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Bemühungen um eine Konvention über territoriales Asyl

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Bis zum 4. Februar tagt in Genf erstmals eine Konferenz von Regierungsvertretern der UNO-Mitglieds- staaten, die eine internationale Konvention über territoriales Asyl unter Dach und Fach bringen sollen.

Die Prognosen für eine solche Konvention sind denkbar ungünstig, falls man nicht nur in der Konvention verankert wissen will, daß das Asylrecht ein Recht des Staates ist, Flüchtlingen und Vertriebenen Asyl zu gewähren, ohne daß dies als unfreundlicher Akt gegen den Vertreiberstaat angesehen wird, sondern daß bei den Ausschlußklauseln (exclusion clauses) auch festgelegt werden soll, daß Hijacking und Terrorismus, obwohl politische Fluchtmotivationen, als gegen Menschenrechte verstoßend, zur Verwirkung des Anspruchs auf Asylgewährung fuhren. Wie wenig die Hoffnung berechtigt ist, zu einer wohl ausgewogenen Asylrechtskonvention zu gelangen, dürfte bereits darin zum Ausdruck kommen, daß der für den Vorsitz vorgesehene österreichische Regierungsvertreter Botschafter Dr. Erik Nettei mit sehr großer Mehrheit von Vertretern der Ostblockstaaten und von Staaten der Dritten Welt bei der Wahl niedergestimmt wurde. Österreich ist nämlich bekannt dafür, daß es in seiner Rechtsprechung und -praxis die Anerkennung als Konventionsflüchtling solchen Asylwerbern versagt, die in anderen Staaten Gewaltakte verübt haben und wegen politischer Gewaltakte dort verfolgt werden, oder sich vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegen den Bestand neutraler Staaten vergingen und dann nach ihrer Verurteilung als politische Flüchtlinge nach Österreich kamen.

Bei der in Genf derzeit vorliegenden Draft Convention on Territorial Asylum (XIII UN^Chronicle 1976, H. 4) - der Gegenbegriff zum territorialen Asyl ist das diplomatische Asyl, wie es in Lateinamerika von Botschaften gewährt wird und in Europa im Fall Mindszenty eine Ausnahmepraxis darstellte - handelt es sich um eine von langer Hand vorbereitete Konvention, derzufolge jedermann, der aus Gründen seiner politischen Überzeugung, seiner ethnischen oder sprachlichen Zugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gesellschaftsschichten oder wegen seiner Religion verfolgt wird oder begründete Furcht vor solcher Verfolgung durch den Herkunftsstaat hat und deshalb die Flucht in ein anderes Land ergreift, Asyl erhalten kann. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß bisher die Staaten kraft ihrer Souveränität wohl das Recht haben, Asyl zu gewähren (Asylrecht im herkömmlichen Sinn), eine Reihe von Experten von der neuen Konvention jedoch viel mehr fordern, nämlich, daß Verfolgte im Zufluchtsland Anspruch auf Asylgewährung haben sollen. Ein solcher Anspruch besteht heute nicht einmal in der Schweiz, die erst jetzt darangeht, ein modernes Asylgesetz zu schaffen, das einen Asylgewährungsanspruch gibt (allerdings nur, soweit die Schweiz Erst asylland ist). Österreich, 1956 mit der Aufnahme der Ungarnflüchtlinge und auch 1968 rühmlich hervorgetreten, hat zwar ein sehr modernes Asylgesetz, ist aber von Jahr zu Jahr restriktiver bei dessen Auslegung, so daß der Verfolgte heute nur in Ausnahmefällen mit der Anerkennung als Konventionsflüchtling rechnen kann, während noch die 1968er-Flüchtlinge eine solche Anerkennung nahezu automatisch erhielten.

Seit der Asylrechts-Deklaration der Vereinten Nationen haben sich in zahlreichen internationalen Gremien Fachleute zusammengetan, um einen tragfähigen Konventionsentwurf vorzubereiten. Es gab das Bellagio-Colloquium des Carnegie-Endowment for International Peace unter Mitwirkung Österreichs, es gab die* Expertentagung und den Entwurf einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, das I. und II. Nansen-Symposium der Norges Handelshoyskole, Bergen, und des Institut Henri Dunant, Genf, 1971 und 1976, unter der Leitung des norwegischen Asylrechtsfachmannes Atle Grahl-Madsen, es gab die Beschlüsse einer Expertengruppe der AWR in Malta vom Oktober 1976, Arbeiten der Commission de la Population et des Rėfugiės des Europarates. Ja, man kann schon von Art. 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 10. Dezember 1948 ausgehen, in dem es heißt: „Jedermann hat das Recht, in anderen Ländern Asyl vor Verfolgung zu suchen und zu genießen.” Diese Bestimmung ist allerdings nur ein Programm und kein bindendes Recht, wie die ganze Allgemeine Erklärung, die auch von der Sowjetunion nicht abgelehnt wurde, vermutlich deshalb, weil sie nur einen Völkerrechtsgrundsatz aufstellt. Schließlich gewähren die Verfassungen aller kommunistischen Staaten Asylrecht, aber nur solchen Bürgern auswärtiger Staaten, die wegen Verfechtung der „Interessen von Werktätigen”, wegen „wissenschaftlicher Betätigung” oder wegen „nationalen Befreiungskampfes” verfolgt werden. Von einem modernen Asylrecht kann da nicht gesprochen werden.

Das Hauptproblem ist und bleibt aber der Terrorismus einschließlich des Hijacking. Der Terrorismus aus politischen Gründen wird zwar von den meisten westlichen Staaten als Verbrechen gegen die Mensch(lich)- keit und als eine Verletzung der Ziele der Vereinten Nationen angesehen, was nach der Genfer Flüchtlingskonvention die Anerkennung als Konventionsflüchtling ausschließt. Aber alle Versuche, etwa zu einer Europäischen Auslieferungskonvention zu gelangen, sind bisher in den Anfängen steckengeblieben.

Echte Flüchtlinge werden daher weiterhin oftmals bei der Asylgewährung auf Schwierigkeiten stoßen, Terroristen aber als asylberechtigt in manchen Staaten Aufnahme finden und straflos bleiben.

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