Chr.) und die postklassische Periode (900 bis 1500 n. Chr.). Man begegnet in der zunächst unter dem Einfluß der Olteken stehenden vorklassischen Periode Jade-schnitzereiert und Töpferarbeiten, skulptierten Stelen und monumentalen Ärchitekturteilen. Nach astrologischen Gesichtspunkten errichtete Zentren im südlichen Tiefland und im nördlichen Hochland weisen große Baukörper, kleine Innenräume und umfangreiche Plätze auf (beispielsweise in Chiehen Itza, Copän, Tikal, Palenque, Uaxactun und dem bereits zu Beginn der klassischen Zeit vielleicht wegen Überbevölkerung aufgegebenen Stadtstaat El Mirador).

Einen der Schwerpunkte der Ausstellung bildet die abstrahierte Rekonstruktion des Ballspielplatzes von Copän, dessen letzte Bauphase in das achte Jahrhundert fällt. Ein Gebäude trug ein Papageienmosaik, das bei den in den achtziger Jahren durchgeführten Ausgrabungen - in unzählige Bruchstücke zerfallen - zutage kam und wieder zusammengesetzt werden konnte. Es dürfte 16 Papagei-Figuren und Schlangenköpfe besessen haben.

Wie aus den wenig erhaltengebliebenen Codices hervorgeht, galten der Papagei (Ära) ebenso wie der aus dem Zapote-Baum des tropischen Regenwaldes gewonnene Gummiball als Symbole der Sonne. Obgleich wir die Spielregeln des Ballspiels nicht kennen, wissen wir, daß sie mit Opferungen von Menschen verbunden waren und daß der Ball über die Mittellinie der Spielstraße geschlagen werden mußte. Bei der Einweihung des Platzes mit mehr ritueller als sportlicher Funktion wurde sogar der Sohn von „Rauch-Imix”, dem zwölften Herrscher, wie ein Ball über die Begrenzungsmauer geschleudert.

Ein weiteres im Künstlerhaus ausgestelltes Relief dieser Tempelanlage zeigt König Yax Pak, den Überbauer eines bereits bestehenden älteren Tempels. Das neue, alles bisher Dagewesene in den Schatten stellende Gebäude sollte die Verbindung zu den Vorfahren und den Kontakt zu den Göttern dokumentieren, die für die Stadt wichtig waren.

Von derZuschauertribüne des Ballspielplatzes von Copän stammen reich reliefierte und mit Hieroglyphentexten versehene Kalkstein-Platten von Sitzbänken. Abgebildet wurden auf ihnen Personen in unterschiedlichen

Sitzhaltungen, gekleidet in einer für die Spätzeit typischen Tracht mit Turban oder einem Kopfputz mit Quetzalfedern. Alle Figuren sind barfüßig, tragen jedoch um die Fußknöchel und an den Handgelenken voluminösen Schmuck.

Schmuck für die Unterwelt

Aus der Vielfalt der effektvoll präsentierten Objekte sei außerdem die Mosaikmaske aus dem Grab eines Würdenträgers oder Herrschers aus Tikal hervorgehoben. Die Maske weist Augen aus Perlmutt, Pupillen aus schwarzem Purit, Lippen aus roter Muschelschale und Ohrpflöcke aus kostbarem Jadeit auf. Der Kopfschmuck wird von einem Ungeheuer mit Volutenaugen und einem frontalen Haifischzahn gebildet, wobei noch Reste der roten Bemalung erhalten geblieben sind.

Entdeckt wurde die Maske über dem Gesicht des Toten. Sie zählte neben diversem Jade- und Muschelschmuck zur Ausstattung des Bestatteten während seiner Reise durch die Unterwelt beziehungsweise zu dessen Inventar im Rahmen seiner Wiedergeburt als einer der Göttlichen Zwillinge, den Helden der Maya-Schöpfung.

Gemäß der Überlieferung besiegte dieses Brüderpaar die Herrscher der Unterwelt durch ein Ballspiel, was die Maya-Forscher veranlaßt, in den Spielen eine Wiederholung der Mythen zu sehen. Der Fund wird in das sechste Jahrhundert n. Chr. datiert und gehört dem Museo Nacional de Arqueologica y Etnologia in Guatemala-Stadt. Seine Abbildung ziert jetzt Plakat und Katalog der „Welt der Maya”.

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