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Berufswahl kanalisieren ?
Eine realistischere Einschätzung der Berufswelt müßte in der Schul- und Bildungspolitik Platz greifen, um die hohen Zahlen arbeitsloser Jugendlicher zu senken.
Eine realistischere Einschätzung der Berufswelt müßte in der Schul- und Bildungspolitik Platz greifen, um die hohen Zahlen arbeitsloser Jugendlicher zu senken.
Auf gut 40.000 schätzt der „Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung“ (ibf) die Zahl der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die keine Arbeit haben. Anfang der neunziger Jahre könnten es doppelt so viele sein.
Eine Studie der „Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft“ (SWA) steht diesen Angaben skeptisch gegenüber, weil die
Statistiken gerade in diesem Bereich hohe Dunkelziffern aufweisen. Zu viele Jugendliche ohne Arbeit werden nicht erfaßt, weil sie noch nie im Arbeitsprozeß aufgeschienen sind.
Wie hoch die Zahlen auch tatsächlich sein mögen - was kann gegen dieses Problem getan werden? Die vom ibf befragten Bildungspolitiker und -funktionäre sehen übereinstimmend den Ansatzpunkt in der Schul- und Bü-dungspolitik, wie etwa Arbeiterkammerpräsident Adolf Czettel, aber auch Industriellenvereini-gungs-Generalsekretär Herbert Krejci, der eine wirtschaftsfreundlichere Ausbüdung fordert und meint, vom Bildungssystem werde es abhängen, ob Österreich in Zukunft wettbewerbsfähig sein werde.
Aber was wäre „wirtschaftsfreundlicher“?
Auf der einen Seite meldet fast die Hälfte der in einer Untersuchung des Sozialministeriums befragten Unternehmungen Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen mit Facharbeitern. Der — offene — Fachkräftebedarf der Wirtschaft wird auf 70.000 bis 80.000 Köpfe geschätzt.
Auf der anderen Seite sind vier von zehn arbeitslosen Jugendlichen ausgelernte Lehrlinge, also Facharbeiter. Aber offenbar in den falschen Berufen. Hat hier die vorausgehende Information versagt?
Die Hälfte der männlichen Lehrlinge strebt in nur zehn von 224 mögliche Lehrberufe, wobei Koch, Kellner, KFZ-Mechaniker und Verkäufer die Liste anführen. Bei den Mädchen konzentrieren sich die Berufsvorstellungen von fast zwei Drittel von ihnen auf Friseurin, Verkäuferin oder Sekretärin.
Bei den Universitätsabsolven-ten, die nach Studienabschluß keinen Posten finden, stellen Mediziner, Juristen, Lehramtsabsolventen, Volkswirtschafter und Soziologen sowie Philosophen und Psychologen weit mehr als die Hälfte der weiblichen, fast zwei Drittel der männlichen Postensuchenden.
Die Primitivgleichung „Mehr Bildung“ bedeutet „garantierter Arbeitsplatz“ geht nicht so einfach auf, zitiert ibf Johann Steinringer vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft. „Da müssen noch ganz andere Faktoren stimmen, wie bedarfsgerechte Qualifikation, Mobilität oder richtige Einschätzung der Arbeits- und Berufswelt.“
Ob die Neueinführung der Hauswirtschaft für Buben, des geometrischen Zeichnens für Mädchen an den Hauptschulen weiterhilft und nicht nur ideologische Vorstellungen befriedigt, ist wohl Ansichtssache. Eher könnte man der Einsicht zustimmen, daß Gymnasiasten mehr als bisher Schlüsselfähigkeiten wie selbständiges Handeln, Konfliktlösung, Hilfe zur Selbsthilfe erlernen sollten.
Das kann aber durchaus mit dem heute so negativ besetzten „lexikalischen Wissen“ verbunden werden. Dieses müßte sicherlich in manchem Bereich entstaubt werden.
Wenn auch die praktischen Folgerungen noch auseinandergehen
- in einem Punkt scheinen sich Bildungspolitiker aller Richtungen einig: Die richtige „Kanalisie-rung“ der Studien- und Berufswahl müßte möglichst früh einsetzen. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen sollten möglichst früh erfahren, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen. Sie sollten möglichst früh ihre Interessen erkennen, ihre Fähigkeiten testen.
Die (immer noch angepeilte) Einheitsschule bis zum 14. Lebensjahr dürfte dieser Forderung wohl kaum entgegenkommen.
Die (anonyme) SWA-Studie schließt mit einem Katalog von 33 Anregungen, von denen nach Ansicht des Autors selbst manche „einer utopischen Sicht“ nahekommen. Anderes scheint durchaus richtig, etwa wenn er fordert, dem Lehrer wieder die Sicherheit zurückzugeben, daß freies, eigenverantwortliches Handeln in der
Schule positiv gewertet wird. Die Schulnoten seien beizubehalten — um dem Lehrer ein System zur Leistungsbeurteilung und zu einem besseren Kontakt zu den Eltern zu geben.
Die Betriebe sollten Karrierefahrpläne erstellen; im Betrieb sollte die Aus- und Weiterbüdung der Mitarbeiter nicht erst beim Seminar anfangen. Vor allem aber dürften Begriffe wie Begabtenförderung, Spezialistenausbildung, Bildungselite nicht weiter verteufelt werden.
JUGENDARBEITSLOSIGKEIT: DIE BILDUNGSTHERAPIE. Von Karin Folkmann. In: ibf-Spektrum 533, 15. November 1987. S.lff.
ARBEIT UND BILDUNG. Studienarbeit der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft (Johannesgasse 4/1, 1010 Wien), November 1987.
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