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Digital In Arbeit

BEWEGUNG IM BETRIEB -BETRIEB IN BEWEGUNG

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Mehr und mehr Österreicher haben es im „Kreuz” oder in den Gelenken. Einseitige Belastungen am Arbeitsplatz, Bewegungsmangel und Überforderung durch Streß kennzeichnen den Arbeitsalltag vieler Menschen.

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Mehr und mehr Österreicher haben es im „Kreuz” oder in den Gelenken. Einseitige Belastungen am Arbeitsplatz, Bewegungsmangel und Überforderung durch Streß kennzeichnen den Arbeitsalltag vieler Menschen.

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Die Arbeitssituation vieler Menschen ist gekennzeichnet durch:

□ einseitige Belastungen (zum Beispiel erzwungene Arbeitshaltung an Geräten)

□ Überbeanspruchung bestimmter körperlicher Bereiche (zum Beispiel durch Heben und Tragen schwerer Lasten)

□ Bewegungsmangel (Sitzarbeitsplatz)

□ mentalen und/oder psycho-sozia-len Streß (zum Beispiel Zeitdruck, Überforderung, „Mobbing”)

All das sind wesentliche mitverursachende Faktoren für das augenfällige Ansteigen von Beschwerden und Erkrankungen am Stütz- und Bewegungsapparat des Menschen.

Die Statistik verdeutlicht die Situation: 7,8 Millionen Arbeitstage gingen 1990 durch Erkrankungen verloren, die unter der Bezeichnung „Skelett, Muskel, Bindegewebe” zusammengefaßt werden. Andersherum formuliert: Hunderttausende Menschen in Österreich hatten im Bereich „Stütz-und Bewegungsapparat” so massive Beschwerden, Erkrankungen oder mußten Operationen mit längeren Folgekrankenständen auf sich nehmen, daß sie vorübergehend nicht arbeitsfähig waren. Und in dieser Statistik scheinen nur jene Fälle auf, die als „unselbständig Erwerbstätige” krankenversichert sind und dadurch als „Krankenstände” registriert wurden.

Neben den Einbußen, die die Betroffenen hinsichtlich ihrer Lebensqualität erleiden - Schmerzen, erzwungene Untätigkeit et cetera -, fallen dadurch auch enorme betriebs-und volkswirtschaftliche Kosten an. Vor diesem Hintergrund hat die Allgemeine Unfallver-sicherungsanstalt (AUVA) die Initiative „Bewegung im Betrieb - Betrieb in Bewegung” (BIB) ins Leben gerufen, die im folgenden vorgestellt wird:

Das BIB-Projekt befaßt sich mit der Erarbeitung und Umsetzung gesundheitsfördernder Bewegungsprogramme, die in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Zielgruppe stehen.

Zielgruppe sind die Arbeitnehmerinnen in den Betrieben, denen vor Ort und durch den Betrieb organisiert, ausgleichende und arbeitsbedingten Schädigungen vorbeugende Bewegungsprogramme angeboten werden sollen. BIB umfaßt:

□ wirbelsäulengerechtes Verhalten

□ funktionelles Bewegungstraining

□ Kurzpausengymnastik

□ Augenübungen

□ Entspannungstechniken und anderes mehr.

Die AUVA liefert zwei wesentliche Beiträge, um Bewegungsprogramme in Betrieben Realität werden zu lassen: Der erste Beitrag ist die Ausbildung und Vermittlung von Kursleitern, die in den Betrieben BIB-Kurse durchführen können. Bei dieser Ausbildung handelt es sich um eine Fortbildung für jene Personengruppe, die bereits über eine gute Ausbildung im Bereich des „gesundheitsförderlichen” Bewegungstrainings verfügt, dazu zählen Physiotherapeutinnen, Absolventinnen und Studentinnen der Sportwissenschaften (vor allem aus dem Bereich Prävention/Re-kreation), Absolventinnen einer Gesundheitsgymnastikausbildung oder vergleichbarer Ausbildungen.

