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Bezugspunkt für die Ortskirchen

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Ist das in Rom in Ausarbei- tung befindliche, mit viel vorauseilender Kritik be- dachte Kompendium des katholischen Glaubens Grund zu Befürchtungen oder zu Hoffnungen?

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Ist das in Rom in Ausarbei- tung befindliche, mit viel vorauseilender Kritik be- dachte Kompendium des katholischen Glaubens Grund zu Befürchtungen oder zu Hoffnungen?

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FURCHE: Pater Christoph, in welchem Stadium befindet sich das Projekt „Katechismus für die Uni- versalkirche"? Wann ist mit seiner Fertigstellung zu rechnen?

P. CHRISTOPH SCHÖNBORN: Die Konsultation des katholischen Episkopats ist weitgehend abge- schlossen, es ist eine beachtliche Zahl an Antworten eingetroffen. Diese wurden im Juli vom Redakti- onskomitee und jetzt im September noch einmal von der verantwortli- chen Kommission geprüft, analy- siert, und aus den Kritiken und den Änderungswünschen, die von den Bischöfen eingebracht wurden, wurden die Richtlinien für die Er- stellung eines endgültigen Textes abgeleitet.

Bei der Befragung des Episko- pats wurden auf der einen Seite all- gemeine Fragen gestellt, wie man die Teile und das Ganze des Kate- chismusprojektes beurteilt, es wur- den aber auch konkrete Änderungs - wünsche erbeten in der Form von sogenannten Modi. Von diesen sind viele tausend eingetroffen, und die werden im Moment von einer gan- zen Reihe von Experten bearbeitet. Wenn diese Arbeit geschehen ist, wird ein überarbeiteter Text er- stellt, der dann noch einmal durch ein Prüfungsverfahren geht, bis der endgültige Text fertiggestellt wer- den kann. Das wird voraussichtlich noch mindestens ein Jahr dauern.

FURCHE: Wird die bisherige und zum Teil öffentlich bekannt gewor- dene Kritik am Entwurf wirklich ernst genommen? Zum Beispiel heißt es, die moderne Bibelexegese sei im Entwurf zu wenig berück- sichtigt worden...

SCHÖNBORN: Wir können jetzt, nachdem die Resultate der Kon- sultation vorliegen, sagen, daß sich der Episkopat, soweit er sich aus- gedrückt hat, in einer repräsen- tativen Weise für das Projekt po- sitiv ausgesprochen hat.

Die Kritiken betreffen eine Reihe von Punkten. Sie haben das Pro- blem des Schriftgebrauchs erwähnt, wobei ich sagen möchte, daß diese Kritik nicht dominant ist in der Mehrheit der Antworten, aber es ist doch eine von vielen vorgebrachte Kritik. Eine andere Kritik ist, daß die Hierarchie der Wahrheiten zu wenig deutlich zum Ausdruck kommt, das heißt, die Gewichtung der einzelnen Lehraussagen und das Verhältnis der einzelnen Lehraus- sagen zueinander. Eine weitere Kritik ist zum Beispiel, daß die nichtchristlichen Religionen nicht positiv genug dargestellt werden. Der Moralteil hat vielfach Kritik erregt, er sei zu legalistisch oder zu wenig an den Seligpreisungen der Bergpredigt orientiert et cetera.

Alle Kritiken wurden gründlichst untersucht. Die Gutachten der Bi- schöfe wurden in zwei Durchgän- gen analysiert, in einem ersten mehr globalen und quantitativen Durch- gang, in einem zweiten mehr analy- tisch-systematischen Durchgang. Und am Ende wurde ein umfang- reiches Dossier erstellt, in dem die wichtigsten Resultate der Konsul- tation nun vorliegen, sodaß man einen sehr genauen Überblick hat über die Punkte, wo Änderungs- wünsche bestehen. Diese Ände- rungswünsche werden sehr ernst genommen, über die Details der Än- derungswünsche wird der Präsident der Katechismuskommission, Kar- dinal Ratzinger, auf der Bischofs- synode ausführlich berichten.

FURCHE: In welcher Sprache, im buchstäblichen und im übertra- genen Sinn, wird dieser Weltkate- chismus erscheinen? Wird die Ori- ginalfassung, die dann in andere Sprachen übertragen wird, latei- nisch oder in einer modernen Welt- sprache abgefaßt sein? Wird das eine auch für Laien leicht verständliche Sprache sein oder eine, diesichmehr an versierte Theologen wendet?

SCHÖNBORN: Die offizielle Fas- sung wird lateinisch sein, wie bei den meisten Dokumenten, die un- ter der Autorität des Heiligen Stuh- les, in diesem Fall ja wohl unter der Autorität des Papstes erscheinen, und natürlich wird es dann Über- setzungen in die modernen Spra- chen geben. Der Arbeitstext wird freilich in Französisch bearbeitet. Die lateinische Fassung wird dann erst von der Endfassung erstellt.

Es soll nicht ein rein akademi- scher Stil sein, ein universitär-theo- logischer Stil, auch nicht der Stil eines knappen Frage-und-Antwort- Katechismus. Es soll vom Stil her ein Glaubensbuch sein, das sich primär an die Vermittler des Glau- bens wendet, wie schon der Trien- ter Katechismus, der „ad parochos", an die Pfarrer, also die Verantwort- lichen für die Verkündigung, ge- richtet war. Aber er soll doch in der Sprache so gefaßt sein, daß er auch von gebildeten Laien ohne größere Schwierigkeiten gelesen werden kann. Aber das Ziel dieses Werkes ist ja nicht, ein Erwachsenenkate- chismus für die Weltkirche zu sein, das wäre wohl ein unmögliches Un- terfangen, sondern der Zweck ist ja, ein Referenzpunkt, ein Bezugs- punkt zu sein, den die Ortskirchen für die Erarbeitung ihrer Kateche- sen, ihrer Katechismen gebrauchen können.

FURCHE: Mit welcher Autorität spricht dieser Katechismus? Ist er als Sammlung von Lehrsätzen zu verstehen, die jeder, der sich ka- tholisch nennen will, bedingungslos unterschreiben muß und auf die wo- möglich die Theologen mit Treueei- den eingeschworen werden?

SCHÖNBORN: Ich glaube, hier haben Sie Befürchtungen, die et- was zu undifferenziert sind, denn es handelt sich, wie der Titel sagt, um einen Katechismus. Nun hat ein Katechismus sicher nicht die Auto- rität etwa einer feierlichen Kon- zilsdefinition. Er hat auch nicht die Autorität eines Konzilsdokumentes. Der Katechismus wird also nicht die Lehrautorität haben, die das Zweite Vatikanum hat, zumindest in den großen Konstitutionen.

Auf der anderen Seite sehen Sie ja am Konzil selber, daß dort vieles von der Textsorte her in seiner Autorität klar ist: Das Dokument über die apostolische Aktivität der Laien beansprucht zum Beispiel von der Textsorte her eine andere Auto- rität als die Dogmatische Konsti- tution über die Offenbarung. Der Katechismus hat die Autorität ei- nes vom Papst approbierten Kate- chismus. Der Zweck dieses Kate- chismus ist ja, das Ganze des ka- tholischen Glaubens organisch und synthetisch darzustellen. Was nun das Gewicht der einzelnen Elemen- te in dieser organisch-synthetischen Gesamtdarstellung ist, das hängt von den einzelnen Aussagen ab.

Wenn zum Beispiel dort das Kon- zil von Chalzedon zitiert wird, daß Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, dann hat das natürlich ein größeres Gewicht als wenn zum Beispiel im Moralteil die päpstliche Enzyklika über die christliche Soziallehre zitiert wird. Man muß also die einzelnen Aussa- gen im Katechismus dann selber gewichten, nach dem Gewicht, das ihnen von der Art der Textsorte, die sie darstellen, zukommt.

FURCHE: Sie haben jetzt die Sozialenzyklika genannt, aber das gilt für alle Enzykliken?

SCHÖNBORN: Ja, ich meine, bei den Enzykliken gibt es auch, je nach dem Gewicht, das der Text selber zu haben beansprucht, Unterschie- de. Es haben zum Beispiel mehr pastorale Enzykliken oder mehr glaubensverkündende meditative Enzykliken ein anderes Gewicht als eine Enzyklika, die ausdrücklich auf Lehrfragen eingeht.

FURCHE: Steht der Katechismus nicht vor dem nahezu unlösbaren Problem, daß er in völlig verschie- denen Kulturkreisen und Erdteilen seine Adressaten hat?

SCHÖNBORN: Es ist vielleicht ein nahezu unlösbares, aber ein nicht ganz unlösbares Problem. Es ist sicher eine der großen Her- ausforderungen, vor denen dieser Text steht. Er geht davon aus, daß es auch im 20. Jahrhundert möglich ist, das Wesentliche des Glaubens in einer einfachen, allen Christen, allen Katholiken gemeinsamen Sprache zu sagen. Wenn das nicht möglich ist, wenn Katholiken ihren Glauben nicht mehr gemeinsam sa- gen können, dann stellt sich natür- lich auch die Frage, ob sie dann noch gemeinsam beten können und noch gemeinsam handeln können. Wir gehen davon aus, und ich glau- be, von dieser Voraussetzung müs- sen wir in der Kirche unbedingt ausgehen, daß es eine solche Ein- heit auch auf der Ebene der Spra- che wie im Gebet, wie in der Praxis geben kann. Daß das nicht eine große Vielfalt ausschließt, ist klar, aber diese Vielfalt ist eine Vielfalt in der Einheit des Glaubens.

Mit P. Christoph Schönborn, Professor für Dog- ma tik an der Universität Fribourg, Dominikaner, Sekretär im Redaktionsteam des „Katechismus für die L'niversalkirche" sprach Heiner Boberski.

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