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Besser spät als niemals

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Wird mit der Stabilitätspolitik jetzt endlich ernst gemacht?

Zum ersten Mal ergreift der Fl-nänzminister Initiativen, welche, wenn sie konsequent weitergeführt werden, tatsächlich Elemente einer echten Stabilisierungspolitik enthalten und nicht nur Alibihandlungen wie bisher darstellen. Das Geschehnis, das zu solchen Hoffnungen Anlaß gibt, war das Arbeitsgespräch Hannes Androsch' mit den Landeshauptleuten wegen Kürzung der übermäßig ausgeweiteten Landesbudgets, denen angeblich ähnliche Aktionen in bezug auf die häufig noch schlimmer aufgeblähten kommunalen Budgets folgen sollen. Es kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, daß die Etats der Gebiets-

körperschaften — nicht weniger als der Bundeshaushalt selbst — die Inflation besonders stark anheizen.

Bisher hatte der Finanzminister zwar schön öfter die Gebietskörperschaften apostrophiert, es aber bei „Appellen“ an deren Sparsamkeit belassen — mit voraussehbarem Mißerfolg. Seelenmassagen helfen da nichts. Was benötigt wird, ist eine „konzertierte Aktion“ — Direktiven des Finanzministers, an die sich alle Landeshauptleute und Bürgermeister, zumindest im Rahmen eines Gentlemen Agreements, zu halten haben.

Kein Landeshauptmann könnte es riskieren, Isoliert die Ausgaben einzuschränken, ohne die Sicherheit zu haben, daß in den anderen Ländern das gleiche passiert. Vergessen wir nicht, daß öffentliche Investitionen

eines der wichtigsten Instrumente für die Landespolitiker sind, um sich zu „profilieren“ und bei den nächsten Wahlen auf „Leistungen“ hinweisen zu können.

Verminderte nun ein Landeshauptmann im Interesse der Stabilitätspolitik die öffentlichen Ausgaben, ohne daß sein Kollege von der anderen Couleur im nächsten Bundesland das gleiche tut, dann würde es die Opposition bestimmt nicht verfehlen, Vergleiche zwischen den mangelnden „Leistungen“ dm eigenen Land und den großen Fortschritten im anderen Bundesland zu suchen, wo ihre Parteigänger regieren. Es müssen daher klarerweise alle Landes-

hauptleute gleichermaßen auf die Stabilitätspblitik verpflichtet werden. Dasselbe gilt analog für die Bürgermeister.

Spät, aber anscheinend doch hat man dies im Finanzministerium erkannt und will nun offenbar initiativ werden. Voraussetzung für einen Erfolg wird freilich sein, daß der Bund mit gutem Beispiel vorangeht.

Eine restriktive Politik bei den Landes- und Kommunaletats kann natürlich nicht strikt linear erfolgen. Man wird auf die spezifische Situation der einzelnen Bundesländer Rücksicht nehmen müssen, beispielsweise darauf, ob es dort noch relative Notstandsgebiete — etwa an toten Grenzen — gibt.

Darüber hinaus wird zweifellos auf die Dringlichkeit der jeweiligen Projekte zu achten sein. Man wird kaum

einem Bundesland den Verzicht auf den Bau eines Spitals oder einer Schule zumuten können, wenn auf der anderen Seite Wien seine Gelder und Arbeitskräfte für reine Prestigeobjekte wie die Donau insel oder die Ausgestaltung der Fußgängerzone verpulvert. Es ist daher unerläßlich, die Angelegenheit auch vom Objekt her zu sehen und klare Prioritäten zu setzen.

Zurückhaltung wäre auch beim Straßenbau empfehlenswert: dies gilt sowohl für Landesprojekte — gleichgültig ob direkt finanziert oder mit Hilfe von Anleihen und Krediten im Rahmen von Sondergesellschaften — als auch für den Druck, der seitens der Länder auf den Bund wegen des Baus und Ausbaus von Bundesstraßen und Autobahnen ausgeübt wird. Wenn heute das im Durchschnitt noch immer dünn besiedelte Amerika die Arbeiten sogar an schon begonnenen Straßen und Autobahnen einstellt, da man erkennt, daß man schon zuviel des Guten getan hat, um wieviel mehr sollte man in einem dicht bevölkerten Land wie Österreich Zurückhaltung üben, um so mehr, als viele Straßenprojekte groteskerweise in erster Linie dazu dienen, den Ausländern einen möglichst raschen Transit durch unser Land zu gestatten.

Worauf es aber vor allem ankommt, ist, daß diese Maßnahmen kein „window-dressing“ bleiben, sondern konkret einen kontraktierenden Effekt haben. Vor allem bei der Einschränkung der Budgets der Gebietskörperschaften wird darauf zu achten sein, daß auch tatsächlich Projekte zurückgestellt werden und das Ganze nicht auf eine bloße Änderung der Finanzierungsmethoden hinausläuft — etwa so, daß die Investitionen künftig stärker dm Rahmen von Sondergesellschaften oder mit Hilfe von Leasing-Verträgen erfolgen. Es soll ja nicht nur eine momentane optische Entlastung der Budgets erfolgen, die um so größere künftige Belastungen nach sich zieht, sondern es sollte eine echte Verringerung der Ausgaben erreicht werden. Darüber hinaus geht es nicht um die Budgets allelin, sondern auch darum, daß in einer Zeit der Überbeschäftigung nicht dauernd Aufträge in lohnintensive Branchen gepumpt werden, was unweigerlich inflationistisch wirkt.

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