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Benito Mussolini und Adolf Hitler

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Die Tatsache, daß die Enkelin des italienischen Diktators und Faschistenführers Benito Mussolini für die kommenden Parlamentswahlen auf der Liste der Neofaschisten kandidieren wird, stimmt nachdenklich und regt zu Vergleichen an. Wäre es vorstellbar, daß ein physischer oder gesinnungsmäßiger Nachfahre Adolf Hitlers in Österreich oder Deutschland als Kandidat auftritt?

Die Frage ist wohl entschieden zu verneinen. Nicht nur aus rechtlichen, sondern vor allem aus moralischen Gründen verfallen in diesen und anderen Ländern alle, die sich als Hitlers Kinder fühlen und gerieren, der politischen und gesellschaftlichen Ächtung.

Nicht so in Italien, wo sich die Neofaschisten in den Reigen der vielen Parteien, die die politische Szene bevölkern, einfügen, ohne ihn zu sprengen. Im übrigen macht auch eine noch so hübsche neofaschistische Schwalbe noch keinen faschistischen Frühling oder Sommer, der Faschismus ist historisch passe und es besteht kein Grund, ihm eine Träne nachzuweinen. Die parlamentarische Demokratie westlicher Prägung, die auch in Italien herrscht, ist einer faschistischen Diktatur bei weitem vorzuziehen.

Allerdings ist der verschiedene Umgang mit der Vergangenheit, der Italien von Deutschland und Österreich unterscheidet, sachlich gerechtfertigt. Der Faschismus war eine zeitgebundene Erscheinung, „ein unvermeidlicher Reflex des russischen Bolschewismus" (Karl Renner), ein System mit vielen negativen, aber auch positiven Zügen, das, wie spätere faschistische Systeme in Spanien, Portugal und Griechenland früher oder später von selbst verschwunden wäre oder sich in eine halbe Autokratie oder eine Demokratie verwandelt hätte. Um Hitler und sein Drittes Reich niederzuringen, bedurfte es der vereinten Anstrengung der ganzen zivilisierten Welt und der Mithilfe der Sowjetunion.

Der Faschismus war nicht im selben Sinne wie das „Tausendjährige Reich" ein Reich des Bösen, Mussolini war kein Antisemit und durchschaute Hitler früher und gründlicher als die westlichen Appeasement-Politiker, ohne sich freilich von ihm trennen zu können. Mussolini war auch kein blutrünstiger Berserker wie Hitler, er hatte die Unberechenbarkeit eines Gewaltmenschen; aber auch die Großzügigkeit eines Renaissancemenschen, die Hitler völlig abging.

Aus all diesen und vielen anderen Gründen muß man dem nach wie vor gängigen Sprachgebrauch, der vom „deutschen Faschismus" und „Hitlerfaschis-. mus" spricht, entgegentreten, er dämonisiert und verharmlost Hitler und sein System, das eine Monstrosität sondergleichen war.

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