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Bilanz und Position

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Scheinbar unbegrenzte technische Möglichkeiten und die vielfältigen Erfahrungshintergründe der 350 teilnehmenden Künstler aus 59 Ländern machen den Ausstellungsbesuch zu einem span-nend-verwirrenden Erlebnis. Als Orientierungshilfen empfehlen sich die von der internationalen Jury prämierten Werke, sofern nicht ein individuelles Koordinatensystem entwickelt wurde. Denn, was ist einprägsamer, die Zeugnisse von Gewalt und Leiden im ehemaligen Jugoslawien oder die vieldeutige, phantasieanregende und in einem schwierigen technischen Verfahren hergestellte Figur („Fossiler Wal”, Radierung, Relief, Aquatinta) des US-Amerikaners Frank Stella, der dafür mit dem Großen Preis ausgezeichnet wurde?

Subjektives Verstehen und Fühlen und die Qualitätsbegriffe der Jury schließen einander aber nicht aus. Ihre Kombination erleichtert allemal das Zurechtfinden zwischen und innerhalb der Länderabschnitte. Am einfachsten scheint der Umgang mit den Werken aus dem „Neuen Osten”: Was Polen, Tschechen oder Albaner da vorstellen, weist klar hin auf die in die Gegenwart hineinragende Vergangenheit. An-drzej Popiel präsentiert eine Abrechnung mit den „Größten Mördern” Hitler und Stalin, deren Köpfe den Hintergrund zu halb vergrabenen Menschenleibern bilden. Ob Jan Tomaz Uhryno-wiz seine „Halluzinationen” wirklich erlebt hat? Die polnische Graphikersprache ist insgesamt sehr düster, Klarheit kann es darin nicht geben. Die linienreichen Arbeiten des Tschechen Ondrej Michalek vermitteln beim Betrachter Endzeitstimmung. Nicht das erstemal stellen in Laibach die beiden Albaner Hado Abaz und Meie Pandi aus. Ihre Linolschnitte berichten von nichts anderem als der den Regimewechsel überdauernden Seelenqual vieler Landsleute.

Abstrakter Westen

In Westeuropa hat das Abstrakte Gewicht. Lisa Huber, Gunther Damisch, Herbert Brandl, Oliver Dorfer und Hermann Nitsch, die von Peter Baum, dem Leiter der Neuen Galerie der Stadt Linz, für die Biennale ausgewählten österreichischen Teilnehmer verwenden technisch hochentwickelte „Sprachen”, die übereinstimmend dunkel sind aber völlig verschiedene Bewußtseinszeichen (Bizar-rerien, Klobigkeit, Schrei und Katharsis) setzen.

Formen und Inhalte werden aber weder hier noch global von einem Stil beherrscht. Im Bemühen, Qualität zu belohnen und Zentren in der zeitgenössischen Graphik zu definieren, zeichnete die Jury neben Frank Stella den Schweizer Max Bill für seine geometrische Figur „Doppeltes Gleichgewicht” mit dem Großen Ehrenpreis aus. Weitere Preise errang der Japaner Tetsuo Ya-mashita mit der „Reise” genannten Mischtechnik-Druck und der Koreaner Kim Seung Yeon mit einer durch Kupferstich reproduzierten Fotografie.

Die Ausstellung der neuen Arbeiten aus den vergangenen zwei Jahren wird flankiert von einer Retrospektive von Arbeiten der bisherigen Biennale-Preisträger, darunter Namen wie Robert Rauschenberg, Janez Bernikoder Jiri Änderte.

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