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Biospritgewinnung aus Inlandszucker

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Unter vielen möglichen Technologien kommt dem Projekt, aus der heimischen Erzeugung von Zuckerrüben Äthylalkohol zu gewinnen und damit Energie bereitzustellen, hierzulande besondere Bedeutung zu.

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Unter vielen möglichen Technologien kommt dem Projekt, aus der heimischen Erzeugung von Zuckerrüben Äthylalkohol zu gewinnen und damit Energie bereitzustellen, hierzulande besondere Bedeutung zu.

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Noch vor kurzem wurden Wissenschaftler, welche der energetischen Ausbeutung von Pflanzen eine bedeutende Zukunft prophezeiten, als realitätsferne Spinner belächelt. Unter dem Druck der ständigen Verteuerung von knapper werdenden fossilen Brennstoffen zeichnet sich jedoch ein rasanter Umschwung ab und man besinnt sich wieder auf das in der Natur schlummernde Energiepotential. Die theoretisch speicherfähigen Mengen an Kohlenhydraten aus Sonnenlicht sind tatsächlich gewaltig: Wie Prof. David 0. Hall bei einem Biomassesymposium in London kürzlich ausführte, speichern Pflanzen jedes Jahr das Zehnfache der Energie, die wir zur Zeit verbrauchen. Weil die landwirtschaftlich nutzbare Fläche aber nicht unbegrenzt zu vergrößern ist, konzentriert sich die Biomasse- Forschung daher auf die Züchtung und Verarbeitung spezieller Energiepflanzen- Pflanzen mit besonders hohem Hektarertrag an Zuk- ker, Stärke oder Zellulose.

Die wichtigsten Technologien, die zur Zeit erforscht werden, sind die direkte Verbrennung, die Pyrolyse (die Verkohlung organischer Materie ohne Sauerstoff), die Hydrovergasung (die Vergasung von Kohle mit Wasserstoff), die Hydrogenierung (die Reduktion organischer Materie mit Kohlenmonoxyd und Dampf zu einem Schweröl), die anaerobe Gärung (ein Gärungsprozeß ohne Sauerstoff) und die Hy-7 drolyse (die chemische oder enzymatische Spaltung von Zellulose und Stärke zu Zuckern). Der Hydrolyse kommt dabei hierzulande eine besondere Aktualität zu, da sie besonders für die Verwertung heimischer Energiepflanzen geeignet ist.

Wesentliches Kriterium aller heute diskutierten Biospritprojekte ist die positive Energiebilanz, d. h., daß für die aus der Pflanze zu gewinnende Energiemenge nicht mehr Primärenergie aufgewendet werden muß, als letztlich aus der Produktion zur Verfügung steht.

Das von der heimischen Zuckerindustrie verfolgte Projekt zeichnet sich vor anderen Projekten dadurch aus, daß der Rohstoff Zuk- kerrübe nicht so wie andere stärke- und zellulosehaltige Pflanzen erst mit teilweise beträchtlichem Energieaufwand verzuckert werden muß, bevor man mit Hilfe von Hefe daraus Alkohol produziert. Dadurch und durch die mögliche Nutzung der Kraft-Wärmekupplung in einer Zuckerfabrik ergibt sich der vergleichsweise hohe Wirkungsgrad von 70%.

Mit einer Flächenausbeute von mindestens vier Tonnen Alkohol pro Hektar liegt die Zuckerrübe von allen in unserem Klima wachsenden Pflanzen an der Spitze. Als besonderes Plus fällt dabei noch die vorhandene organisatorische, agrarische und industrielle Infra Struktur sowie die Tatsache, daß für eine Alkoholproduktion schon kurzfristig 20.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche zusätzlich mit Rüben bebaut werden könnten, Ins Gewicht. Daraus ließe sich allein schon eine 3,55-%ige Alkoholbeimischung zum österreichischen Bezinverbrauch (Basis: Absatz 1977) erreichen.

Diese „Schnapsidee“ hilft aber nicht nur der Zahlungsbilanz, weil dadurch weniger Devisen für teure Ölimporte ausgegeben werden, sondern auch der Luftreinhaltung. Äthanol ist durch seine hohe Oktanzahl ebenso als Antiklopfmittel geeignet wie das giftige Bleitetraäthyl, das über die Autoabgase in den Körper gelangt und im Gehirn den geregelten Fluß der Ionen stört: chronische Nervenschäden und eine Verminderung der Abwehrkraft sind die Folge. Kürzlich veröffentlichte Studien fanden bei Stadtkindern mit erhöhtem Bleigehalt in den Milchzähnen Verhaltensabnormitäten und einen um 4,5 Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten - ganz abgesehen davon, daß - wie man schon länger weiß - Blei bei Ratten Nierenkrebs erzeugt. Alles das könnte verhindert werden, wenn man dem Benzin ausreichend Alkohol beimischt.

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