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Biedermeier-Sozialismus

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Vor rund zwei Jahren trat Leopold Gratz den Wahlkampf um das Amt des Wiener Bürgermeisters an. Das Ergebnis ist bekannt: er und seine Partei erhielten am 21. Oktober 1973 mehr Stimmen, als je ein Bürgermeister und eine Partei in Wien erhalten haben. Der hohe Stimmenzuschlag lief wohl auf den Wählerauftrag hinaus, endlich frischen Wind ins Rathaus zu bringen. Daraus ist bis heute — leider — nichts geworden: wie in den ärgsten Slavik-Zeiten dominiert das Rathaussystem, gemixt mit einem kaum faßbaren Biedermeier-Sozialismus, die Wiener Gemeindepolitik. Eine alte Mannschaft versucht mit noch älteren Ideen an alte Zeiten anzuschließen.

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Vor rund zwei Jahren trat Leopold Gratz den Wahlkampf um das Amt des Wiener Bürgermeisters an. Das Ergebnis ist bekannt: er und seine Partei erhielten am 21. Oktober 1973 mehr Stimmen, als je ein Bürgermeister und eine Partei in Wien erhalten haben. Der hohe Stimmenzuschlag lief wohl auf den Wählerauftrag hinaus, endlich frischen Wind ins Rathaus zu bringen. Daraus ist bis heute — leider — nichts geworden: wie in den ärgsten Slavik-Zeiten dominiert das Rathaussystem, gemixt mit einem kaum faßbaren Biedermeier-Sozialismus, die Wiener Gemeindepolitik. Eine alte Mannschaft versucht mit noch älteren Ideen an alte Zeiten anzuschließen.

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Sehr problematische Bauvorhaben wurden in Angriff genommen oder fortgesetzt. Die versprochene Befragung von Experten und der Wiener Bevölkerung in Sachen „Donauinsel“ fand nicht statt. Die Kosten für das UNO-City-Projekt steigen fast noch rascher als die Gerüchtewelle über mögliche Begünstigte an diesem Projekt. Der Bau des Allgemeinen Krankenhauses sollte auf Grund eines schon vor zehn Jahren aufgestellten Zeitplans bald fertig sein. Nun: wenn es Bürgermeister Gratz beliebt, zehn und mehr Jahre in Wien zu amtieren, dann ist anzunehmen, daß er die Fertigstellung dieses Projekts als Wiener Bürgermeister auch tatsächlich noch erleben wird. Sonst freilich nicht.

Der Wiener Wahlkampf war vor zwei Jahren überschattet von einer Meldung, wonach das faktisch gemeindeeigene Bauunternehmen Bauring in Saudiarabien Militärflughäfen und, -hangars errichte. Gleichzeitig tauchten damals begründete Vermutungen über ein finanzielles Debakel auf. Jung-Bürgermeister Gratz bestritt das und nahm den Aufsichtsratsvorsitzenden des Baurings, Reinhold Suttner (Bezirksobmann der SPÖ-Liesing) in Schutz; vor wenigen Wochen entschied die sozialistische Mehrheit im Rathaus gegen einen ÖVP-Antrag, Suttner aus seinen Funktionen zu entlassen.

Soviel ist bekannt: der gemeindeeigene Bauring hat für Bauaufträge in Saudiarabien ungewöhnlich hohe Provisionen, insgesamt 150 Millionen Schilling bezahlt. Der Provisionssatz bewegt sich zwischen 20 und 24 Prozent des Bauauftrages, auch in Saudiarabien kein ortsüblicher Satz. Nun sind nicht alle Provisionsmillionen auf Bankkonten in die Hauptstadt Saudiarabiens, er-Riad, geflossen. Ein Teil davon, 67 Millionen, landete Mitte 1971 auf einem Konto beim Wiener Privatbankhaus Feichtner, das finanziell von der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien beherrscht wird.

Die Meinungen darüber, für welchen Zweck diese 67 Millionen Schilling auf ein Konto bei Feichtner & Co. geflossen sind, gehen keineswegs auseinander. Nur sind sie, wiewohl festgebildet, jedenfalls vorläufig nicht beweisbar. Man wird nun sehr hoffen müssen, daß es der Wiener SPÖ gelingen wird, zu beweisen, daß sie damit wirklich gar nichts zu tun hat. Zur Zeit ist die Staatsanwaltschaft in diese Angelegenheit eingeschaltet und Justizminister Broda hat bereits in einer mündlichen parlamentarischen Anfrage festgestellt, daß die Justiz alle Anstrengungen unternehmen werde, die mysteriöse Angelegenheit zu klären; Weisungen im Hinblick auf eine promptere Erledigung will er natürlich keine geben, denn das hieße, auf weisungsungebundene Staatsanwälte einwirken. Das Weisungsrecht nimmt sich der sonst so kompromißbereite Justizminister offensichtlich nur bei der Auswahl von Interviewpartnern für das Fernsehen heraus..

Wie dem immer sei: sicherlich wurde in den letzten zwei Jahren der Untersuchungsprozeß in der Bauring-Affäre — bewußt oder unbewußt? — verschleppt. Geschäftsführer, denen selbst das weisungsgebundene Kontrollamt der Stadt Wien das Fehlen von kaufmännischer Sorgfalt abgesprochen hat,' sind mit vollen Bezügen pensioniert worden. Das häßliche Wort vom „Schweigegeld“ wurde in diesem Zusammenhang genannt. Aber auch damit ließ sich der Untersuchungsprozeß nicht beschleunigen.

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