7051031-1990_51_24.jpg
Digital In Arbeit

Bescherung

Werbung
Werbung
Werbung

Das österreichische Volk hat es gut, weil es schon eine Woche vor Weihnachten seine Bescherung hatte: eine nagelneue Koalitionsregierung. Wir sind da viel schlechter dran: CDU, CSU und FDP sind mit dem Feilschen über das Regierungsprogramm noch so weit im Verzug, daß es zum ernsteren Teil, dem Posten-Poker, noch gar nicht richtig kommen konnte.

Jetzt bekommt Ihr in Österreich Eure Weihnachts- und Neujahrsansprache von einem neugewählten und frischvereidigten Bundeskanzler vorgetragen. Wir Deutschen dagegen müssen an den Feiertagen noch mit dem gebrauchten Kohl von der letzten Legislaturperiode vorliebnehmen, der noch gar nicht weiß, ob er im Bundestag eine Mehrheit bekommt.

Doch kaum ist der Weihnachtsfriede vorbei, wird auch bei uns der Postenschacher richtig losgehen. Bisher findet er fast ausschließlich bei den Freien Demokraten statt. Die FDP ist bei der Bundestagswahl auf elf Prozent gekommen, wobei etwa zehn Prozent auf Genscher gehen. Doch jetzt hat die Partei ein Auftreten, als stünde sie nur knapp vor der absoluten Mehrheit. Der stärkste Mann bei der FDP ist ein gewisser Möllemann, den Franz Josef Strauß immer den „Riesenstaatsmann Mümmelmann " nannte. Dieser nordrhein-west-fälische FDP-Chef hat nur den „Mümmelmann" für einen bayerischen Versprecher gehalten, aber an den „Riesenstaatsmann" immer fest geglaubt.

Zuletzt war Jürgen Möllemann Bundes-Bildungsmini-ster, was ein Spitzen-Job sein muß, weil die Kulturpolitik ohnehin Ländersache ist. Sein Kollege, der bayerische FDP-Landesvorsitzende Josef Grünbeck, ein mäßiger Politiker, aber erfolgreicher Unternehmer, hat ihm dringend vom Wirtschaftsministerium abgeraten, weil man da „Sachverstand" brauche.

Aber Möllemann hat sich halt gesagt: „Über das, was man versteht, kann jeder reden." Und wenn er schon auf zwei andere Ministerien verzichtet, will er nicht nur Wirtschaftsminister, sondern spätestens 1993 auch Lambsdorffs Nachfolger als FDP-Bundesvorsitzender werden. Wahrscheinlich auch noch Graf. Das Gerangel um die Ministerposten hat bei der CDU und CSU bisher nur hinter den Kulissen eingesetzt. Da die CSU nicht mehr sechs, sonde'rn nur noch vier Minister bekommen wird, dürfte es sich schnell ausgerangelt haben.

Für unsere kleineren Koalitionsparteien dürfte nun die ÖVP das große Vorbild für die Kabinettsbildung werden. Denn FDP und CSU werden dem CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl natürlich auch dieses unschlagbar logische Argument präsentieren: „Wenn ihr schon so viele Mandate mehr habt, möchten wir wenigstens mehr " Unister!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung