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Bischöfe am Scheideweg

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Daß es im deutschen Katholizismus seit geraumer Zeit kriselt, ist eine bekannte Tatsache. Die fiebrigen Erscheinungen sind zu offenbar, als daß sie geleugnet werden könnten. Das religiöse Leben und die kirchliche Bindung der deutschen Katholiken haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil enorm nachgelassen. Der Kirchenbesuch geht rapide zurück. Die Abfälle im Klerus sind höher denn je zuvor. Die Lage des Priesternachwuchses ist denkbar ungünstig. In kaum einer wesentlichen Frage des Glaubens und des Lebens besteht noch Einigkeit unter den deutschen Katholiken. Es gibt kaum eine Erklärung der deutschen Bischöfe, der nicht eine gegenteilige Stellungnahme rebellierender Theologen auf dem Fuße folgt.

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Daß es im deutschen Katholizismus seit geraumer Zeit kriselt, ist eine bekannte Tatsache. Die fiebrigen Erscheinungen sind zu offenbar, als daß sie geleugnet werden könnten. Das religiöse Leben und die kirchliche Bindung der deutschen Katholiken haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil enorm nachgelassen. Der Kirchenbesuch geht rapide zurück. Die Abfälle im Klerus sind höher denn je zuvor. Die Lage des Priesternachwuchses ist denkbar ungünstig. In kaum einer wesentlichen Frage des Glaubens und des Lebens besteht noch Einigkeit unter den deutschen Katholiken. Es gibt kaum eine Erklärung der deutschen Bischöfe, der nicht eine gegenteilige Stellungnahme rebellierender Theologen auf dem Fuße folgt.

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Indes ist kaum eine mißliche Lage denkbar, die nicht noch ärger werden könnte. Alle Zeichen sprechen dafür, und zwar in der Hauptsache durch die Schuld der Bischöfe. Ich meine die von ihnen ins Leben gerufene sogenannte Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Die deutschen Bischöfe haben sich zum großen Teil zwar ungern zu ihr entschlossen, aber es ist nicht daran zu rütteln, daß sie nachgegeben und ihre Einberufung beschlossen haben. Die widerstrebenden Bischöfe sehen heute ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Denn die sogenannte Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik droht die Krise zur Katastrophe zu treiben. Auf ihr gibt der liberale, sterile Teil des deutschen Katholizismus den Ton an. Unter den Synodalen sind Leute, die mehr oder weniger offen die Ordnung der Kirche bekämpfen, ihre Sittenlehre (in verschiedenem Umfang) ablehnen und zumindest Teile des katholischen Glauibens leugnen. Die bewährten, treuen Katholiken kommen ihnen gegenüber nicht zum Zug. Denn sie sind eine Minderheit, sie verfügen nicht über die Schützenhilfe „namhafter“ Theologen, ihnen steift keine mächtige Presse den

Rücken. Zudem ist noch nicht allen von ihnen klargeworden, worum es heute in der Kirche eigentlich geht und was auf dem Spiel steht. Allzugern lassen sie sich noch von bischöflichen und nichtbischöflichen Verharmlosern vorreden, es sei alles nicht so schdimm, man habe eben jetzt den Pluralismus und im Protestantismus sei es auch nicht besser. Indes sind diese Beschwichtigungen genausoviel wert wie die beruhigenden Erklärungen, die man in Deutschland und in der Welt in den Jahren nach 1933 über einen Mann namens Adolf Hitler hören konnte. Die Vorlagen, die man im Mai auf den Tisch der Synode legen wird, sprechen eine eindeutige Sprache. Sie sind aus dem entscheidenden Progressismus erwachsen, kehren das Unterste in der Kirche zuoberst, zerstören die Ordnung, institutionalisieren das Chaos, ja stehen teilweise in offenkundigem Widerspruch zu den Lehraussagen der Kirche.

