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Bis alles zu spät ist

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Zum Unterschied von anderen Ländern hat sich bei uns die Insolvenzwelle abgeflacht. Der Trend zum Totalkonkurs wird weiter anhalten, vor allem bei Pri-vatschuldnern.

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Zum Unterschied von anderen Ländern hat sich bei uns die Insolvenzwelle abgeflacht. Der Trend zum Totalkonkurs wird weiter anhalten, vor allem bei Pri-vatschuldnern.

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Mit 1.023 gerichtlichen Insolvenzen in den ersten drei Quartalen 1984, gegenüber 1.265 im Vergleichszeitraum des Vorjahres verlief die Entwicklung heuer in Österreich ganz anders als in anderen Ländern.

In der BRD wurde mit rund 16.500 Ausgleichen und Konkursen ein neuer Rekord erreicht. 1983 gab es im ganzen Jahr nur 16.100 Insolvenzen.

In den USA grassieren die Bankenzusammenbrüche. Im heurigen Jahr mußten bereits 43 Geldinstitute die Zahlungsunfähigkeit anmelden, im Vorjahr waren es 48, wobei es sich vor allem um kleinere Regionalbanken handelte, die die Pforten schließen mußten. Dies war seit 1939 die höchste Zahl.

Heuer mußte auch erstmals eine Großbank verstaatlicht werden, um eine Zahlungseinstellung zu verhindern.

In Frankreich wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres 17.000 Konkurse und Vergleiche registriert, das waren um zehn Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und um 44 Prozent mehr als 1980.

In Österreich und in der Bundesrepublik sind die Privatkonkurse und die mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge besorgniserregend hoch. (Mangels Masse - Es ist keinerlei Vermögen, bewegliches oder unbewegliches, vorhanden, Anm. Red.). In der BRD werden bereits drei Viertel aller Konkurse mangels Masse abgelehnt. Die Privaten haben einen Anteil von 28 Prozent an der Gesamtzahl erreicht.

Während in Österreich am Rückgang der Gesamtzahl der Insolvenzen nunmehr doch deutlich die Erholung der Wirtschaft nach der Krise zutage tritt, sind die abgewiesenen Konkursanträge nur um acht Prozent auf 1.337 gesunken.

An gerichtlichen Ausgleichen wurden dreihundert Verfahren eröffnet (1983:337), wovon 140 in Anschlußkonkurse übergingen, das ist immerhin fast die Hälfte.

An Konkursen wurden in den ersten drei Quartalen heuer 856 Verfahren eröffnet, im Vorjahr waren es 1.084.

Die Insolvenzverbindlichkeiten sind allerdings nur geringfügig von 7,7 auf 7,5 Milliarden Schilling gesunken.

Welche Branchen waren nun in Österreich besonders betroffen? Bei den Großinsolvenzen (über zehn Millionen Schilling Passiva) findet sich an erster Stelle mit 29 Verfahren die Bau Wirtschaft. Von 2,4 Milliarden Schilling Gesamtschulden entfallen 1,7 Milliarden auf einen gemeinnützigen Wohnbauträger, nämlich die Allgemeine Heimstätten Genossenschaft mbH.

Mit zwanzig Verfahren und 600 Millionen Passiva folgt die Holzwirtschaft, an dritter Stelle stehen Maschinen, Metall und technische Artikel mit 18 Verfahren und 555 Millionen Schilling Schulden.

Die Zahl der von Firmenzüsam-menbrüchen betroffenen Mitarbeiter ist von 13.000 auf 9.000 gesunken. 1982 waren es sogar 20.000 Arbeitnehmer gewesen.

An der Gesamtzahl der Insolvenzen erreichten die Privaten heuer einen Anteil von 14,8 Prozent. Zum Vergleich: 1982 waren es im ganzen Jahr 13 Prozent. Obwohl die Zahlen für die abgewiesenen Konkursanträge noch nicht vorliegen, sind auch sie zweifellos im Steigen begriffen. Was sind die Gründe? Vor allem ein hoher Fremdmittelanteil von vornherein. Die vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners, sind bereits mit Krediten „verpflastert". Die Insolvenz wird erst angemeldet, wenn schon alles zu spät ist.

Man muß jedoch zugeben, daß

mit den abgewiesenen Konkursanträgen, teilweise echter Mißbrauch betrieben wird. Man will sich auf diese Weise seiner Schulden entledigen. So genügt etwa ein abgewiesener Konkursantrag, um die Dienstnehmerforderun-gen aus dem Insolvenzentgeltsicherungsfonds (von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gespeister Fonds) regeln zu können.

Weit mehr als die Hälfte der Insolvenzen entfallen auf die Geschäftsgründungen nach 1970, 28 Prozent auf Gründungen nach 1979. Vor allem junge Betriebe trifft die Zahlungsunfähigkeit.

Die Gründung einer Firma wird oft mit einem Optimismus angetreten, über den man im nachhinein nur den Kopf schütteln kann; nicht selten unter ausschließlicher Fremdkapitalverwendung.

Vor allem in den besonders gefährdeten Klein- und Mittelbetrieben herrscht oft „Management durch Improvisation" vor. Das betriebliche Rechnungswesen als Führungsinstrument wird selten erkannt.

Ähnliches gilt in noch kleinerem Rahmen für die Privatschuldner, wo ebenfalls oft Maßnahmen erst ergriffen werden, wenn es zu spät ist und kaum mehr eine Rettungsaussicht besteht.

Seit Anfang 1983 gibt es ein neues Insolvenzrecht, das die Erwartungen jedoch nur teilweise erfüllt hat. Immerhin wurden die Konkursklassen und ein Teil der Ausgleichsvorrechte (für bestimmte Gläubigergruppen) beseitigt. Das neue Vorverfahren soll der Vorbereitung einer Sanierung dienen. Trotzdem, wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren, und wo keine „freien" Vermögenswerte vorhanden sind, ist es kaum möglich, liquide Mittel zu beschaffen. Auch die Fort-führungsgarantie wurde bisher nur in wenigen Fällen, wenn, von Geldinstituten abgegeben.

Klaus Hierzenberger ist Leiter des österreichischen Kreditschutzverbandes von 1870.

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