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Bergpredigt

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In Buchhandlungen wird immer öfter nach der .Bergpredigt" verlangt - von Menschen, die offensichtlich nicht wissen, daß die Bergpredigt Bestandteil des Matthäusevangeliums ist. Die Bergpredigt ist „in". In der weltweiten Friedensdiskussion spielt sie eine erstrangige Rolle. Menschen, die außerhalb oder am Rand der Kirche stehen, sind fasziniert von diesem radikalsten Teil der Verkündigung Jesu.

Viele „gute Christen" sind darüber recht besorgt. Das Wort von der „Vereinnahmung" ist rasch bei der Hand. Aber zunächst einmal sollte man staunen und sich freuen: Wer hätte es in den Zeiten Napoleons oder Bismarcks, Hitlers oder Stalins gewagt, die Bergpredigt in die politische Diskussion einzubringen?

Für die Christen wäre es aber verfrüht, Alleluja zu rufen. In der neuen Bergpredigt-Begeisterung findet sich Spreu und Weizen. Nur sollte man sich davor hüten, die Neuentdecker der Bergpredigt vorschnell abzuqualifizieren und nach absoluter Ubereinstimmung von Theorie und Praxis zu fragen. Denn mit dieser Ubereinstimmung tun sich schließlich auch langgeübte Christen schwer.

offene Rebellion. Lieber hielt man sich an die Türken als sich der Wiener Gegenreformation ausgeliefert zu sehen.

Für diese Gegenreformation seien als Beispiel die Preßburger Prozesse genannt, wo zudem noch deutlich wird, daß man von Wien aus den Druck besonders gegen den sozial schwächeren, weil weniger adelig- ständisch verankerten Protestantismus in der Slowakei richtete. 1672 begannen die großen Preßburger Prozesse gegen die Protestanten, in denen zuerst die protestantischen Bürger von Preßburg, dann alle evangelischen Lehrer und Hilfsprediger der drei Komitate von der Waag bis nach Kaschau, schließlich die Masse der protestantischen Geistlichkeit vor das Statthaltergericht in Preßburg geladen und abgeurteilt wurden — zum letztgenannten Verfahren erschienen an die 300 Geistliche.

Bei diesen Prozessen wurde jeweils in gleicher Weise vorgegangen. Aufgrund der spärlichsten und unsichersten Indizien wurden die Angeklagten als Aufwiegler und Verräter oder Majestätsbeleidiger zum Tode und Verlust ihrer Güter verurteilt und unmittelbar darauf begnadigt, falls sie einen Revers unterschrieben, daß sie der Ausübung ihrer Amter entsagten. In diesem Falle blieb meist nur noch eine Geldbuße zu entrichten, ein eigentlicher Glaubenszwang wurde nicht ausgeübt. Wer die Unterschrift verweigerte, wurde statt der Todesstrafe des Landes verwiesen.

•Die Habe der Verbannten verfiel den Jesuiten, zwölf Bücher durfte er in das Exil mitnehmen.

Im dritten Preßburger Prozeß war auch diese Menschlichkeit schon vergessen: 41 Verurteilte, die nicht unterschrieben, schickte Bischof KoUonitsch als Urteilsvollstrecker nach Neapel auf die Galeeren — nur 30 kamen dort an; ein weiterer Transport kam auf die kaiserlichen Galeeren nach Buccari.

Die Pfarrer und Lehrer der dreizehn Städte der Zips, die Osterreich als ein Pfand der Krone Polen besaß, wurden 1674 von Bischof Barsony enteignet und nach Polen vertrieben. Gleichzeitig wurden auch hier den Evangelischen Schulen und Kirchen weggenommen, so daß ihr Bekenntnis aus der Öffentlichkeit verbannt war. Im Jahre 1674 registrierten die Jesuiten den Höhepunkt der Bekehrungen in Ungarn: 15.200 Seelen. So sah der konfessionspolitische Hintergrund des ungarischen Aufstandes (und damit auch des türkischen Angriffes) aus.

Die Abwehr der Türken wurde auch als eine Sache betrachtet, die Europa und die Christenheit anging. Papst Innozenz XI. (1676-1689) unterstützte den Kaiser mit Subventionen und diplomatischer Hilfestellung. Verschiedene Souveräne nahmen als Heerführer am Kriege teil: König Johann Sobieski von Polen, Kurfürst Max Emanuel von Bayern, Herzog Karl V. von Lothringen, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden („Türkenlouis").

Eine Entsatzarmee des Kaisers und seither Verbündeten schlug unter dem Oberbefehl des polnischen Königs die türkischen Belagerer bei Wien (12.9.1683) so vollständig, daß sie überstürzt das Feld räumten. Die Verheerungen waren furchtbar. War es schon zuvor in den Zeiten relativen Friedens allgemein nicht zu einer kulturellen Begegnung zwischen Osmanen und ihren christlichen Nachbarn gekommen, so prägten die Greuel des Krieges mit Brand, Mord und Verschleppung in die Sklaverei jetzt neuerdings das Feindbild des unmenschlichen Türken. Noch viele Jahre hindurch bemühte man sich um den Rückkauf überlebender Sklaven, 1692 wird in Adrianopel die Wirtin von Heiligenkreuz um 30 Taler freigekauft.

Im christlichen Heer mischte sich eine Mehrzahl von Katholiken mit erheblichen protestantischen Kontingenten unter den aus dem Reich gekommenen Hilfsvölkern. Dies galt auch für die Armeen der folgenden Offensivkämpfe. So konnte dann der irenische und für die christliche Versöhnung eintretende evangelische Historiker Seckendorf 1692 schreiben: „Laßt uns nacheifern dem Feldlager Kaiser Leopolds, durch dessen Mannschaft neuerlich Buda erobert wurde. Dort gab es keinerlei Streit zwischen den Anhängern verschiedenen Glaubens. Gemeinsam strengten sich alle an, den gemeinsamen Feind anzugreifen. Warum sollte solche Einigkeit, wie sie dort die Not des Krieges zeitigte, bei uns nicht die christliche Liebe zuwege bringen?"

Der Autor ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien und einer der Hauptreferenten bei der Klagenfurter Tagung. Der hier abgedruckte Beitrag ist Teil seines Referates bei der Katholisch-Evangelischen Fachtagung vom 26./27. November in Wien.

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