Fraktionen der Bischofskonferenz

Damit richtet sich der Blick auf das halbe Hundert deutscher Bischöfe, das an der Synode teilnimmt. Wie werden sie reagieren? Werden sie die glaubemswidrigen und zersetzenden Vorlagen vom Tisch fegen? Oder werden sie, unter Abschwächungen verbaler Art, ihre Zustimmung geben, wie sie in den letzten Jahren oft und oft im Ungehorsam geschaffene Einrichtungen und Zustände sanktioniert haben? Die Antwort muß differenziert ausfallen. Die Deutsche Bischofskonferenz ist keine Einheit mehr, wie sie noch vor wenigen Jahren in gewissem Sinn eine Einheit war. Sie zerfällt heute in Fraktionen, die sich in dem Maße artikulieren, als das Unheil des Kurses, den der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Döpfner, steuert, greifbar wird. Bekanntlich steht dieser seit sechs Jahren an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Zeit ist es mit der katholischen Kirche in Deutschland ständig bergab gegangen. Der Progressismus, dem Döpfner verpflichtet ist, entpuppte sich als ein hohles Gebilde, dem es an geistlicher Kraft mangelt. Döpfner hat ihm zu Macht und Einfluß verholten wie kein anderer Bischof in Deutschland. Als eine Art deutscher Alfrinik bemühte er sich, in Deutschland holländische Verhältnisse zu schaffen. Das ist ihm unbestreitbar bis zu einem gewissen Grad auch gelungen. Aber nur ein Teil der Deutschen Bischofßkonferenz ist heute noch bereit, ihm auf diesem abschüssigen Weg zu folgen, etwa Tenhumberg in Münster, Kempf in Limburg (sofern er nicht krank oder auf Kur ist) und vor allem der Münchner Wedhbischof Tewes und noch ein paar andere. Bei der Mehrzahl der deutschen Bischöfe kann Döpfner für einen progressistischen Kurs nicht mehr auf Gefolgschaft rechnen. Zwar wurde er wieder zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt, wie es sein brennender Ehrgeiz begehrte. Aber dieses Wahlergebnis besagt nicht die Zustimmung zu seiner Einstellung, sondern nur die Anerkennung seiner unbe-zweifelbaren Befähigung zum Management. Nun sind die außerhalb der Döpfner-Fraktion stehenden Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz allerdings keine festgefügte Mannschaft. Eine starke Gruppe von Bischöfen widerstrebt dem progressistischen Kurs Döpfners entschieden. Es sind jene mutigen, aber auch geistig selbständigen Persönlichkeiten, die sich um den gelehrten Erz-bischof von Köln, Kardinal Höffner, sammeln. Aus Gutmütigkeit und Solidarität haben sie bisher manches von dem hingenommen, was die pro-greasisrische Partei — unter Heranziehung völlig einseitig ausgewählter „Experten“ — durchgesetzt wissen wollte. Allmählich ist jedoch ihre Geduld erschöpft. Sie besinnen sich auf ihre Verantwortung. Sie werden auch auf der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland nicht schweigen. Aber sie wissen auch, daß sie einen schweren Weg gehen müssen. Denn sie ziehen den Haß des organisierten Progressismus auf sich. Schon mehrfach in der Vergangenheit haben sie Anpöbeleien der SOG-Priester, Anwürfe von Leuten wie Küng und Greinacher, sowie die Hetze des linken Press ekartellß erfahren. Wer sich der Zersetzung entgegenstemmt, muß heute im deutschen Katholizismus gewärtigen, verunglimpft zu werden. Nun sind die meisten Bischöfe nicht gerade zum Heroismus geboren. So nimmt es nicht wunder, wenn es in der Deutschen Bischofs-konferenz eine breite dritte Gruppe von Bischöfen gibt, die meint, in der “Mitte zu stehen, weil sie Unentschie-denheit mit Ausgeglichen/heit verwechselt. Diese Bischöfe neigen bald nach dieser, bald nach jener Seite. Für die Abstimmungen in der Synode wird es darauf ankommen, sie aus Furcht und Lethargie aufzurütteln.

Wie immer aber nun auch die Zahlenverhältnisse sein mögen, so muß angesichts der starken Spannungen innerhalb der Deutschen Bischofskonferenzen mit Überraschungen auf der Synode gerechnet werden. Aus Erwägungen der Klugheit und der Brüderlichkeit und im Hinblick auf den Papst werden die Bischöfe, die an Lehre und Ordnung der Kirche festhalten, auch diesmal dem progressistischen Flügel so weit wie möglich entgegenzukommen suchen. Aber eine gewisse Grenze werden sie nicht überschreiten. An bestimmter Stelle werden sie sagen: Bis hierher und nicht weiter. Dann steht Döpfner mit seinem Anhang endgültig am Scheideweg. Entweder er fügt sich der besseren Einsicht und weigert sich, die Hand zur weiteren Zerstörung des deutschen Katholizismus zu bieten. Dann endet die Synode vermutlich mit einem Eklat, weil die radikalen Progressisten ausscheiden. Oder Döpfner und seine Gefolgschaft gehen den Weg des Opportunismus und der VerMeisterung weiter. Dann bricht möglicherweise die Deutsche Bischofskonferenz auseinander. Beides wäre nicht au fürchten. Das eine wie das andere könnte der Beginn der längst überfälligen Reinigung und Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland sein.

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