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Beratung wird Trumpf

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In wenigen Schlaglichtern sollhier der sich ständig ausweitende künftige Bedarf an privater Vorsorge auch im Vergleich mit dem OECD-Durchschnitt dargestellt werden:

• der Anteil der Ausgaben für die staatliche Altersversorgung hat sich im OECD-Durchschnitt von 4,4 Prozent im Jahre 1960 auf neun Prozent im Jahre 1985 verdoppelt;

• in Österreich liegt dieser Ausgabenanteil bei zirka 14,5 Prozent;

• allein aufgrund der Altersstrukturen wird bis etwa zum Jahr 2040 mit einer weiteren Verdoppelung der Ausgabenanteile für staatliche Pensionsversicherungen gerechnet, wenn die der-

CHRISTIAN SEDLNITZKY zeitigen Systeme nicht reformiert werden (Anteil der über 65jährigen an der Gesamtbevölkerung 1950:8,5 Prozent, 1985:12,5 Prozent, 2010: 15,3 Prozent, 2040: 21,9 Prozent);

• in Österreich werden wegen des früheren Pensionierungsalters bereits im Jahr 2030 1000 Aktive 650 Pensionisten zu erhalten haben;

• der Bundeszuschuß zur gesetzliehen Pensionsversicherung betrug in Österreich 1987 52 Milliarden Schilling, die Beitragshöhe für Dienstgeber und Dienstnehmer zirka 22 Prozent und ist damit um 3,2 Prozent höher als in der Bundesrepublik Deutschland. Die Finanzierungsbereitschaft der Bevölkerung stößt spürbar auf Grenzen, und an eine Ausweitung der Beitragshöhe auf 40 Prozent in den nächsten beiden Dezennien, die bei Einstellung des Bundeszuschusses riötig wäre, ist wohl keinesfalls zu denken.

Die Kumulation der Probleme der ins Schleudern geratenen staatlichen Pensionssicherungs-systeme, der demographischen Entwicklung in den ersten Jahrzehnten des nächsten Jahrtausends und der Finanzierungsmüdigkeit der Bevölkerung für (steuerähnliche) staatliche Systeme pushen daher (fast) zwangsläufig das Nachfragepotential nach anderen Möglichkeiten der Altersversorgung. Der Rückgriff auf die innerfamiliären Systeme früherer Zeiten scheint durch den Trend zur Nicht-Familie ebenfalls versperrt: während 1900 der Anteil der „Singles“ an der Gesamtbevölkerung nur sieben Prozent betrug, war er 1985 schon 33 Prozent; der Anteil der Zwei-Personen-Haushalte betrug damals 30 Prozent.

Bleiben also den Bevölkerungskreisen, die bis kurz vor oder nach dem Jahr 2000 für ihr Alter Vorsorgen müssen, nur zwei Möglichkeiten:

• die betriebliche Altersvorsorge und

• die individuelle Eigenvorsorge Diese beiden Möglichkeiten werden derzeit von den Österreichern zusammen nur zu sieben (!) Prozent genützt, 93 Prozent verlassen sich auf die gesetzliche Pensionsversicherung.

Unsere Schweizer Nachbarn haben den Anteil der nicht staatlichen Unterstützung immerhin schon auf zusammen 28 Prozent erhöht, in den angelsächsischen Ländern und Japan ist das Verhältnis noch ausgeglichener.

Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, daß auch bei uns der Trend in diese Richtung geht; im Rahmen der Steuerreform '88 wurde die Förderung für die Bildung von Sparkapital umfangmäßig ausgeweitet und gleichzeitig verlangt, daß jeweils doppelt so viel gespart wird als steuerlich begünstigt ist. Bei optimaler Aus-

,,Die Pensionskassen führen seit Jahren ein .Dornröschendasein' “ nützung der steuerlichen Förderung ist also mit einer Anhebung der Sparbeiträge der Bevölkerung (in welcher Form auch immer) zu rechnen. Darüber hinaus wird auch die Einführung von „Pensionskassen“, die in Österreich seit Jahrzehnten ein „Dornröschendasein“ fristen, überlegt und ist im neuen Einkommensteuergesetz auch schon vorgesehen.

Der Ausbau der betrieblichen Versorgungsmodelle hat allerdings einen Haken: um für beide Teile attraktiv zu sein, bedarf es sicher erhöhter steuerlicher Anreize. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Budgetkonsolidierungsbemühungen in Österreich und in den meisten OECD-Staaten. Es wird daher noch nicht so bald mit einem wirklich sprunghaften Ansteigen des Versorgungsgrades zu rechnen sein. Somit verbleibt als einzige, individuell steuerbare Möglichkeit die

Eigenvorsorge.

In welche Richtung wird sich nun unter diesen Aspekten die Eigenvorsorge entwickeln?

1. Die klassische Lebensversicherung (siehe S. 19)

Sie wird nach wie vor einen Löwenanteil in der finanziellen Altersversorgung tragen. Höheres Wirtschaftlichkeitsdenken des einzelnen und bessere Vergleichsmöglichkeiten einzelner Anlageformen untereinander werden allerdings voraussichtlich dazu führen, daß die jungen und die gesunden Mitglieder eines „Versicherungskollektivs“ immer weniger Bereitschaft zeigen werden, im Rahmen des Risikoausgleichs höherer Prämienteile für die älteren und nicht gesunden mitzutragen. Es könnte also zur Bildung neuer Kollektive in diesen Bereichen kommen.

Auch die Distribution könnte sich ändern. Während derzeit in Österreich noch im wesentlichen Versicherungs- und Bankberater Lebensversicherungen anbieten, werden dies vermutlich künftig auch Warenhäuser, Versandhäuser, Kreditkartenorganisationen, vielleicht auch einmal die Privatklinik, das Kurhotel oder der Sportverein tun. Diese Entwicklung ist kein Nachteil: schließlich sind alle diese Anbieter im allgemeinen näher am Kunden als der Versicherer selbst und können somit kundenorientiertere, individuellere Lösungen erarbeiten.

2. Lebensplanberatung

Hier handelt es sich um die Auswahl beziehungsweise Kombination von Sparformen, unter anderem auch der Lebensversicherung, abgestimmt und „getimed“ auf die individuellen Kundenerfordernisse.

Der Kunde sagt dem Berater beispielsweise, wann er seinen Kindern eine Heiratsausstattung oder eine Starthilfe fürs Berufsleben geben will, sich das nächste Auto, die nächste Wohnung kaufen will, in Pension gehen will und so weiter. Der Berater macht dann die entsprechenden Finanzierungsvorschläge. In den USA agieren übrigens neben Versicherungsagenten auch Anwälte, Banker, Broker, Notare und Wirtschaftsprüfer als Berater. Das Interesse an einem All-Finanzkonzept, also alle Finanzdienstleistungen aus einer Hand zu haben, wird jedenfalls auch bei uns immer größer.

Der Autor ist Generaldirektor der Raiffei-sen-Versicherungs AG.

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