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Bilderbuchillusion

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Die Ausrüstung des Bundesheeres soll nach dem Worten von Bundeskanzler Kreisky einer Uberprüfung unterzogen werden: Was steckt hinter dieser Pauschalankündigung? Nachdem der Regierungschef alle Gerüchte über einen möglichen Wechsel an der Spitze des Verteidigungsressorts strikte von sich wies, scheint Kreisky an den Bau von „Schützengräben“ heranzugehen. Aus dieser Deckung ließe sich dann leichter die zu erwartende herbstliche Manöverschlacht um das Reformprojekt Bundesheer führen. Der Bundeskanzler will offenbar nicht nur seinem Verteidigungsminister Schützenhilfe gewähren, sondern will vielmehr selbst das Problem in den Griff bekommen.

Kreiskys Kritik gilt schon seit langem dem orthodoxen Aufbau der Armee. Vor allem der Zuschnitt auf den Verteidigungsfall, den die Berufsmilitärs dem staatlichen Sicherheitsinstrument zu geben versuchten, scheint den Entspannungspolitiker zu stören.

Als Objekt einer Neuorientierung der Streitkräfte bieten sich die Luftstreitkräfte an. Hier klaffen Zielvorstellungen und Realität wohl am weitesten — und auch für den Laien grob erkennbar — auseinander. Der Schutz des österreichischen Territoriums gegen Aktionen aus der Luft war stets die Achillesferse des heimischen Verteidigungskonzeptes. Nach dem Staatsvertrag und dessen Artikel 13, der das Verbot von Lenkwaffen enthält, sahen viele den Luftraumschutz von vornherein als flügellahm an. Außenminister Kirchschläger versuchte daraus den einfachen Schluß zu ziehen, daß die österreichische Neutralität nach dem Willen der Signatarmächte eben eine nicht dem Schweizer Zuschnitt vergleichbare Norm habe. Diese Auslegung zielt aber weniger auf die Problematik der Struktur der Luftraumüberwachung hin als vielmehr auf die Gretchenfrage nach dem für den Neutralen zumutbaren finanziellen Einsatz. Die pekuniäre Seite ist allerdings auch der schwächste Punkt des Problems. Wie wohl kaum anderswo im Verteidigungsbereich laufen in der Luftrüstung die Kosten den finanziellen Möglichkeiten eines Kleinstaates einfach davon.

Im Zuge der Diskussion um eine

Bundesheerreform taucht in diesem Zusammenhang auch immer mehr die Kritik an der bisherigen Sicherheitsdoktrin auf. Diese war von den Militärs, bedingt durch die gedankliche Abstinenz der meisten Politiker, von der These der Abschreckung und des „hohen Eintrittspreises“ abgeleitet worden. Der Grad der Abwehrstärke wurde an der Fähigkeit gemessen, in einem Gefecht klassischen Zuschnitts bestehen zu können.

Die größte Gefahr, den Blick für die Realität zu verlieren, drohte nämlich seit eh und je auf dem Gebiet der Luftkampfführung. Auf den Manöverfeldern tummelte sich das heimische Heer stets so, als würde Nebel und tiefe Wolkenuntergrenze herrschen. Aber sowohl der Schutz der Bodentruppen durch integrierte Mittel — beispielsweise Fliegerabwehr auf Selbstfahrlafetten — wie auch der Schirm in der Luft durch Abfangjäger wird für Österreich eine Bilderbuchillusion bleiben.

Das Ziel unserer Sicherheitspolitik sollte es daher — so die Kritiker — nicht sein, klassische Abwehrschlachten, etwa im Raum Hollabrunn, vorzubereiten, also mit einer Verletzung der territorialen Grenzen zu rechnen, sondern vielmehr mit einer Verletzung des Luftraumes. Hier liegt das Feld, auf dem der Neutrale geprüft wird und wo er sich den nötigen Respekt zu verschaffen hat.

Trotz vielfacher Unkenrufe der Kritiker konnte der Weg, den man bisher beschritt, in groben Zügen gutgeheißen werden. Man machte in Österreich nicht den Fehler des deutschen Nachbarn, den nach dem zweiten Weltkrieg verlorengegangenen Anschluß dadurch zu finden, daß man einfach eine Generation in der Entwicklung des Düsenfliegens übersprang. Ein Star-flghterdebakel blieb uns damit erspart. Auch beim Kauf der neuen SAAB-Maschinen beschritt man rein prinzipiell den richtigen Pfad. Zu streiten ist nach wie vor über die Zahl der Maschinen.

Im Oktober wird die vierzigste SAAB 105 ausgeliefert werden. An den Kosten werden wir noch einige Jahre zu beißen haben. Wie kann also die Überprüfung des Ausrüstungskonzeptes der Luftstreitkräfte ausgehen?

Die einzige realistische Möglichkeit, den Aufgaben der Luftraum-

überwachung gerecht zu werden, kann nur die Form einer Identifikation durch Flugzeuge haben. Damit erübrigt sich die Debatte um das Lenkwaffenverbot. Einem unbekannten Flugobjekt setzt selbst der Osten keine Rakete vor die Pilotenkanzel.

Nachdem wir in Bälde über ein einigermaßen geschlossenes Luftraumüberwachungssystem verfügen werden, über dessen Problematik man sich angesichts unseres geringen Vorfeldes und der Randlage der Bevölkerungszentren im klaren sein muß, kann der nächste Schritt nur sein: Anschaffung einer Staffel Mach-2-Jäger. Sollte Österreich diesen Schritt allerdings finanziell ndcht verkraften können, so bietet sich als Alternative allerdings nur das Abwracken der ,Airforce“ an. Einen billigeren Weg gibt es nicht.

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