7058579-1991_26_40.jpg
Digital In Arbeit

Berlin - Wiedergeburt piefkinesischen Kommandotons?

Werbung
Werbung
Werbung

Wieder einmal ist in Deutschland eine historische Entscheidung so gefallen, daß man nicht auf uns Bayern gehört hat. Über vierzig Jahre lang haben wir uns so schön auf Bonn eingeschimpft und jetzt wird doch Berlin wieder Hauptstadt!

Nicht etwa, daß wir Bayern etwas gegen die Berliner hätten. Solange Berlin bedrängte Frontstadt und abgeschlossene Insel war, haben wir uns an Solidarität von niemandem übertreffen lassen. Die Berliner gehörten zu den beliebtesten Urlaubern in Bayern, weil sie in dieser geschichtlichen Phase bescheiden und dankbar aufgetreten sind.

Wovor wir jetzt größte Sorgen haben, ist die schnelle Rückentwicklung der gemütlichen kleinbürgerlichen Berliner Provinzler zu arroganten Hauptstädtern. Bei den Berliner Politikern haben wir es -quer durch die Parteien - schon erlebt. Sie haben nicht für Berlin als Regierungssitz geworben, sondern in anmaßendster Tonart Ansprüche gestellt.

Bei uns in Bayern war die Mehrheit der CSU- und SPD-Politiker dafür, daß Bundestag und Bundesregierung in Bonn bleiben sollen. Aber nicht, weil sie was gegen Berlin haben, sondern aus vielerlei Gründen: vom Bekenntnis zum neuen Charakter der „Bonner" Bundesrepublik Deutschland über die Umzugs- und Neubaukosten bis zu der Sorge um die hinterlassenen Neuwert-Ruinen in Bonn. Schließlich hat man ja nicht nur Berlin 40 Jahre lang versprochen, daß es Hauptstadt bleibt, sondern auch das kleine beschauliche Bonn 40 Jahre lang bis zur Unkenntlichkeit zum Regierungssitz verbaut.

Viele in Bayern waren immer der Meinung, daß das wiedervereinigte Berlin mit rund vier Millionen Einwohnern erst einmal wieder zu einer funktionsfähigen Kommune werden muß - von der Verwaltung über die Verkehrsprobleme bis zur Behebung der Wohnungsnot. Bei diesen gewaltigen Problemen schien es uns wenig hilfreich, auch noch ganze Divisionen von Beamtenheeren samt Angehörigen, Diplomaten und Lobbyisten als Preistreiber nach Berlin zu schicken. Eine so große Stadt übt doch eine starke Anziehungskraft aus, und nimmt den Charakter einer Metropole an, allein weil es von Lage und Größe her für Wirtschaft und Kultur einen automatischen Sog dorthin geben wird. Dafür hätte man doch die Regierungs-Funktion nicht gebraucht.

Was wir jetzt fürchten und wogegen wir Bayern uns wehren werden, ist die Rückkehr vom Bonner Föderalismus zum Berliner Zentralismus und die Wiedergeburt des schnarrenden piefkinesischen Kommandotons, mit dem wir „Provinzler" belehrt und zum Zahlen angehalten werden. Doch die hemmungslose Großmannssucht, mit der sie Jetzt jede Lebensqualität in der Konkurrenzstadt Berlin ausrotten werden, läßt uns hoffen, daß der „Weltstadt"-Druck auf München etwas nachläßt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung