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Bezirkszentren stärker fördern

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Der Drang nach besserer Wohnqualität und die Politik der Stadterweiterung durch sogenannte Trabantensiedlungen verursachen eine Abwanderung der Bevölkerung an den Stadtrand.

Die Einwohnerzahl der Stadtkerne sinkt, während das Verkehrsaufkommen steigt, da die Entfernung der Wohnungen von den Arbeitsplätzen einen großen Teil des Verkehrsgeschehens bewirkt. Die logische Folge ist ein verstärkter regionaler und innerstädtischer Pendelverkehr.

Die daraus entstehende Umweltbelastung durch Lärm und Abgase soll durch den Ausbau der

öffentlichen Verkehrsmittel gemindert werden. Dieser Ausbau aber lockt Klein- und Mittelbetriebe ins Zentrum und fördert somit wiederum den Wegzug der Bevölkerung aus dem zentralen Stadtbereich.

Diese Wanderung an den Stadtrand führt zu einer starken Zer-siedelung des städtischen Umfeldes und zu erhöhter Umweltverschmutzung, die angestrebte bessere Wohnqualität wird zerstört. In der Innenstadt wird das ungleiche Verteilungsverhältnis zwischen Wohn- und Arbeitsstätten verstärkt.

Um die Nachteile wie Zersiede-lung des Stadtrandes und die erhöhte Umweltverschmutzung im Zentrum und in den Außenbezirken zu vermindern, wäre die Verbindung von Stadtteilzentren durch ein tangentiales S-Bahn-System vorzuschlagen.

Derzeit kann man in Wien zwar das Zentrum von jedem Bezirk aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ mühelos erreichen, die Verbindung zwischen den Bezirken ist aber mangelhaft.

Oft muß man von einem Bezirk ins Stadtzentrum fahren, um von dort den eigenen Nachbarbezirk zu erreichen. Diese Tatsache erklärt auch den dichten PKW-Verkehr zwischen den Bezirken.

Dagegen könnte Verkehrspolitik sinnvoll als Mittel zur Steuerung der Städtentwicklung eingesetzt werden. Ein tangentiales Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln, das einzelne Stadtteile direkt miteinander verbindet, würde den Individualverkehr verringern und somit Wohnqualität steigern.

Ebenso würde diese Dezentralisierung den Stadtkern entlasten, da sich viele Betriebe zumindest mit Filialen in den neuen Stadtteilzentren ansiedelten. Somit stiege wiederum die Wohnqualität im Stadtkern selbst.

In München wie in Wien führte der U-Bahn-Bau zu einem Ubergewicht der Stadtzentren und damit zur Schwächung der Stadtteilzentren. Dann wurde aber wegen der olympischen Spiele der Bau der zum Teil tangentialen S-Bahn forciert.

Dadurch und durch einen Tarifverbund gelang es, den Individualverkehr stark einzuschränken. Bereits 1981 erreichte man einen Anteil von 50 Prozent der gesamten Personenbeförderungen, jede zweite Fahrt im Verbundgebiet wurde mit einem öffentlichen Verkehrsmittel unternommen. Noch 1972 wurde der Nahverkehr zu zwei Dritteln mit PKW bewältigt, obwohl damals bedeutend weniger PKW zugelassen waren.

Ein genau gegenteiliger Trend läßt sich in Wien feststellen, wo das Personenaufkommen in den öffentlichen Verkehrsmitteln weiterhin abnimmt und die Bevölkerung immer mehr mit dem privaten PKW fährt. Auf diese Entwicklung reagieren die Verkehrsbetriebe mit einer Tariferhöhung und die Wiener mit weiterer Enthaltsamkeit in der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Dadurch nimmt der Straßenverkehr zu und sinkt die Reisegeschwindigkeit der Straßenbahnen und Busse. Ihre Reisegeschwindigkeit liegt im Durchschnitt ein Fünftel unter dem internationalen Standard.

Um diesen Mißstand zu verbessern, wäre ein vermehrter Ausbau von Busspuren, eine Verlängerung der Abstände zwischen den Haltestellen und die Errichtung tangentialer Verbindungen vorauszusetzen.

Zusammenfassung der Forschungsarbeit „öffentlicher Nahverkehr in Wien und München — kein Vergleich" am Geographischen Institut der Universität Salzburg.

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