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Bio-Technik für die Gesundheit

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Zu einem Schulterschluß zwischen Medizinern, Naturwissenschaftlern, Technikern und Unternehmern auf internationaler Ebene soll es schon bald in Krems an der Donau kommen. Das neue Institut für Bioengineering und Lebenswissenschaften an der Kremser Landesakademie für Niederösterreich wird interdisziplinär und international für das Gesundheitswesen arbeiten.

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Zu einem Schulterschluß zwischen Medizinern, Naturwissenschaftlern, Technikern und Unternehmern auf internationaler Ebene soll es schon bald in Krems an der Donau kommen. Das neue Institut für Bioengineering und Lebenswissenschaften an der Kremser Landesakademie für Niederösterreich wird interdisziplinär und international für das Gesundheitswesen arbeiten.

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Vor wenigen Wochen erhielt das im Oktober des vorigen Jahres gegründete Institut, das als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wirken will, einen Aktionsbericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unter dem Titel TIDE, Technology Initiative for Dis-abled and Elderly People; es soll in die internationale Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet im Dienst für behinderte und ältere Menschen eingebunden werden.

„Die Umsetzung neuer Technologien in praktische Hilfsmittel zur Bewältigung des Alltages, eine Art Fernbetreuung dieser Menschen", bezeichnet der Leiter des Instituts, Peter Schütz, einen Schwerpunkt des umfängreichen Arbeitsprogrammes. Enge Kontakte bestehen bereits mit dem Anatomischen Institut der Universität Wien, der University of Stratchclyde in Glasgow, die auf diesem Gebiet langjährigeErfahrung besitzt, mit der Technischen Universität München und seit kurzem mit der EG.

Als Anfangsphase konnten bisher drei Laboratorien eingerichtet werden: für Elektronik, Computersimulation und Rehabilitation, Biochemie und Werkstoff-Forschung sowie für Biologie und Zellforschung.

Bioengineering, ein anglo-ameri-kanischer Fachausdruck, ist im mitteleuropäischen Sprachraum noch nicht klar definiert. „Es ist jedenfalls mehr als Medizintechnik", formuliert der in Glasgow ausgebildete Bioingenieur Schütz, „vielmehr handelt es sich um ein interdisziplinäres Fachgebiet mit Querverbindungen zu Medizin, Biologie, Chemie, Physik, Mathematik, Informatik, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau. Unser Institut hat die Aufgabe, aus diesen Wissensgebieten neue, praxisorientierte, kostengünstige Verfahren und Techniken sowie Einrichtungen für das Gesundheitswesen zu entwickeln. Dies umfaßt Vorsorge, Diagnose, Therapie, Rehabilitation und Fembetreuung."

Die Auswertung neuer Errungenschaften soll insbesondere auf dem Sektor der Assitive Technology, der Technologie, die alten und behinderten Menschen hilft, gefördert werden. Hier eröffnet sich auch ein wachsender Absatzmarkt, wird doch bis zum Jahr 2020 jeder vierte Europäer über 60 Jahre alt sein.

Ein Projekt, an dem derzeit gearbeitet wird, betrifft das Fernbetreuungssystem Care-man, in Anlehnung an den jedem Kind vertrauten Walk-man: „Wir verwenden absichtlich nicht das Wort Fernüberwachung, denn es soll mehr als das sein", erläutert Schütz. Das Gerät in der Größe eines Taschenrechners, das der zu Betreuende stets bei sich trägt, ist an ein Digitalnetz angeschlossen undkontrol-liert Werte wie Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzuckerund Mobilität.

Aufgrund dieser Daten kann schon vor dem Eintreten einer Krise ärztliche Hilfe mobilisiert werden. „Aber auch die Dynamik einer Krankheit kann genau verfolgt werden und liefert wertvolle Informationen für die Grundlagenforschung", erweitert Universitätsprofessor Wilhelm Firbass vom Anatomischen Institut der Universität Wien die Bedeutung des Projekts, an dem bereits japanische Unternehmen interessiert sind. Zwei Dissertanten, ein Mediziner und ein Techniker, arbeiten an einem anderen Projekt, bei dem es um die Erforschung elektromagnetischer Strahlen geht. Eine weitere Untersuchung soll die Bedingungen klären, unter welchen Wärme in das Innenohr eindringen kann.

Im Rahmen seiner Habilitationsarbeit untersucht A. Fuchs, ebenfalls vom Anatomischen Institut, die Dynamik des Kniegelenks. Es werden genaue Daten über Struktur, Faserzüge und Veränderungen während verschieden starken Belastungen der Kniebänder gesammelt und ausgewertet. Firbass: „Aus diesen Unterlagen sollen neue Operationstechniken entwickelt werden, die die Beweglichkeit des Knies voll erhalten."

Ein weiteres Arbeitsgebiet umfaßt die Entwicklung und Prüfung von neuen Materialien für Implantationen. Man bemüht sich dabei, möglichst ohne Tierversuche auszukommen. Die meisten Untersuchungen werden an Zellkulturen durchgeführt. Hauptproblem dabei ist, die Oberfläche des Implantats so „biologisch" zu gestalten, daß sie von der Körperabwehr nicht als fremd erkannt wird. Hand in Hand damit werden standardisierte Scree-ning-Tests für die neu entwickelten Materialien ausgearbeitet.

Direktwege für Medikamente

Drug-targeting ist ein weiteres Projekt, an dem interdisziplinär intensiv gearbeitet wird. Wie gelangt ein Medikament an jene Stelle, wo es gebraucht wird, ohne den Rest des Körpers zu beeinflussen? Ein in vielen Fällen noch ungelöstes Problem. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie vielfältig die Fragestellungen sind, die vom neuen Bioengineering-Institut bearbeitet werden. „Es soll eine Drehscheibe sein, die Forschungsergebnisse der Universitäten, anderer Forschungsstätten und eigene Beiträge an die Wirtschaft transferiert und anderseits Aufträge empfängt und interdisziplinär bearbeitet", sieht Institutsleiter Schütz das Ziel.

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