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„Besonders liebenswürdig formuliert“

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Wie schwierig es ist, Außenpolitik mit Erfolg zu betreiben, hat der Besuch des Bundespräsidenten in Paris gezeigt. Es war — wie die meisten österreichischen Tageszeitungen berichten — eine „unterkühlte Atmosphäre“, und man fragt sich unwillkürlich, ob der Besuch des österreichischen Staatsoberhauptes zu diesem Zeitpunkt zweckmäßig war.

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Wie schwierig es ist, Außenpolitik mit Erfolg zu betreiben, hat der Besuch des Bundespräsidenten in Paris gezeigt. Es war — wie die meisten österreichischen Tageszeitungen berichten — eine „unterkühlte Atmosphäre“, und man fragt sich unwillkürlich, ob der Besuch des österreichischen Staatsoberhauptes zu diesem Zeitpunkt zweckmäßig war.

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Sicherlich stellte man sich diese Frage auch am Ballhausplatz und beantwortete sie dahingehend, daß ein Besuch des Bundespräsidenten die eindrucksvollste Dokumentation österreichischer Absichten sei, die Beziehungen zu Frankreich zu intensivieren. Ob das mit diesem Besuch erreicht wurde, wird die Zukunft lehren. Es gibt aber eine ganze Reihe von Punkten, die einen allzu großen Optimismus in dieser Beziehung deutlich dämpfen:

• Da ist einmal zu vermerken, daß das österreichische Staatsoberhaupt bei seinem Eintreffen am Flugplatz nicht von Präsident Pompidou empfangen wurde. Angeblich soll das protokollgemäß gewesen sein. Der französische Staatspräsident begebe sich — so heißt es — niemals auf den Flugplatz, dafür werden Staatsoberhäupter von Orly mit dem Hubschrauber in das Zentrum der Stadt gebracht, wo sie dann vom französischen Staatspräsidenten erwartet und in die Residenz geleitet werden. Aber auch das traf in unserem Fall nicht zu. Präsident Pompidou begrüßte seinen Gast erst, als dieser in das Elysee kam. Warum sich das alles so abspielte, darüber wurde die Öffentlichkeit bis zur Stunde nicht informiert.

• Die Residenz des Bundespräsidenten in Paris war ein Hotel, während der Präsident von Togo in einem Schloß untergebracht war. Kommentar überflüssig!

• Die offizielle Berichterstattung über das Ergebnis der Reise war mehr als unterschiedlich. Der Bundespräsident selbst bezeichnete die Reise als einen großen Erfolg, während Außenminister und Handelsminister erklärten, daß über Sachfragen und vor allem die österreichischen Integrationsbemühungen nw „im Grundsätzlichen“ gesprochen worden sei. Nun weiß jeder Kenner dieser Materie, daß im Grundsatz alle übereinstimmen und daß Grundsatzerklärungen von französischer Seite immer besonders liebenswürdig formuliert werden. Aber darum geht es weder bei der Integrationspolitik, noch bei den bilateralen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen.

Es geht um die Realisierung feierlich proklamierter Grundsätze im einzelnen. Darüber aber wurde weder zwischen den Staatsoberhäuptern noch zwischen den Ministern selbst gesprochen. Außenminister Kirchschläger erklärte, daß sein Gesprächspartner, der französische Außenminister, „eigentlich nicht präziser als Präsident Pompidou“ war und Handelsminister Stari-bacher ergänzte dies mit der Feststellung über seine Gespräche mit dem französischen Wirtschaftsminister, der ebensowenig auf konkrete Vorschläge eingegangen sei.

Nun, nimmt man alles in allem, so widerspiegelt der Ablauf dieses Besuches tatsächlich deutlich die österreichisch-französischen Beziehungen, die, betrachtet man die Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg, in Wirklichkeit nie bessere oder schlechtere gewesen sind. Daß die Österreicher gerne nach Frankreich reisen — sofern sie sich das finanziell leisten können — ist eine ebenso bekannte Tatsache, wie der Umstand, daß der Fremdenverkehr in Tirol und Vorarlberg zv einem merkbaren Prozentsatz von den Franzosen bestritten wird. Daß Wien öfters mit Paris verglichen wird und daß ein, wenn auch nicht übertrieben starker, so doch bemerkenswerter kultureller Gegenseitigkeitsverkehr stattfindet, ist ebenso festzustellen. Weniger bemerkenswert sind die wirtschaftlichen Beziehungen und hier dürfte das Verschulden, wenn man von einem solchen überhaupt reden kann, gleichmäßig auf beiden Seiten liegen. In dem Bericht über den Staatsbesuch hörten wir, daß es angeblich Sprachschwierigkeiten sind, die einem verstärkten Handelsverkehr entgegenstehen. Dies macht die Sache aber doch zu einfach. Wenn dem so wäre, dann gäbe es zwischen Österreich und der Sowjetunion überhaupt keinen Handelsverkehr! Es hat sich einfach die Handelstendenz anders entwickelt, ohne daß darin überhaupt irgendeine Absicht gelegen wäre.

