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Biosprit oder Ersatz für Dieselöl?

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Auf der einen Seite gibt es Überschüsse: Milch und Getreide, auf der anderen teure Importe von Futtermitteln und Erdöl. Eine Umorientierung der landwirtschaftlichen Produktion könnte beide Probleme stark verringern.

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Auf der einen Seite gibt es Überschüsse: Milch und Getreide, auf der anderen teure Importe von Futtermitteln und Erdöl. Eine Umorientierung der landwirtschaftlichen Produktion könnte beide Probleme stark verringern.

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Österreich ist seit einiger Zeit in der glücklichen Lage, sein Nahrungsmittelaufkommen zum überwiegenden Teil aus eigener Produktion zu decken. Seit Jahren kämpfen wir sogar damit, größere Getreide- und Milchproduktmengen auf dem Exportmarkt abzusetzen.

Es darf daher nicht verwundern, daß man intensiv nach Produktionsalternativen sucht, wobei den Interessenvertretungen immer wieder das „Biosprit-“ und das „Ölsaatenprojekt“ zur Diskussion stellen. Was spricht nun für das eine oder andere Projekt?

Durch das Biospritprojekt — Alkoholerzeugung aus pflanzlichen und damit nachwachsenden

Grundstoffen — könnte ungefähr eine Fläche von 100.000 Hektar auf neue Kulturarten umgewidmet werden. Gegenwärtig wächst auf dieser Fläche ein Getreideüberschuß, der auf dem Weltmarkt nur mit massiven Stützungen absetzbar ist.

Eine Alkoholbeimischung zum Benzin könnte in der Folge eine gewisse Reduktion beim Erdölimport bewirken, wobei aber beachtet werden muß, daß sich diese Maßnahme fast zur Gänze nur auf den Privatverkehrsbereich auswirken würde.

Das Olsaatenprojekt zielt einerseits auf den Ersatz der importierten Eiweißfuttermittel (ca. 400.000 Tonnen Olschrote) ab, die in der einheimischen Tierhaltung Verwendung finden. Andererseits kann aber das pflanzliche Ol — bei den ölschroten handelt es sich um ein Nebenprodukt der ölgewin- nung aus Ölsämereien (Soja, Sonnenblume, Raps etc.) — auch als Dieselersatz verwendet werden.

Erfolgversprechende Untersuchungen und Dauertests bezüglich der Eignung von Pflanzenölen heimischer Produktion liegen von hiesigen Institutionen vor. Dadurch könnte es zu einer Importverminderung sowohl auf dem Futtermittel- als auch auf dem Energiesektor kommen.

Angesichts der permanenten latenten Energiekrise und auf Grund des GATT, das eine reibungslose Verwirklichung des Olsaatenprojektes bis jetzt nicht ermöglichte, neigt man augenblicklich eher zum Biospritprojekt, zumal auch Gründe der besseren Umweltverträglichkeit des Alkohol-Benzingemisches ein zusätzliches Argument zur Hand geben.

Außerdem scheint durch den zur Diskussion stehenden fünfprozentigen Beimischzwang eine etwa gleich hohe Importverminderung auf dem Erdölsektor möglich. Überdies verfügt Österreich indirekt über fundamentales Know-how bei der industriellen Alkoholerzeugung aus landwirtschaftlichen Grundstoffen, ist es doch eine inländische Firma, die maßgeblich am brasilianischen PROALCOOL-Programm beteiligt ist.

Bei uns hört man jedoch nur die Erfolgsmeldungen über dieses Projekt. Kaum einmal aber werden Berichte über seine Schattenseiten laut. Das PROALCOOL- Programm hätte nämlich vordringlich zu einer Förderung der landwirtschaftlichen Gebiete des Landes führen sollen. Dessen ungeachtet kam es zu einer annähernd 25prozentigen Einkommensverschlechterung zuungun-

sten der Landbevölkerung.

Die Comissao Pastoral dos Pescadores des Erzbistums von Recife wendet sich sogar massiv gegen die direkte Beeinträchtigung vitaler Lebensinteressen der Bewohner in den unmittelbaren Einzugsgebieten der Biospritanlagen, weil durch diese die Nahrungsmittelgrundlage der ländlichen Bevölkerung der betroffenen Gebiete speziell auf dem Eiweißbereich nachdrücklich gemindert wurde.

Zudem ist der wirtschafts- und sozialpolitische Vorwurf der Kritiker nicht zu entkräften, daß der Alkohol zur Benzinbeimischung zum überwiegenden Teil dem Privatverkehr der Großstadtbevölkerung zugute kommt. Hingegen wird aber der öffentliche Bus- und Massenverkehr hauptsächlich mit dieselgetriebenen Fahrzeugen abgewickelt.

Es wäre daher in den Augen dieser Kritiker wesentlich sinnvoller, ein Produkt zu erzeugen, das Dieseltreibstoff ersetzt, weil dadurch den Interessen der größeren und ärmeren Bevölkerungsteile Rechnung getragen würde.

Ähnliche sozial- und wirtschaftspolitische Einwände, allerdings in speziellerer Art und Weise, gelten durchaus auch für Österreich, wenn man an die Nahrungsmittelproduktion, -aufbrin- gung und -Verteilung in etwaigen Krisenzeiten denkt.

Die einheimische Landwirtschaft verbraucht etwa fünf Prozent der Gesamtenergie Österreichs. Von dieser Menge entfallen rund 30 Prozent auf Dieseltreibstoff in der Grundproduktion. Im Falle eines konsequenten Olsaatenprojektes könnte es nun einerseits zu einer Selbstversorgung der Landwirtschaft mit Dieselsubstitut kommen, andererseits würde das als Nebenprodukt anfallende Ölschrot die Futtermittelimporte ersetzen.

Dadurch wäre eine zweifache Entlastung der Handelsbilanz möglich. Bei diesen Überlegungen muß auch noch die Tatsache berücksichtigt werden, daß bei der in Frage kommenden Kulturart - nämlich Olraps - die Öl- und Futterqualität auf Grund des Züchtungsfortschrittes in jüngster Zeit drastisch verbessert werden konnte.

Durch den vermehrten Anbau von Olraps würde es auch gemäß den Forderungen und Ratschlägen der Experten möglich sein, die zum Teil schon recht einseitigen Fruchtfolgen aufzulockern.

Welches Projekt letzten Endes in Österreich vorrangig verwirklicht werden wird, hängt sicherlich von der Gewichtung der Argumente und den wirtschafts- und insbesondere den sozialpolitischen Intentionen der zuständigen Institutionen ab.

Der Autor ist Mitarbeiter der Bundesanstalt für Pflanzenbau und Samenprüfung in Wien.

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