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Billige Drohpropheten

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„O hne jede ausreichende Begründung, nur ihrem eigenen Sinn folgend, drohen sie schreckenerregende Vorzeichen an und viele Katastrophen, die schon bald eintreten würden und sich bereits anbahnten. Się. malen sie aus und behaupten steif und fest, sie seien bereits im Gange. Häufig erdreisten sie sich, den Volksscharen irgendwelches dumme Zeug in den Kopf zu setzen, und, was noch schlimmer ist, sie behaupten, sie verdanken diese Ideen dem Licht der Ewigkeit und dem Antrieb oder der Eingießung durch den Heiligen Geist.“

Diese Sätze entstammen einer päpstlichen Bulle Leos X. vom 16. Dezember 1516. Der Papst hatte sie auf dem fünften Laterankonzil erlassen. Wie auch sonst, ist das Konzil hier nicht originell, sondern folgt nur ausgefahrenen Bahnen. Es verbietet unter Strafe der Exkommunikation das Predigen über Prophezeiungen.

Allerdings wendet das Konzil gegen diese Vorschrift selbst ein, daß auch nach der neutestamentlichen Offenbarung noch besondere Offenbarungen möglich sind. Doch darf man darüber nicht öffentlich in der Kirche reden, ohne daß die Offenbarungen geprüft worden sind.

Beinahe unverändert sind diese’Vor- schriften in das kirchliche Rechtsbuch des Jahres 1917 übergegangen. Theologisch stützen sie sich auf die ständige Lehre der Kirche, daß die göttliche Offenbarung mit der Menschwerdung des göttlichen Wortes ihren Höhepunkt erreicht hat, der nicht mehr überboten werden kann.

Freilich lenkt Gott immer noch seine Kirche, weshalb nicht auszuschließen ist, daß es etwas wie ein „direktes Eingreifen Gottes“ gibt. Das kann aber nie den Charakter einer Korrektur der endgültigen Offenbarung haben.

Die Offenbarung in Christus ist so neu, daß es im Vergleich dazu nichts Neues mehr geben kann. So ist es auch ständige Lehre der Theologen, daß solche Offenbarungen nur den Empfänger selbst verpflichten und immer den Charakter des Privaten an sich haben. Dies gilt auch dann, wenn die kirchliche Autorität nach Prüfung solche Offenbarungen approbiert hat. (Ein „nicht Dementieren“ genügt hier nicht!)

Ratlosen Zeiten ist es eigen, auf etwas Neues zu warten. Keineswegs aber sollte man übersehen, daß die göttliche Offenbarung nicht nur im Gewand der Geschichtsschreibung, sondern auch det Futurologie daherkommt. Wie das Gewand der Geschichtsschreibung, darf auch das Gewand der Futurologie nicht darüber hinwegtäuschen, daß es immer nur Verpackung echter Offenbarung sein kann.

Es ist ja bekannt, daß Leser der Johannesapokalypse des Neuen Testaments sich oft getäuscht haben, wenn sie versuchten, einfach die kommende Geschichte aus diesem Buch herauszulesen.

In neuer Zeit scheint nur Lourdes dem Schicksal entgangen zu sein, für die Zukunftsforschung mißbraucht worden zu sein. Was La Salette betrifft, erklärt ein Dekret des Heiligen Offici- ums 1915, daß es gegen diese Offenba- rurtg nichts einwende, ein „Geheimnis von La Salette“ aber ablehne.

Was Fatima betrifft, ist die Ge

schichte wohl im allgemeinen bekannt, die Einzelheiten aber werden oft verwechselt. Bis 1930 hatte eine bischöfliche Kommission die Vorgänge um die Erscheinungen des Jahres 1917 untersucht und dann die Echtheit anerkannt. Erst in den vierziger Jahren hat die einzige Überlebende von den drei Kindern, Schwester Lucia, auf Bitten des Bischofs von Leiria ihre Geschichte niedergeschrieben.

1944 hat der Jesuitenpater Dhanis, der später an der Gregoriana Professor wurde, in einem Artikel die Aussagen vor der Bischöflichen Kommission mit

den späteren Aussagen Lucias verglichen. Es ist unverkennbar, daß Lucia

Dem Historiker bleibt es unbenommen, die hier wiedergegebene Version auf bekannte Sagenmotive zu erforschen. Dann konnte man sogar einen Text veröffentlicht finden, von dem behauptet wurde, er sei dieses „dritte Geheimnis“ von Fatima. Weder Lucia noch der Apostolische Stuhl haben das je bestätigt.

Auch ist es relativ leicht, die Absicht der Fälscher zu erraten. Hier handelt es sich gar nicht mehr um Sagenmotive, sondern um Stilübungen billiger Drohpropheten, auf die die eingangs zitierten Worte des fünften Laterankonzils nur zu genau zutreffen.

Geradezu skurril mutet ein Vorschlag an, man möge doch diese Botschaft-mit dem Stil der übrigen Botschaften der Gottesmutter vergleichen!

Wenn man aber auch noch einen Text verbreitet, wo es u.a. heißt: „Wenn die Menschheit sich nicht dagegen wehrt, werde ich gezwungen sein, den Arm meines Sohnes Jesus Christus fallen zu lassen; wenn die hohen Spitzen der Welt und der Kirche diesem Geschehen nicht in den Arm fallen, werde ich es tun …, “ geht es nicht mehr um eine Frage des Stils. Wer die Heilige Schrift (auch des Alten Testaments) kennt, wird Worte echter Offenbarung finden, die dieses Machwerk eindeutig widerlegen.

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