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Bernstein, Moffo

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Im Großen Musikvereinssaal dirigierte Leonard Bernstein zugunsten des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen ein Festkonzert der Wiener Philharmoniker. Als einziges Werk stand Gustav Mahlers Symphonie Nr. 9 in D-Dur auf dem Programm. Die Zahl neun hat es, wie man weiß, in der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts in sich. Mahler wollte der Fatalität ausweichen, schrieb vor dieser Symphonie das „Lied von der Erde“ und begann die Zehnte. Aber auch die Partitur seiner 9. Symphonie ist nicht ganz fertig geworden. Das bemerkt man an vielen Stellen der beiden langsamen Ecksätze, die nicht zuletzt dank ihres ergreifend-fragmentarischen Charakters zum Größten gehören, das Mahler komponiert hat. Eineinhalb Stunden dauert das Riesenwerk, fast eine halbe Stunde der 1. Satz „Andante commodo“, in dem, wie im Adagio-Finale, der Sekundschritt abwärts, der ein „Leitmotiv“ des „Liedes von der Erde“ ist, eine wichtige Rolle spielt. Und eben diese Ecksätze mit der Stimmung des Abschieds, des Verzichts und der Todeserwartung gelangen Bernstein besonders eindringlich. Von dirigentischen Effekten kann hier wirklich nicht gesprochen werden. Man hat vielmehr das Gefühl, daß sich Bernstein, wie er es neulich auch gesagt hat, mit Mahler, der ja auch Dirigent war, identifiziert. Die beispiellosen Erfolge, welche die Wiener Philharmoniker mit diesem Werk unter Bernstein im Ausland hatten, sind gut zu verstehen: Die Wiedergabe war von kaum zu überbietender Vollkommenheit. Das bezieht sich sowohl auf die technische Präzision, die Klangschönheit und den intensiven, nie nachlassenden Ausdruck. Es war ein echtes Festkonzert, das zu einem besonders guten Zweck veranstaltet wurde.

H.F.

Anna Moffo, im Ruf einer bedeutenden Opernsängerin stehend, als filmische Sexsensation und gefragter TV-Star bekannt, nebenbei doppelter Doktor, sang im Großen Konzerthaussaal einen mit Spannung erwarteten, aber mehr enttäuschenden als erfreulichen Arien- und Lieder abend. Die ihrer faszinierenden Erscheinung bewußte Künstlerin läßt in ihrem Gesang ein nicht leicht überbrückbares Schwanken zwischen lyrischem und Koloraturfach erkennen, kommt aber in keiner der beiden Disziplinen an prominent-erstklassige Leistungen heran. Der etwas dunkel gefärbte Sopran verrät einen leicht gaumigen Beiklang, peilt die Töne von unten an und läßt den Glanz in der Mitteilage, in den zu schwer genommenen Fiorituren und Rouladen aber die Eleganz und schwebende Leichtigkeit vermissen. Wenn ihr auch Lebendigkeit des Vortrages nicht abzusprechen ist, sc erweckt ihr Singen in den hauptsächlich auf Bravour zu geschnittenen Arien Donizettis oder Bellinis nicht jene Ausstrahlungskraft, die von einer wirklichen Diva ausgeht Größere emotionelle Wirkung erreicht Frau Moffo in ruhigen, in verhaltenem Piano produzierten Stük- ken, so in Verdis „Perduto ho la pace“ oder in „Dolce imagine“ Bellinis.

Mehr auf Vortragskunst war dei zweite Programmteil in Gesängen von de Falla, Debussy und dem Lied der Marietta aus Korngolds „Toter Stadt" ausgerichtet. Allen gesanglichen und musikalischen „Extras“ der Sängerin folgte der Begleiter, Bruno Canino, mit minutiöser Einfühlung. P- L

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