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Zwei Ausstellungen junger öster-reichischer Künstler werfen viele Fragen auf. "Wider-Schein - Aspek-te des Religiösen in der österreichi-schen Gegenwartskunst" hieß die Schau, die bis 11. November im Tiroler Landesmuseum Ferdinan-deum gezeigt wurde. "Unbedingt -Spirituelle Tendenzen in der jungen Kunst Österreichs" ist der Titel der Wanderausstellung, die zuerst in der Salzburger Kollegienkirche zu sehen war, die nun am 22. November in Graz eröffnet wird und Anfang nächsten Jahres nach Wien wandert.

Das Anstößige (Denk-Anstößige) an beiden Ausstellungen ist, daß viele Menschen darin weder Spuren des Religiösen noch des Spirituellen entdecken. Am leichtesten dürfte den Besuchern der Zugang zu jenen Werken fallen, die in kirchlichem Auftrag entstanden sind. Solche wurden nur in der Innsbruk-ker Ausstellung gezeigt. Es waren die Kreuzwegtafel von Ernst Tra-wöger aus der Kirche zu Völs, die Vita Sancti Norberti aus Innsbruck und der Entwurf für das Auferste-hungsfresko in Dornbirn-Schoren von Hubert Schmalix. Diese Bilder greifen die traditionelle christliche Ikonographie auf und verwandeln sie auf jeweils charakteristische Weise. Ähnliches gilt für einige freie Werke: etwa das Lilienkreuz und die Adam und Eva-Darstellung von Alois Mosbacher oder die Pietä von Michael Hedwig.

Bei den meisten Werken freilich fehlen wie auch immer verfremdete Reminiszenzen an die christliche Ikonographie. So etwa sind in der Grazer Ausstellung die beiden Bilder von Gunter Damisch - mit vitalem, pastosem Farbauftrag - kaum gegenständlich lesbar. Auch in den " Scheiben" von Leo Zogmayer sind alle nachahmenden Anklänge ver-schwunden. Geheimnisvoll zei-chenhaft sind die Bilder von Joha-nes Zechner. Das große mit Holzkohle gezeichnete Bild des diesjäh-rigen Otto Mauer-Preisträgers Christoph Luger ist ein Dokument unermüdlichen kreativen Tuns.

Manfred Wakolbingers Plastik macht den Gegensatz von außen und innen, von warm und kalt er-fahrbar. Rhythmisch-gefügehaft baut Sonja Lixl ihre "Lichtstäbe". Die auf transparentem Papier ge-zeichneten und hinter Glas mon-tierten Schriftkreise von Franz Graf sind als Form und als Text lesbar. In einem Bild von Erwin Bohatsch leuchtet düsteres Rot hinter schwar-zen Säulen hervor.

Ähnliches gilt für die Innsbruk-ker Ausstellung, in der übrigens Erwin Bohatsch, Franz Graf und Manfred Wakolbinger auch vertreten waren. Besonders sei auf das Lichtobjekt von Brigitte Kowanz, auf das leuchtend blaue Bild "Auf-machen/Entfalten/Entdecken/Auf-brechen" von Claudia Hirtl und auf die streng gefügte "Mauer" aus Kalksteinen von Lois Weinberger hingewiesen.

Der Betrachter beider Ausstel-lungen mag finden, es handle sich um interessante Querschnitte durch die junge Kunstszene Österreichs. Was aber haben diese Werke mit Religion oder Spiritualität zu tun?

Werke der modernen Kunst er-fordern eine "offene Interpretation". Damit ist gemeint, daß sich deren Deutung nicht auf eine einzige Möglichkeit festlegen läßt - ohne daß diese Deutung allerdings belie-big sein kann. Vincent van Gogh schrieb einmal an seinen Bruder: "Wenn ich hier bleibe, werde ich nicht versuchen, einen Christus im Olivengarten zu malen; vielmehr die Olivenernte, so wie.man sie noch sieht, und wenn ich darin die wahren Verhältnisse der menschlichen Gestalt auffinde, so kann man dabei an jenes denken." Das Problem der Deutung stellt sich verschärft bei der abstrakten Kunst, angefangen mit Wassily Kandinsky, der mit seinen Bildern ganz bewußt den Positivismus überwinden und eine geistige Dimension eröffnen wollte.

In den beiden Ausstellungen gibt es Bilder, die meditative Stimmun-gen vermitteln (Hirtl, Lixl), oder die zeichenhaft auf eine geheimnisvolle Dimension verweisen (Bohatsch, Zechner). Allerdings gibt es auch Werke, die nichts davon spüren lassen. Für diese Stimmungen oder Dimensionen steht die Chiffre des "Spirituellen". Offensichtlich übt sie eine starke Faszination auf die junge Generation aus, wie der interessante Katalog zur Ausstellung "Unbedingt" beweist.

So sagt Gunter Damisch: "An und für sich ist Kunst immer etwas, was mit Spiritualität zu tun hat, wenn es den Namen Kunst verdient."

Häufig schwingt dabei ein Unge-nügen an der Kirche mit: "Ich habe zugesagt, da mich Spiritualität seit langem interessiert; sie war das, was mir fehlte, als ich Religions-vermittlung erlebte. Das eine heißt Dogma, das andere heißt Freiheit und Selbstverantwortung" (Sonja Lixl).

Kunst ist heute autonom. In ihr tastet der Mensch allerdings immer noch nach einer anderen Dimen-sion. Dies geschieht freilich nicht mehr direkt, sondern verschlüsselt. Manches erschließt sich dem schau-enden Blick, läßt sich aber schwer verbalisieren. Die Hermeneutik des Bildes folgt anderen Gesetzen als die Hermeneutik der Sprache. Beide Ausstellungen machen das wieder bewußt.

Die Ausstellung "Unbedingt" wird im Mausoleum und im Mino-ritenzentrum Graz vom 23. November bis 22. Dezember gezeigt, in der Wiener Votivkirche vom 18. Jänner bis 10. Februar 1991.

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