6891296-1979_46_15.jpg
Digital In Arbeit

Bekenntnis zum vollen Gymnasium

19451960198020002020

Die Auseinandersetzung der beiden großen Parteien in der Schulfrage konzentriert sich vor allem auf den Bereich der Mittelstufe: Gesamtschule allein oder Hauptschule und Untergymnasium nebeneinander - an dieser Frage scheiden sich die Geister. Mit dem Schulsprecher der ÖVP, Landeshauptmannstellvertreter Hans Katschthaler (Salzburg), sprach zu dieser Thematik Felix Gamillscheg.

19451960198020002020

Die Auseinandersetzung der beiden großen Parteien in der Schulfrage konzentriert sich vor allem auf den Bereich der Mittelstufe: Gesamtschule allein oder Hauptschule und Untergymnasium nebeneinander - an dieser Frage scheiden sich die Geister. Mit dem Schulsprecher der ÖVP, Landeshauptmannstellvertreter Hans Katschthaler (Salzburg), sprach zu dieser Thematik Felix Gamillscheg.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Die SPÖ intensiviert ihre Propaganda in Richtung Gesamtschule, die ÖVP lehnt die Gesamtschule ab; welche Alternative gilt für die ÖVP?

KATSCHTHALER: Wir möchten der Öffentlichkeit verdeutlichen, daß es sehr wichtig ist, an der Forderung nach der Vielfalt des Bildungsangebotes festzuhalten, mit der Begründung, daß damit der Individualnatur des Menschen doch am besten gedient werden kann. Es ist sinnvoll, wenn im Volksschulbereich nur eine einzige Schulart angeboten wird. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen kommt es darauf an, daß alle in ein erstes Natur-, Kultur- und Menschenver dann gewahrt, wenn für alle Kinder eine gemeinsame Schule vorhanden ist. Was sagt die ÖVP dazu? ständnis eingeführt werden. Aber es zeigt sich während der vier Jahre Volksschule doch bereits deutlich, wo die Schwerpunkte des einzelnen Schülers liegen, ob er stärker intellektuell begabt ist oder ob das Praktische überwiegt. Daher ist es sicherlich nicht verfrüht, mit dem zehnten Schuljahr bereits vielfältige Bildungsangebote zu machen. Dies ist auch deswegen nicht verfrüht, weil ja sichergestellt ist, daß für jeden Schüler ab dem 14. Lebensjahr alle Möglichkeiten offen-stehen. Wir vertreten also aus Überzeugung den Gedanken der Hauptschule als der tragenden Schule im Bereiche der Zehn- bis Vierzehnjährigen mit der dreifachen Zielsetzung einer erhöhten Allgemeinbildung, der Vorbereitung auf ein praktisches Berufsleben und drit-, tens der Vorbereitung auch für höhere allgemeinbildende und berufsbildende Schulen.

FURCHE: Präsident Schnell hat kürzlich festgestellt, für die SPÖ sei das Elternrecht auf Wahl der bestmöglichen Schule für die Kinder

KATSCHTHALER: Wenn wir diesen Gedanken konsequent fortführen, dann müßte es auch nach dem 14. Lebensjahr eine Einheitsschule geben. Es geht den Sozialisten sehr stark um die Verwirklichung dieses Gedankens: während zwar jetzt von der Sozialistischen Partei der Gedanke einer integrierten Gesamtschule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen vertreten wird, peilen gewisse Gruppen der SPÖ bereits als ein weiteres Ziel eine integrierte Gesamtschule aller Zehn- bis Achtzehnjährigen an. Das würde bedeuten, daß wiralles, was wir bisher in verschiedenen Schularten anbieten, in allgemein bildenden höheren, in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen der verschiedenen Sektoren in einer einzigen Schulart anbieten müßten, und das würde bedeuten, daß wir uns auf Monsterschulen hinbewegen, in denen die Individualität des Schülers völlig verdrängt wird. Das kann nicht ein Ziel unserer Bildungspolitik sein, und darum wird auch die ÖVP keinen Schritt tun, der in die Richtung der Umstellung unserer Schulorganisation auf die Gesamtschule geht. Wenn darauf hingewiesen wird, daß doch in vielen Ländern, wie den USA und Schweden, die Gesamtschule Wirklichkeit ist, so muß doch hinzugefügt werden, daß man dort mit der Gesamtschule denkbar schlechte Erfahrungen gemacht hat: Es ist ein starker Niveauverlust eingetreten, der in den USA zu einen Run auf die Privatschulen geführt hat. In Schweden hat die Gesamtschule eine völlig falsche Lenkung der Bildungsströme gebracht. Durch das einseitige Bevorzugen der Intellektuellenbildung ist die Bildung der Hand, das Eröffnen des Blickes für die Notwendigkeit der Ausbildung des Menschen für ein Handwerk oder für ein Leben im gewerblich-kaufmännischen Bereich fast verlorengegangen.

