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Bilder vermitteln Gott

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Seit zwei Jahren setzt das Bil- dungshaus St. Virgil der Erzdiöze- se Salzburg Impulse für einen Dia- log zwischen Kunst und Kirche durch Ausstellungen, Vorträge und Gesprächsreihen und will zeitge- nössische künstlerische Ausdrucks- formen kirchlichen Gesprächspart- nern nahebringen. Einen wichtigen Schritt auf diesem Wege stellte das gut besuchte ökumenische Sympo- sion „Die Kirche und die zeitgenös- sische Malerei" Anfang August im Rahmen einer Ausstellung von Arbeiten Josef Mikls dar.

Günter Rombold (Linz) konsta- tierte bei dieser Veranstaltung eine unübersehbare religiöse Dimension in der modernen österreichischen Kunst, die in einer barocken Tradi- tion als katholischem Phänomen der Integration und Anverwandlung des Fremden wurzelt. Als Beispiele nannte er einige Künstler, die sich in existenziell-subjektiver Weise mit Religion als einem barock-ka- tholisch-heidnischem Amalgam auseinandersetzten, was in der zeit- genössischen europäisch geprägten Kunst keine vergleichbaren Bei- spiele fände.

Als Beispiele führte Rombold Fritz Wotrubas Auseinanderset- zung mit der Figur, Martyrium und Fleischwerdung Gottes bei Alfred Hrdlicka, Karl Prantls Steinmedi- tationen, Arnulf Rainers Ausein- andersetzung mit dem Tod, das Ver- hältnis zur Natur bei Markus Pra- chensky, Josef Mikl und Wolfgang Hollegha, Walter Pichlers Kultob- jekte und die vorchristlichen Op- ferrituale von Hermann Nitsch an.

Zum Verhältnis zur Kunst mein- te Rombold, daß die Kirche, wie alle Institutionen, konservativ rea- giere; Neuschöpfungen stießen auf Widerstand. Dieses gestörte Ver- hältnis läge darin begründet, daß sich die Kunst die Freiheit zur Kritik nähme, das Negative (zugunsten einer heilen Welt) nicht ausschließe und als Anwalt des Eros auftrete.

Als Modelle des Umgangs mit- einander verwies Rombold auf den „kleinen Grenzverkehr" (Friedhelm Mennekes), bei dem Kunst und Theologie als autonome Bereiche aufeinander zugehen sollten. Er selbst trat - in der Tradition Otto Mauers - für einen Funkensprung von der Kunst zur Theologie, für mehr Freiheit, Kreativität und Le- bendigkeit ein, damit sich das Chri- stentum seiner inneren Dynamik wieder mehr bewußt werde.

Katharina Winnekes (Köln) stell- te als Beispiel für einen kleinen Grenzverkehr die von dem Jesui- tenpater Friedhelm Mennekes seit 1987 aufgebaute „Kunststation St. Peter" in Köln vor. Wechselnde Ausstellungen bieten dort einer „Angebotsgemeinde" Möglichkei- ten zur Auseinandersetzung. Die zum Teil von der Kirche angestell- ten Mitarbeiter werden häufig von Gemeinden bei Kunstfragen zu Rate gezogen.

Karl Heinz Meißner vom Kunst- dienst der evangelischen Kirche Erfurt gab einen Einblick in die Situation in der DDR, wo trotz materieller Beschränkung und staatlicher Behinderung dennoch eine Reihe beachtlicher Kirchen- bauten von den Gemeinden reali- siert werden konnten - meist mit Unterstützung „reicher Vettern" aus der BRD. Baukosten und Aus- stattung für die Kirchenmusik führten allerdings häufig dazu, daß die bildende Kunst - abgesehen von einigen Ausnahmen - ein Randda- sein führte. Darüber .hinaus lädt der Kunstdienst immer wieder zeit- genössische Künstler zu themati-

schen Ausstellungen ein.

Johannes Neuhardt (Salzburg) berichtete von den turbulenten Erfahrungen mit dem Altarbild von Wolfgang Hollegha für die Kirche in der kleinen Salzburger Gebirgs- gemeinde Unternberg (1977/78). Das Bild wurde von der Gemeinde abgelehnt und mußte schließlich entfernt werden, weil der künstle- rische Abstraktionsprozeß nicht plausibel gemacht werden konnte.

Rainer Volp (Mainz) ging der Frage nach, wieviel Glauben die Kunst und wieviel Kunst der Glau- be brauche. Als zwei Rutschbah- nen, auf denen man im Umgang mit Kunst immer im Sand lande, be- zeichnete er die Ebenen von Ikono- graf ie und Illustration. Jedes Kunst- werk sei „Vermittlungsterrain", Text der Vergangenheit, der Be- wunderung und des Lernens.

Authentische Spuren des Glau- bens würden nicht durch pflichter- füllende Ikonograf ie oder Illustra- tion erfahrbar, sondern könnten sich gerade in der Kunst des Weg- lassens, des Setzens von Chiffren, der Leere manifestieren und so eine Aufforderung darstellen, festgefaß- te Gottesbilder aufzugeben.

Die Autonomie der Kunst stelle so gesehen keinen Akt der Profa- nierung dar, sondern vielmehr ei- nen Prozeß der Befreiung von Bil- dern, die einen beherrschen. Der Künstler vermag eine Wahrheit hinter den Dingen zum Vorschein zu bringen, die anderen verborgen ist. Bilder als persönliche Bekennt- nisse könnten so Anlässe zum Wei- terdenken, zum Gespräch und zum Einbekenntnis von Defizitärem im Sinne des „Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben" werden. Kunst als „Relation von Absicht und Ver- wirklichung" diene nicht dem Schmuck, sondern sei eine indivi- duelle Form des Credo. Je überzeu- gender die Liturgie der Gemeinde

sei, desto stärkere Formen indivi- dueller Credos vermag die Gemein- de zuzulassen. Leider landeten häufig starke künstlerische Aussa- gen im Museum, weil die Gemein- den vor ihnen zurückschreckten.

Josef Mikl warf der Kirche Un- terlassungen vor, sie solle gegen die allgemeine Vernichtung von Sub- stanz auftreten und nicht dem

Unverbindlich-Zeitgemäßen den Vorzug geben. Alfred Sammer for- derte Bischöfe, Theologen und Lai- en zu mehr Kraft bei der Vermitt- lung gesicherter Glaubenswerte auf, damit Künstler als „Religions- vermittler" Nähe und Größe Gottes anschaulich machen könnten.

Der Autor ist Kunstpädagoge und Mitarbei- ter im Bildungshaus St. Virgil in Salzburg.

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