Zweifellos aber wurden die österreichisch-französischen Wirtschaftsbeziehungen — und vielleicht auch die politischen — getrübt, als die französische Regierung im Herbst 1967 die österreichischen Integrationsbemühungen brüsk unterbrach. Hier sprechen die Tatsachen eine eindeutige Sprache. Während der offiziellen österreichischen Verhandlungen in Brüssel in den Jahren 1965 und 1966 waren es zwar die französischen Beamten der Kommission, die die österreichischen Bemühungen immer tatkräftig unterstützten. Nach dem Abschluß der letzten Verhandlungsrunde jedoch weigerte sich die französische Regierung, der Brüsseler EWG-Kommission die Zustimnitl/l Vilm ähcnhltiR rtov “\7airhninfl lungen mit Österreich zu erteilen. Eine am 18. Mai 1967 am Quai d'Orsay stattgefundene vielstündige Verhandlung zwischen dem österreichischen Handelsminister und dem französischen Außenminister führte noch zu dem Ergebnis, daß sich der französische Minister bereit erklärte, den österreichischen Wunsch auf Fortsetzung und Abschluß der Verhandlungen mit der EWG in seiner Regierung zu unterstützen. Leider kam es nicht mehr dazu.

Anläßlich des Staatsbesuches des französischen Ministerpräsidenten Pompidou und Außenministers Couve de Murville im Herbst des gleichen Jahres in Wien wurde Österreich eine eindeutige Absage erteilt, indem die französische Regierung nun offiziell feststellte, daß die österreichischen Integrationsverhandlungen als ein Teil der gesamteuropäischen Integrationspolitik aufgefaßt werden müßten und daher nicht gesondert zu Ende geführt werden könnten. Es war eine ISOgradige Wendung der französischen Regierung in ihrer Integrationspolitik gegenüber Österreich, war es doch gerade die französische Seite, die in den vorhergehenden zwei Jahren immer wieder verlangte, daß ein EWG-Vertrag mit Österreich als ein Spezialfall, ohne Beispielswirkungen für Drittstaaten, behandelt werden müsse.

Österreich kann, wie die beiden anderen neutralen Staaten, auf Grund seiner immerwährenden Neutralität für die große Weltpolitik natürlich wertvolle Hilfsdienste leisten. Wien als Sitz von UN-Behörden, als internationaler Konferenzort und österreichische Beamte in höchsten internationalen Funktionen, wie als Generalsekretär der Vereinten Nationen und als Generalsekretär des Europarates, kennzeichnen diese internationale Rolle Österreichs. In seinen bilateralen Beziehungen aber ist Österreich eben ein Kleinstaat, der weder Frankreich noch anderen westeuropäischen Staaten mehr zu bieten in der Lage ist, als er es eben derzeit schon tut. Dabei ist die wirtschaftliche Kapazität Österreichs eine Quantite negligeable im internationalen Maßstab, ob wir das wollen oder nicht.

Daß sich unser Land auf Grund seiner Neutralität außerdem von allen politischen Konflikten und Kombinationen der Weltpolitik fern hält, braucht nicht weiter betont zu werden. Österreich konnte daher auch zu den Vorstellungen de Gaulies über die Europapolitik gar keine Stellung beziehen und schon gar nicht zu der antibritischen und antiamerikanischen Haltung des französischen Generalpräsidenten.

Wenn nun nach dem Besuch des Bundespräsidenten und als eine Folge davon die österreichisch-französischen Beziehungen wieder intensiver werden sollten, so wäre das tatsächlich ein Erfolg dieses Besuches, um dessentwillen sich die Reise gelohnt hat. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Offen bleibt vorläufig nur die Frage, wo Franz Jonas Herrn Pompidou begrüßen wird, in Schwechat oder am Ballhausplatz?

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