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Beschäftigungstherapie oder notwendige Reorganisation?

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Während Österreichs Universitäten mit dem ständig steigenden Studentenstrom und mit der Durchführung des Universitätsorga- nisations-Gesetz mehr als genug zu tun haben, werden sie nun seit fast eihem Jahr mit einem neuen Fragenkomplex konfrontiert, der Reform der Forschungsorganisation. ÖVP-Wissenschaftssprecher Dr. Erhard Bu- sek nennt diese Diskussion eine „Beschäftigungstherapie, um von den echten Problemen abzulenken”, Wissenschaftsminister Doktor Herta Firnberg weist dies vehement zurück und spricht von der Notwendigkeit einer Reorganisation. Letzter Höhepunkt der Diskussion war die am vergangenen Freitag vom Wissenschaftsministerium abgehaltene Enquete über „Lage und Probleme der Forschungsorganisation in Österreich.”

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Während Österreichs Universitäten mit dem ständig steigenden Studentenstrom und mit der Durchführung des Universitätsorga- nisations-Gesetz mehr als genug zu tun haben, werden sie nun seit fast eihem Jahr mit einem neuen Fragenkomplex konfrontiert, der Reform der Forschungsorganisation. ÖVP-Wissenschaftssprecher Dr. Erhard Bu- sek nennt diese Diskussion eine „Beschäftigungstherapie, um von den echten Problemen abzulenken”, Wissenschaftsminister Doktor Herta Firnberg weist dies vehement zurück und spricht von der Notwendigkeit einer Reorganisation. Letzter Höhepunkt der Diskussion war die am vergangenen Freitag vom Wissenschaftsministerium abgehaltene Enquete über „Lage und Probleme der Forschungsorganisation in Österreich.”

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„Die Erfahrungen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in den letzten Jahren im Bereich der Forschungskoordination, aber auch die Erfahrungen und Probleme, die von Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen herangebracht wurden, legen eine Reorganisation der rechtlichen Grundlagen von Forschung und

Entwicklung in Österreich nahe.” Dies schrieb Wissenschaftsminister Herta Fimberg im Juni vergangenen Jahres in der „österreichischen Hochschulzeitung” nach dem erfolgten Start einer großangelegten Fragebogenaktion ihres Ministeriums. In 27 Punkten ersuchte der Fragebogen 113 For- schungs- und Forschungsförderungseinrichtungen, Sozialpartner und Mitglieder des Wissenschaftsforums um Stellungnahmen. Aus den mehr als 120 „sehr emstzunehmenden Antworten”,

so Fimberg, erstellte das 31 Personen umfassende Redaktionskomitee eine fast 700 Seiten starke Synopsis.

Am 4. Februar war es nun soweit: Das Wissenschaftsministerium lud zu einer Enquete, um über die Lage und über die Probleme der Forschungsorganisation zu diskutieren. Mehr als 100 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Forschung (auch die Politik war vertreten) folgten der Einladung, 45 meldeten sich zu Wort. Von den Massenmedien so gut wie unbeachtet diskutierte man fünf Stunden unter der Leitung der Wissenschaftsministerin über Grundsätzliches und Nebensächliches zur Forschungsorganisation.

Firnberg skizzierte ihre Vorstellungen einer „Forschungsorganisation im Interesse aller”. Dazu gehören, so Firnberg, Kontrolle und Transparenz auch der öffentlichen Mittel für Forschung und Forschungsförderung, die die Universitäten und, die beiden Fonds erhalten. Fimberg wörtlich: „Kontrolle und Transparenz ist ein ungeteilter und unteilbarer Begriff für den gesamten Forschungsbereich.”

Mehr finanzielle Transparenz

Der Ruf nach „mehr Geld” werde gewiß nicht nur mit dem Wunsche „nach mehr Freiraum” und weniger Kontrolle gegenüber der Gesellschaft zu begründen sein, meinte Fimberg weiter. Vermehrte Ausrichtung der Forschungstätigkeit auf gesellschaftliche Probleme und dringliche For-^ schungsbedürfnisse nannte Firnberg als weiteres Ziel der Forschungsorganisation, und zitierte dazu abschließend den Präsidenten des Schweizer Wissenschaftsrates: „Forscher benötigen Mittel und liefern neue Erkenntnisse, ohne die ein Fortschritt nicht denkbar wäre. Die Allgemeinheit bringt die erforderlichen Mittel auf, erwartet aber - heute mehr denn je - Information in verständlicher Form und praktisch verwendbare Resultate als Gegenleistung.”

Für die Sicherung und den Ausbau der Hochschulforschung sprach sich Rektor Franz Seitelberger, der Vorsitzende der österreichischen Rektorenkonferenz, aus. Ein geeignetes Instrument dafür sei die sogenannte „Grundausstattung”, die Mittel, Einrichtungen, Personal und Zeit für Forschungsarbeiten umfaßt. Seitelberger plädierte für die Belassung der Hochschulforschung als autonomes, der wissenschaftlichen Selbstkontrolle unterworfenes Teilsystem der Forschung. Sie garantiere im eigenen Wirkungsbereich die Erhaltung von Qualität, Flexibilität, Effektivität und Relevanz.

Für letzte Entscheidungen über Forschungsfragen forderte Prof. Seitelberger ein unabhängiges Gremium von Wissenschaftlern, einen Wissenschafts rat.

Die einzelnen Wortmeldungen zu charakterisieren fällt schwer, waren diese doch in Inhalt und Ausführung zu unterschiedlich. Einige Gedanken seien jedoch im Telegrammstil festgehalten:

• Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen als Bindeglied zwischen universitärer und wirtschaftsbezogener Forschung (Doz. Eberl, Boltzmann-Institut für Rheumatologie);

• Neben einem Forschungsorganisationsgesetz sollte auch an ein eigenes Bibliotheksgesetz gedacht werden (Generaldirektor Fiedler, Nationalbibliothek);

• Der Wissenschaftsjournalismus liegt im argen (Prof. Grümm, Studiengesellschaft für Atomenergie);

Schon wieder ein Hochschul-Gesetz…?

• Sind die Hochschulen überhaupt in der Lage, ein neuerliches Gesetz zu verkraften? Es ist kein neues Forschungs-Gesetz notwendig (Prof. Grün, Wirtschaftsuniversität Wien);

• Die beiden Fonds haben ihre wichtige Aufgabe erfüllt (Präsident Hunger, österr. Akademie der Wissenschaften);

• Die derzeitige Forschungsorganisation ist gut und brauchbar; ein „Tag der Forschung” einmal jährlich wäre zu überlegen (Prof. Kellermeier, Chemie Linz);

• Verstärkung und Ausbau der inter nationalen Kooperation, insbesondere der Partnerschaften zwischen in- und ausländischen Hochschulen

(Dr. Kneucker, österr. Rektorenkonferenz);

• öffentliche Begutachtung (z. B. Hearings) einführen (Prof. Ogris, Vereinigung sozialistischer Hochschullehrer);

• Die Universitäten scheuen keine Kontrolle (Prof. Troger, österr. Rektorenkonferenz);

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