FURCHE: Die ÖVP ist also für eine Beibehaltung des durchlaufenden Gymnasiums über acht Jahre. Solldie bisher nur aufgeschobene Erfüllung des Schulgesetzes 1962 auf neun Jahre Gymnasium endgültig abgelegt werden? Welche Reformnotwendigkeiten sieht die ÖVP für das bestehende Gymnasium?

KATSCHTHALER: Ich darf ein Bekenntnis ablegen, zum langen Gymnasium und Realgymnasium in all den Typen, die wir kennen; Ich glaube, daß diese gymnasialen Vollformen ihre Aufgabe in hervorragender Weise erfüllen. Längst ist diese Schulart für alle zugänglich geworden. Es ist nicht richtig, wenn man behauptet, es würden Menschen femgehalten. Das ist eine Sache der freien Entscheidung. Freilich sind die Ansprüche am Gymnasium höher, aber diese höheren Anforderungen richten sich an alle in gleicher Weise. Ich glaube aber, daß wir die Probleme der Zukunft nicht lösen mit einer Verlängerung der Schule, sondern mit einer Verbesserung der Schule, die befähigen und motivieren muß für ein lebenslanges Bildungsbemühen.

FURCHE: Und Reformen im heutigen Ablauf?

KATSCHTHALER: Keine Schulart ist perfekt, und im Zuge der Gesamtentwicklung muß jede Schulart immer wieder neu überdacht werden. Auch das Gymnasium und das Realgymnasium kennen Schulversü- che an der Oberstufe, wo man versucht, noch besser auf die spezifischen Interessen der Schüler einzugehen.

FURCHE: Halten Sie diese Art von Schulversuchen für günstig, die es ermöglichen, gewisse Gegenstände schon mit der sechsten Klasse praktisch abzuwählen und damit noch früher als jetzt die Weichen für die Berufslaufbahn zu legen, ein gewisses Fachidiotentum zu fordern, und die Allgemeinbildung, die sonst die Matura nachweisen sollte, damit zu gefährden?

KATSCHTHALER: Man muß bei aller Wertschätzung der Wahlpflichtmöglichkeiten auf jeden Fall sicherstellen, daß die Allgemeinbildung in ihrer gesamten Breite erhalten bleibt. Es wäre verfehlt, wollte man die Schüler in die Lage versetzen, generell gewisse Gegenstände überhaupt aus dem Bildungskanon zu streichen. Es muß sichergestelltbleiben, daß in all den Fächern, die wir anbieten, ein Mindestmaß an

Ausbildung sichergestellt ist.

FURCHE: Sie haben vorhin die Privatschulen in den USA erwähnt. Die österreichischen Privatschulen, vor allem die konfessionellen, erleben einen Boom, daß sie praktisch die dreifache Schülerzahl aufnehmen könnten. Wie steht die ÖVP zur Idee, diesen Sektor durch entsprechende Förderung ausbauen zu lassen, die staatlichen Hilfen für die Privatschulen zu erweitern, daß wirklich die gesamte Nachfrage gedeckt werden könnte?