Derzeit stehen Kursleiter vor allem im Raum Wien zur Verfügung, im Laufe des

Jahres 1993 werden Österreich weit Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt werden, sodaß nach Möglichkeit jedem interessierten Betrieb Kursleiterinnen vermittelt werden können.

Der zweite wichtige Beitrag der AUVA besteht darin, auf diese Aktivitäten und Möglichkeiten aufmerksam zu machen und sie zu bewerben. Dies geschieht mittels eines Folders, der an Betriebe versandt wird, sowie mit Berichten in den AUVA-Print-medien, durch Infprmationsveranstal-tungen beziehungsweise Referate bei einschlägigen Veranstaltungen.

Für einen Betrieb, der Interesse an der Einführung von BIB-Kursen für seine Mitarbeiterinnen hat, ist die erste und wichtigste Voraussetzung eine engagierte Person im Betrieb - egal, ob Betriebsrat oder Chefin- die bereit ist, die notwendigen organisatorischen Schritte zu unternehmen.

Konkret bedeutet das:

□ Kontaktaufnahme mit AUVA/ Kursleiterln

□ Termin festlegen

□ Räumlichkeiten im Betrieb organisieren

□ interne Werbung/Ausschreibung/ Anmeldung

□ Finanzierung sicherstellen/Teilneh-merbeiträge einheben.

Der BIB-Standardkurs dauert zehn Wochen und umfaßt eine Stunde pro Woche. Empfehlenswert ist je ein zehnwöchiger Block im Herbst sowie im Frühjahr, bevor Outdoor-Betäti-gungsmöglichkeiten und Urlaube die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiterinnen absinken lassen.

Gymnastik fördert Leistung

Zu achten ist bei der Terminfestlegung auch darauf, daß der BIB-Kurs in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitszeit steht. Im wesentlichen gibt es drei Varianten:

□ der Kurs findet während der Arbeitszeit statt

□ der Kurs findet nach der Arbeitszeit statt

□ der Kurs findet zum Teil während und zum Teil außerhalb der Arbeitszeit statt (Split-Time-Modell).

Die Kosten für einen Standardkurs belaufen sich auf etwa 6.000 Schilling (exklusive Mehrwertsteuer). Die genaue Honorarvereinbarung ist mit der/dem Kursleiterln zu treffen, wobei Fahrtzeit und Fahrtspesen gegebenenfalls noch gesondert zifvergüten sind. Bezüglich der Finanzierung empfehlen wir eine Kostendrittelung zwischen Betrieb, Betriebsrat (wenn ein Fonds vorhanden) und den Kursteilnehmerinnen. Die Teilnehmerzahl sollte nicht mehr als 15 Personen betragen, erfahrungsgemäß können jedoch Anmeldungen von 20 Personen entgegengenommen werden, sodaß sich pro Kursteilnehmerln ein Unkostenbeitrag von etwa 200 Schilling ergibt, Betriebe und Betriebsrat tragen die verbleibenden Kosten in Höhe von 2.000 bis 3.000 Schilling.

Es ist erwiesen, daß Ausgleichstraining oder Gymnastik in den Arbeitspausen zu einer Erhöhung von Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit beitragen, derartige Aktivitäten sollten jedoch nicht als Alibi benutzt werden, um auf notwendige Änderungen betreffend organisatorische Abläufe, ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze oder Schaffung von rauchfreien Arbeitszonen zu verzichten.

Die Doppelsinnigkeit der Buchstaben BIB: Bewegung im Betrieb -Betrieb in Bewegung - verweist auf die Bedeutung, welche der Einbettung von Bewegungsprogrammen in die betrieblichen Rahmenbedingun-gen zukommt.In diesem Sinn kann BIB als Initialzündung für positive Veränderungen von Arbeitsbedingungen genutzt werden. Die Autorin ist Referentin für Soziologie.

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