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Bessere Übel?

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Wahrscheinlich schon im Herbst wird die Entscheidung fallen, wer Nachfolger des tschechoslowakischen Staatspräsidenten General Ludvik Svoboda werden wird. Die Amtszeit des heute 76jährigen Staatspräsidenten endet zwar erst am 30. März 1973, aber die Altersschwäche Svo-bodas hat — wie aus Prag berichtet wird — ein solches Ausmaß erreicht, daß er nicht mehr seine Amtsgeschäfte ausüben kann. Schon jetzt wurden die offiziellen Besuche bei dem greisen General auf ein Minimum beschränkt. Seit Wochen ist der Staatspräsident nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten und hat sich in den engsten Familienkreis zurückgezogen.

Die Krankheit Svobodas hat das Parteipräsidium vor eine schwere Aufgabe gestellt. Erst wenige Wochen nachdem es schien, daß die immer wieder auflebenden internen Machtkämpfe etwas gedrosselt wurden, muß entschieden werden, wer auf die mehr repräsentative Funktion auf dem Prager Hradschin abgeschoben werden soll. Die dogmatischen Kreise in der Partei hoffen, daß es ihnen gelingt, dem gegenwärtigen Parteichef, Dr. Gustav Husäk, die Kandidatur aufzuzwingen. Husäk würde durch die Wahl zum Staatspräsidenten seine Position in der Partei verlieren und die Dogmatiker um Bilak, Indra und Chnoupek könnten dann ohne seinen bremsenden Einfluß ihre Ziele erreichen. Vor allem würden dann die etwas gemäßigten Kreise, die Husäk als das „kleinere Übel“ ansehen, aus ihren Funktionen im Staats- und Parteiapparat entfernt.

Aber auch unter den Dogmatikern herrscht keine Einigkeit, wer von ihnen das Amt des Parteichefs übernehmen soll. Wenn es darum ginge, die Majorität der zwei Nationen, der Tschechen und Slowaken, zu respektieren, hätten die zwei slowakischen Kandidaten, der gegenwärtige slowakische Parteichef Jozef Lenärt, oder der Außenminister

Bohus Chnoupek, die .größten Chancen. Lenärt, in der Novotn^-Ära Ministerpräsident, ist ein Apparatschik der mittleren Generation, der in der Zeit des Prager Frühlings eng mit den Sowjets zusammenarbeitete und den Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR vorbereitete. Chnoupek, der lange Jahre als Journalist in der Sowjetunion gearbeitet hat und dessen politische Karriere erst nach dem 21. August 1968 begann, gilt heute als der aktivste Schrittmacher des Kreml im Lande. Wenn man sich für einen Tschechen entschließen sollte, gilt in der tschechoslowakischen Hauptstadt als aussichtsreichster Kandidat der gegenwärtige Prager Stadtsekretär der KPTsch, Präsidiumsmitglied Antonin Kapek. So wie Chnoupek ist Kapek ein „Mann der ersten Stunde“, der sich sofort nach dem sowjetischen Einmarsch auf die Seite der Sowjets stellte und die Absetzung Alexander Dubceks verlangte.

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