KATSCHTHALER: Die starke Nachfrage im Bereiche der Privatschulen ist ein deutliches Anzeichen dafür, daß dort gute Arbeit geleistet wird. Die Eltern schätzen es immer mehr, wenn die Schule eingeht auf Fragen des Lebens, der Sinnerfüllung, wenn die Schule dem Schüler ein Orientierungsgeländer gibt. Die Privatschulen erfüllen in einem hohen Maße diese Aufgabe. Die ÖVP ist daher für den Ausbau des Privatschulsektors in Österreich.

FURCHE: Hat die Volkspartei konkrete Vorstellungen für Lehrplanreform?

KATSCHTHALER: Die Frage der Lehrplanreform ist eine zentrale Frage innerhalb der inneren Reform. In den letzten zwanzig Jahren ist schon eine größere Zahl von Lehrplanreformen in allen Schularten durchgeführt worden. Alle diese Reformen haben jedoch die Struktur nicht verändert. Der Wissensexplosion unserer Zeit in der Schule dadurch zu begegnen, daß man immer neue Gegenstände bringt, die Stundenzahl vermehrt und den Lehrstoff in allen Gegenständen noch stärker anschwellen läßt, bringt uns nicht weiter. Es müßte in einer echten Lehrplanreform radikal das Wesentliche vom Unwesentlichen unterschieden werden: es müßte mehr Platz gemacht werden für das Üben und Festigen des jeweiligen Bildungsgutes, und es müßten soviele Freiräume bleiben, daß zusätzliche Stoffe, die für den Schüler von besonderem Interesse sind, auch untergebracht werden könnten.

FURCHE: Im Unterrichtsministerium wurde die sechste Novelle zum Schulorganisationsgesetz ausgearbeitet. Was sagt die ÖVP dazu?

KATSCHTHALER: Der Entwurf für eine sechste SCHOG-Novelle, hegt im Parlament. Es gibt darin Themen, die außer Streit stehen, und andere Fragen, über die noch sehr ernst zu verhandeln sein wird. Außer Streit steht die Verbesserung des Polytechnischen Lehrganges. Die Schulversuche haben sich außerordentlich bewährt. Eine Frage, die zu entscheiden sein wird, ist die der fremdsprachlichen Vorschulung. Hier geht es um das kindgemäße Einführen in eine Fremdsprache. Der Schulversuch läuft in drei Viertel aller dritten und vierten Schulstufen und erfreut sich besonderer Beliebtheit.

FURCHE: Ist der freiwillig?

KATSCHTHALER: Freiwillig. Es gibt nun auch kritische Anmerkungen, daß nicht überall die guten Erfolge feststellbar sind, vor allem dort nicht, wo nicht qualifizierte Lehrhafte zur Verfügung stehen, oder daß sich die Vorteile der fremdsprachigen Vorschulung dann in den weiterführenden Schulen rasch abbauen.Man müßte diese Fragen noch sehr genau prüfen. Man sollte also diese Schulversuche noch für zwei Jahre verlängern, um das sauber abzuklären. Ich selbst stehe einem solchen Angebot in der Volksschule sehr positiv gegenüber, weil es für ein Fremdenverkehrsland wie Österreich wichtig ist, frühzeitig die Kinder in eine fremde Sprache einzuführen.

FURCHE: Wie steht die ÖVP zur Frage der Verlängerung der Schulversuche zur Gesamtschule?

KATSCHTHALER: Wir sind der Auffassung, daß ein Versuch dann keinen Sinn mehr hat, wenn man unabhängig vom Ausgang eines Versuches die politische Linie schon festgelegt hat. Die Sozialisten sagen, wir wollen die Gesamtschule haben. Dann ist es eine Frage der politischen Durchsetzbarkeit, aber nicht mehr eine Frage eines Schulversuchs. Was soll da noch „versucht“ werden, wenn die politische Zielrichtung klar vorgegeben ist? Diese Frage werden wir in den Verhandlungen noch zu stellen haben, und es wird Sache unserer Verhandlungspartner sein, uns zunächsteinmal klar zu machen, welchen Sinn aus ihrer Sicht der Versuch noch haben sollte.,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung