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Bilanzen, Tricks und Spiegelbilder

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„Das Elternhaus gab mir die Atmosphäre von Kultur und Kunst, der Maler Thomas Leitner die Liebe zum Malen, der Krieg die Furcht vor den Menschen, der Maler Jungwirth das durch nichts getrübte genaue Betrachten der Natur, der Maler Sterrer die Erkenntnis, daß die Natur nur das Vorbild zur persönlichen Gestaltung eines Werkes sein kann, der Kreis um Leibi die Liebe zum technischen Vortrag und der Feinheit der Tonwerte zueinander, Egon Schiele den klaren Aufbau eines Kunstwerks, er öffnete mir den Blick für die dekorative Wirkung der Natur und schließlich Egger-Lienz, daß die Form das ewig Gleichbleibende in unserer Umwelt und somit das Höchste in der Kunst ist“: Ein großer alter Mann zieht Bilanz. Leopold Hauer be legt mit einer Ausstellung in der österreichischen Galerie im Belvedere 60 Jahre seines Schaffens.

Er, der Sohn des Gastwirts, Kunst- sammlers und Schiele-Gönners Häur- er, war stets ein Maler der kultivierten Farbgebung, er liebt das Gedämpfte, arbeitet ungemein sparsam in den Effekten. Wie er sich auch stets auf die einfachen Dinge konzentriert hat: auf Kinderkritzeleien ebenso wie auf Steine, auf kahle Wände, auf Boden und Blumen… Und nur manchmal zieht es ihn in die monumentale Landschaft, wie das etwa sein 1965 entstandenes „Kloster bei Ravelio“ oder das 1957 entstandene „Manarola“-Bild bezeugen.

Seine Stärke, ja seine Faszination, liegen für mich in der Präzision und Stimmungsdichte, mit der er ländliche anonyme Holzbauten, deren Wärme und Geborgenheit, aufspürt, deren Reize seine Bilder erstaunlich intensiv abstrahlen. Sie zeigen ihn als einen Chronisten von Geschmack und Einfühlung.

Eine Ausstellung, in der das „Als ob“ ganz groß geschrieben wird, zeigt die Wiener Stadtgalerie in der Führichgasse. „Optische Täuschungen“ wurden da zu einem Panorama des Absurden zusammengetragen. Täuschungen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Und die Bilanz ist überreich ausgefallen. Denn fast alles in unserer Kunst und Werbung ist Täuschung. Vom zurechtgeschniegelten Pin-up- Girl, das in irgendeiner verrenkten Haltung, in der kein Mensch stehen oder sich bewegen könnte, noch immer gewinnend lächelt, bis zu den seltsam versponnenen Graphiken des Holländers Maurits Cornelius Escher, für den der optische Trick zum Inhalt eines Lebenswerkes wurde. Etwa, wenn Rundtreppen und ganze Stiegenhäuser zugleich steil hinauf- und hinunterführen, oder wenn aus fliegenden Wildgänsen sich im Zuge kunstvoller Graphikmutationen Fische mausern …

Natürlich fehlen da auch nicht die großen Namen des Surrealismus oder der Kinetik: Salvador Dalis Spiegelungen zählen zu den Musterbildern optischer Trickkunst, und er bezieht sich wieder auf die Kunst der großen Manieristen … bis zurück zu Parmigianino, der sein berühmtes Selbstporträt vor einem Konvexspiegel malte, wobei der Kopf erstaunlich klein und die Hand riesiggroß wird (im Wiener Kunsthistorischen Museum). Und da.ist auch Victor Vasarely zu finden, der mit spektralanalytischen Überlegungen und Farbtricks farbige Flächen zu dreidimensionalen Effekten steigert.

Den großen „Schweizer Photographen von 1840 bis heute“ widmet das

Museum für Angewandte Kunst eine der wichtigsten Photodokumentationen: An die 300 Meisterwerke, weg vom Maler und Kupferstecher Isen- ring, der als erster Schweizer Daguer- rotypie und Talbotypie als Mittel zur Verewigung erkannte, weg von den Wanderphotographen, die noch mit riesigen Holzapparaten und selbstbeschichteten Platten arbeiteten… Und dann: eine Menge sensationeller Bilder - von Hitler im Fleischerladen bis Mao Tse-tung. Zugleich eine Bilanz für eine spezielle Schweizer Bildästhetik, die bis in die Werbegraphik nachgewirkt hat. Man wird diesen Photoausstellungen in Hinkunft wahrscheinlich noch viel mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Denn daß sie - ebenso wie Malerei oder Bildhauerei - ein absolut eigenständig-unverwechselbarer Zweig von Kunst sind, ein spezifisches ästhetisches Verhalten, und daß sie eine spezifische Methode der Information zeigen, beweist auch diese schöne Austeilung.

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