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Bilanzierter Teufelskreis

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Die Preisschlinge, die sich um den Hals des Österreichers zusammenzieht, wird immer enger. Nachdem der Vorstand der Verbundgesellschaft einen Antrag auf Preiserhöhung des Verbundstrompreises um 18 Prozent beschlossen hat, und ihn dieser Tage auch weiterzuleiten gedenkt, ist mit der Erhöhung des Strompreises zum Beginn des nächsten Jahres zu rechnen. Bei den Treibstoffen hat sich Handelsminister Dr. Staribacher ohnehin schon auf den 1. Jänner als Zeitpunkt für das Inkrafttreten neuer Preise festgelegt, weitere Preisanträge stehen ins Haus.

Aber kein Antrag wird so gravierende Folgen haben, wie jener des Vorstandes der österreichischen Bundesbahnen, der in der vorigen Woche von Verkehrsminister Frühbauer an das zuständige Gremium, den Verwaltungsrat weitergeleitet wurde. Eine durchschnittliche Verteuerung der Leistungen der Bahn zwischen 5 und 20 Prozent wird sicher nicht ohne Folgen auf die Preise jener Waren bleiben, die mit der Bahn transportiert werden.

Die Bundesbahnen befinden sich in einem Teufelskreis: 71.000 aktive Bedienstete stehen 85.000 Pensionisten gegenüber, die ebenfalls von der Bundesbahn erhalten werden müssen. Dazu kommen noch enorme Investitionskosten, da die Bundesbahn als einziger Verkehrsträger die Kosten für ihre Infrastruktur selbst tragen muß.

Der Investitionsbedarf der nächsten Jahre wird rund zwei Milliarden Schilling pro Jahr betragen, dazu kommen noch jährlich rund eine Milliarde Schilling an gestiegenen Personalkosten.

Schon im Juni hatte sich Finanzminister Dr. Androsch recht deutlich zu den Problemen der Bundesbahn geäußert; er erklärte damals, daß ein großer Teil der Investitionskosten durch Mehreinnahmen her eingebracht werden müßte. Wenn man nun die Bilanz der ÖBB im Jahr 1969 betrachtet, in der Aufwendungen von 13,2 Milliarden Schilling auf der Einnahmenseite nur 10,6 Milliarden Schilling gegenüberstehen, also ein Verlust von rund 2,6 Milliarden Schilling ausgewiesen wurde, ist kar, daß die Bundesbahn in nächster Zeit nur schwer nach , /kaufmännischen Gesichtspunkten“ geführt werden kann, wie es das Bundesbahngesetz vorschreibt. Im vergangenen Jahr betrugen die Einnahmen aus Güter- und Personenverkehr, also ohne aktivierte Eigenbestände, 8,4 Milliarden Schilling. Die Tarifeingänge im ersten Halbjahr dieses Jahres sind nur um 0,7 Prozent gestiegen, ein tristes Bild, das sich dem Betrachter darbietet.

Rückgang im Transit

Dem Bundesbahnvorstand bleibt also gar nichts anderes übrig, als zu versuchen, über Tariferhöhungen jene Mehraufwendungen zu finanzieren, die es der Bundesbahn in den kommenden Jahren ermöglichen sollen, erfolgreicher als bisher mit der Straße zu konkurrieren.

Doch das auslösende Moment für die jetzige Preisforderung scheint wohl ein Rückgang im Transitgeschäft gewesen zu sein, der im Rahmen des Budgets dieses Jahres zu einem Einnahmeentfall von etwa 250 Millionen Schilling führen dürfte. Sollte diese Entwicklung anhalten, woran momentan in Fachkreisen nicht gezweif elt wird, so wird es der ÖBB auch schwerfallen, die für das kommende Jahr prognostizierten Mehreinnahmen von 500 bis 600 Millionen Schilling zu decken. Zusammengerechnet ergeben diese beiden Werte aber eben jene 750 Millionen Schilling, von denen der ÖVP-Pres- sedienst wissen will, daß sie Finanzminister Dr. Androsch schon im kommenden Budget als Tarifmehreinnahmen eingeplant hat. Informierte Kreise schließen aber nicht aus, daß die Erhöhung der Tarife über die geforderten Mehreinnahmen hinausgehen könnte, und rund 1,1 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen ergeben würde.

Obwohl genauere Zahlen noch ausstehen, glaubt man bereits zu wissen, daß die unterste der fünf Frachttarifklassen aufgelassen werden soll, während die restlichen Frachttarife zwischen fünf und sieben Prozent steigen sollen. Kräftiger sollen hingegen die Personen- und Gepäcktarife erhöht werden; man spricht von einer Größenordnung zwischen 15 und 25 Prozent. Details, wie etwa die Neuregelung der So- zialtarife oder gar Einzelheiten wie die Zukunft des Schnellzugszuschlages werden gegenwärtig noch geprüft.

Da das Verfahren der Preiserhöhung bei der Bahn relativ kompli ziert ist, da neben Vorstand und Minister auch noch der Verwaltungsrat und der Hauptausschuß des Nationalrates mitzuentscheiden haben, ist eine rasche Entscheidung nicht zu erwarten. Aber Anfang März 1972 oder zu dem Zeitpunkt, da der Sommerfahrplan in Kraft tritt, scheinen zwei wahrscheinliche Termine zu sein, zu denen dann auch die Bahn die Staatsbürger neuerlich an die Kasse bittet.

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