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Das Bedürfnis nach Verinner-lichung und religiöser Erbauung wächst, immer mehr Menschen fragen nach dem Sinn des Lebens. Wenn viele es auch nicht wahrhaben wollen, Religion ist heute - trotz allem - „in".

Einen Beweis dafür bietet neben manchem anderen die Tatsache, daß die modernen Massenkommunikationsmittel Hörfunk und Fernsehen in der westlichen Welt eine große Palette religiöser und quasireligiöser Sendungen anbieten. Bei privatwirtschaftlicher Organisation der elektronischen Medien unterhalten Kirchen und Sekten zum Teil eigene Sender, zum Teil mieten sie Sendezeit.

So ist es bei Radio Luxemburg ein gewohntes Bild, daß nach einem Werbeblock ein 15-Minuten-Block einer christlichen Missionsgruppe gesendet wird. In Ländern, in denen der Rundfunk monopolisiert ist, wird den Kirchen vielfach auf Grund des Gesetzes oder der Konzessionsurkunde Sendezeit eingeräumt, wobei die Verantwortlichkeit meist beim Sender liegt.

Im katholischen Bereich verfügt der Vatikan über eine Groß-Sendeanlage, die rund um di/Uhr arbeitet und in 37 Sprachen in 170 Länder sendet. Die Radiostation des Vatikans besitzt die größte Kurzwellendrehantenne der Welt, die im Sendezentrum Santa Maria di Galeria, 18 km nördlich von Rom, steht. Die Leitung des Senders, der 330 feste Mitarbeiter besitzt, hat der Papst dem Jesuitenorden übertragen.

Katholische Radiosender von lokaler oder regionaler Bedeutung gibt es in Europa zum Beispiel in den Niederlanden, im großen Maßstab in den USA, in Lateinamerika, hier etwa 4VEH in Haiti, HRVC in Honduras, Radio Sutatenza in Kolumbien, in Asien und in Afrika.

Im Rahmen des Monopolbetriebes ORF gibt es in Osterreich sowohl beim Hörfunk als auch beim Fernsehen eine Hauptabteilung „Religion" mit einer Fülle religiöser Sendungen für Katholiken, Altkatholiken und Protestanten, fallweise auch für Juden und Muslime. Dabei erreicht zum Beispiel die Sendereihe „Christ in der Zeit" im Fernsehen eine tatsächliche Reichweite von zehn Prozent, also 606.000 Fernseher.

Rund vier Fünftel aller Sendungen der „elektronischen Kirche" gehen auf das Konto der Protestanten, Freikirchen und Sekten. Bei diesen „Radiomissionen" im freien Äther sind alle Betriebsgrößen vertreten — vom Einmannbetrieb bis zum Riesenunternehmen mit Millionenumsätzen, wobei es oft schwerfällt, die Grenzen zwischen Religion, Politik und Geschäft zu ziehen.

Um welche Summen es dabei geht, hat Perry Jones erhoben. Nach seinen Feststellungen hat beispielsweise die Worldwide Church of God ein Jahresbudget von 75 Millionen Dollar, die Christian Broadcasting Network ein solches zwischen 50 und 60 Millionen und Billy Grahams Evangeli-stic Association Einnahmen von 30,Millionen Dollar.

Alle diese Millionen werden im Rahmen der kommerziellen Rundfunkorganisation durch freiwillige Spenden aufgebracht. Gerade dieses System aber führt, wie der Direktor für Kommunikation im amerikanischen National

Councü of Churches, William Fell, feststellte, zur „Korruption der Aussage".

Um die Gelder aufzubringen, muß man Hunderttausende an Zusehern und Hörern anwerben, und um dann noch mehr Sendezeit „einkaufen" zu können, muß man noch mehr Hörer anlocken, was nur auf Kosten des Program-mes geht. Man darf nach Ansicht Fells in diesem System keine kritischen Wahrheiten aussprechen, denn das würde Spender abschrecken. Was so bleibt, ist nur eine äußerst simplifizierte Frohbotschaft.

Man kann in diesem System zwei Modelle unterscheiden, die „hard-core"-Prediger und die „Bekenner".

Die „hard-core"-Prediger sprechen von der bevorstehenden Apokalypse und malen alle Schrecken des Weltendes an die Wand, um zum Schluß zu erklären, es wäre noch nicht zu spät, wenn der Mensch zu Gott zurückkehrt.

Nach dem anderen Modell sprechen „Bekehrte" zu den Massen, die durch ihre Rückkehr zu Gott wieder „etwas geworden" sind.

Uber den Wert und den Einfluß einer derartigen Radiomission gehen die Meinungen auseinander.

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