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Digital In Arbeit

Berauscht vom Risiko

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Das Managementinstitut der Industrie bietet Führungskräften einen neuen Übungskurs zur Überwindung der Angst vor unbekannten Herausforderungen. Die FURCHE war dabei und berichtet.

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Das Managementinstitut der Industrie bietet Führungskräften einen neuen Übungskurs zur Überwindung der Angst vor unbekannten Herausforderungen. Die FURCHE war dabei und berichtet.

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„Niemals hätte ich gedacht, daß ich fähig bin, so etwas zu tun!“ Wilhelm Zawada, Verkaufsleiter bei der österreichischen Brau AG, wundert sich noch immer über sich selbst und kann es kaum fassen.

Zwei Wochen ist es her, daß er zusammen mit sechs anderen Managern alle Bedenken über Bord warf und sich kopfüber, am Seil hängend, eine schroffe Steilwand hinunterkämpfte. Noch dazu ohne bodenlose Angst, sondern wohlüberlegt und voll konzentriert.

Ähnlich wie er reagieren heute die anderen Mitstreiter an einem sehr ungewöhnlichen Pilotprojekt, zu dem das Managementinstitut der Industrie (MDI) und das Wirtschaftsforum für Führungskräfte Manager und die FURCHE eingeladen hatten.

„The Chällenge Program“ - die Herausforderung, nennt sich dieses neue Seminar für Manager, das im Mai und September nächsten Jahres fixer Bestandteil des Programmangebotes des MDI ist.

Die Ziele von „Chällenge“ sind nicht ungewöhnlich. Managerqualitäten wie Mut zu Risikobereitschaft, Freilegung von bisher ungenützten Fähigkeiten, Uberschreiten persönlicher Grenzen, Teamwork und Durchhaltevermögen — all das bekommen Führungskräfte heute in diversen Trainings-Seminaren oder Uberlebenscamps bereits vermittelt.

Aber „Chällenge“ ist kein Uberlebenstraining im herkömmlichen Sinn. Robert Stucki, der 33jährige Seminarleiter, will etwas anderes:

Der Elektroingenieur einer kleinen Firma und langjährige Bergführer (unter anderem auch als Expeditionsleiter in der Arktis, Südamerika und der Sowjetunion) ist sicher:' Menschen sind geprägt von Erfahrungen und handeln nach inneren Signalen. Sie verhalten sich am Seil und am Berg ähnlich wir vor einem „wirklichen“ Problemberg im Leben, angefangen vom täglichen Aktenberg bis zu schwierigen privaten Entscheidungen, die getroffen werden müß(t)en. Nur sei bei den meisten Menschen das Intuitive, „das Handeln aus dem Bauch heraus“ (Stucki), in unserer rationaltechnisierten Welt verlorengegangen oder schlicht unerwünscht.

Aber, wer kennt es denn nicht auch? Dieses Gefühl — nein, jetzt geht nichts mehr! Berufliche oder private Schwierigkeiten türmen sich, wachsen zu einem schier unüberwindlichen Berg. Meist setzen dann bewährte Mechanismen ein, um die Angst oder Unsicherheit vor Neuem, Unbekanntem erfolgreich zu verdrängen. Bestenfalls fühlt man sich als Opfer „höherer Umstände“. Schlimmstenfalls folgt der Griff zur Flasche oder zu Psychopillen.

Besonders Führungskräfte stehen unter großem Erwartungsdruck. Sie können ohne Autori-I tätsverlust kaum eingestehen, daß sie Unsicherheit verspüren, daß sie Angst haben. Genau hier setzt das „Chällenge Program“ ein. Angst oder Unsicherheit soll nicht lähmend, sondern als Antriebskraft für einen möglichen Sprung ins kalte Wasser wirken. „Wichtig ist aber das praktischphysische Erleben, nicht nur das Wissen darüber“, ist Stuckis Devise.

Entsprechend groß war auch die Neugier der Teilnehmer, die sich in den steilen, schroffen Felsen rund um die Ruine Dürnstein in diesen drei Tagen der „Herausforderung“ stellen wollten.

Das Motto des ersten Tages war es, Vertrauen zu schaffen, zu sich, den anderen Gruppenmitgliedern, zu einer fremden Umgebung.

Der zweite Tag begann frühmorgens mit einem Parcours, gespickt mit raffinierten Hindernissen.

Dieses Seminar lebt natürlich von den Uberraschungseffekten, und daher sei hier auch nur soviel verraten: Diese Aufgaben stellen höchste Anforderungen an die einzelnen Mitglieder des Teams hinsichtlich Konzentrationsfähigkeit, Kreativität, Teamgeist oder praktisches Denken. Dazu kommen Extra-Belastungen für die ganze Gruppe wie Streß, Zeitdruck oder der Kampf mit der Müdigkeit. Situationen wurden aber gemeistert, von denen man auf den ersten Blick sagen mußte: „Unmöglich, können wir nicht bewältigen.“

Der gesamte Tag war dem gezielten behutsamen Hinführen jedes Teilnehmers an seine persönliche Grenze gewidmet, „wo normalerweise nur Kapitulation die einzige Alternative wäre“ (Friedrich Manau-schek, Abteilungsleiter in der Ersten österreichischen Spar-Casse). Aber durch das tags zuvor langsam aufgebaute Klima gegenseitigen Vertrauens kam jene Wunderwaffe zum Tragen, von der Unternehmensforscher schon heute sagen, sie wird für das betriebliche Uberleben in Zukunft von eminenter Bedeutung sein: die Motivation.

„Hier habe ich zum ersten Mal bewußt erlebt, daß manche Menschen betont sicherheits- und vertrauensbedürftig sind. Und daß man ihnen dieses Gefühl auch geben muß, sonst funktioniert Teamarbeit auch im Beruf nicht“, ist Richard Sterl, Steuerberater bei der Süd-Ost-Treuhand AG, heute um eine wichtige Erfahrung reicher.

Gelassen und locker bewältigen die „Challenge“-Pioniere auch die extremen Situationen und Übungen des dritten Tages.

Auch zwei Wochen nach „Chällenge“ sind sich alle einig: Sie haben einen wichtigen Lernprozeß durchgemacht und besser erkannt, daß der gezielte Umgang mit der Angst und dem Risiko zum Leben und zur Arbeit gehört.

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