6970873-1985_29_06.jpg
Digital In Arbeit

Bischof Kung Pin-meis befremdliches Bekenntnis

Werbung
Werbung
Werbung

Während in Rom gerade große Erwartungen in die angekündigte China-Reise des Direktors der Vatikanischen Sternwarte gesetzt werden, haben zwei Meldungen der Pekinger Nachrichtenagentur „Neues China” dieser Tage die Aufmerksamkeit der katholischen Welt auf die Volksrepublik China gelenkt und allgemeine Skepsis, Sprachlosigkeit und Erschütterung ausgelöst.

Der noch von Papst Pius XII. ernannte Bischof Ignatius Kung Pin-mei (Gong Pinmei), Symbol der Treue zum Heiligen Stuhl und des kompromißlosen Widerstandes gegen den vom kommunistischen Regime erzwungenen Abfall von Rom, sei — nach dreißigjähriger Gefangenschaft! - auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem er „seine Verbrechen zugegeben und Reue gezeigt” hätte.

Unmittelbar nach seiner am 3. Juli von einem Gericht in Shanghai verfügten Freilassung habe der 84jährige den Ring des 1960 „gewählten” regimetreuen Bischofs Aloysius Zhang Jiashu geküßt und sich damit unter dessen kanonische Leitung gestellt. Gleichzeitig habe Kung gelobt, sich aller Kontakte „politischer, organisatorischer und finanzieller” Natur zum Vatikan zu enthalten.

Zhang, Vorsitzender des staatlich anerkannten Bischofskollegiums und Oberhirte der Diözese Shanghai, die nach Angaben der Behörden rund 100.000 Gläubige zählt, hätte überdies den Gnadenakt an dem wegen „Hochverrats” zu lebenslänglicher Haft Verurteilten als Ausdruck der „Nachsicht und Menschlichkeit der Regierung” gewürdigt. Kung selbst hätte seinen Glaubensbrüdern für die Vergebung seiner

„Verbrechen” gedankt.

Solche Berichte können nicht überzeugen, galt doch Bischof Kung geradezu als lebender Beweis für die Existenz einer Katakombenkirche in China, die nicht willens ist, von ihrem Christentum Abstriche zu machen, um von der kommunistischen Staatsmacht geduldet zu werden.

Nach Darstellung der „Patriotischen Vereinigung chinesischer Katholiken”, deren Gründung er sich in den fünfziger Jahren so standhaft zu widersetzen versuchte, hätte Kung nun „eingesehen, daß er sich schuldig gemacht hat, indem er die Kommunistische Partei Chinas, die Volksregierung und die Kirchenreform bekämpfte”.

Daß der Oberhirte-der seit seiner Verhaftung (zusammen mit 21 Priestern, 38 Theologiestudenten und über 300 Laien) in der Nacht zum 9. September 1955 in Shanghai, schlimmsten Schmähungen der kommunistischen Propaganda gegen „die konterrevolutionäre Clique des Kung Pin-mei” zum Trotz, unbeugsam geblieben war — nach drei Jahrzehnten Kerker, Arbeitslager und „Umerziehung” schließlich doch noch das „Martyrium der Lüge” auf sich nimmt und als politisches Werkzeug mißbraucht wird, ist schwer vorstellbar.

Vielmehr läßt sich erahnen, wie weit der Betroffene nach dem erlittenen moralischen und physischen Zwang noch fähig ist, als freier Mensch zu sprechen und zu handeln...

Gleichzeitig wurde in Peking alles getan, um auch nicht den geringsten Verdacht eines Entgegenkommens gegenüber dem Heiligen Stuhl aufkommen zu lassen. Die Erklärung des Amtes für Religionsangelegenheiten beim Staatsrat zu der „bedingten” Freilassung Kungs stellt unmißverständlich klar, daß die Maßnahme keinesfalls als Geste des guten Willens gegenüber dem Papst ausgelegt werden darf.

Kungs Name ist untrennbar mit dem Kampf gegen die 1951 nach der Ausweisung von Nuntius Antonio Riberi lancierte „Reformbewegung der dreifachen Autonomie” verknüpft, die zur Loslösung der „patriotischen” Hierarchie von Rom führte.

Die „drei Autonomien” („Selbsterhaltung, Selbstverwaltung, Selbstverbreitung”), die auf die eigenmächtigen Weihen von „gewählten” Bischöfen und damit auf Nichtanerkennung der Jurisdiktion des Heiligen Stuhls hinausliefen, wurden von Pius XII. als schismatisch verurteilt.

Nach dem Versuch, die christlichen Glaubensgemeinschaften während der „Kulturrevolution” völlig zu vernichten, kam es im Zuge der Umwälzungen Ende der siebziger Jahre zu einer radikalen Abkehr von den unkontrollierten antireligiösen Exzessen und bald darauf zur Wiederbelebung der protestantischen und katholischen Nationalkirchen - wobei diese Kirchen staatlicherseits keineswegs als geschlossene Organisation mit bestimmten rechtlichen Formen und hierarchischen Strukturen anerkannt werden.

Als „Patriotische Vereinigungen” von Gläubigen, deren führende Repräsentanten als Abgeordnete im Volkskongreß und in der Politischen Konsultativkonferenz sitzen, werden sie im Rahmen der volksdemokratischen Einheitsfront von der Regierung voll und ganz für die Zwecke der „Modernisierung” eingespannt.

Atmosphärischer Wandel

Abgesehen von den Auswirkungen des einzigartigen atmosphärischen Wandels seit dem Ende der Mao-Ära dürfte für die Mäßigung der neuen Religionspolitik die Erkenntnis den Ausschlag gegeben haben, daß neben dem Islam und dem Buddhismus auch die christlichen Kirchen als . Instrument für die außenpolitische Öffnung von Nutzen sein könnten.

Auch haben die Öffnung und Instandsetzung einer Anzahl von Gotteshäusern mit wohlwollender Unterstützung des Staates und die Errichtung mehrer geistlicher Lehranstalten ihre Wirkung auf so manchen westlichen Besucher selbst von Regierungsrang nicht verfehlt.

Daß die vom offiziellen Klerus geforderte uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem Staat und der Partei (die nach den Worten des Pekinger patriotischen Bischofs Michael Fu Tieshan „unterstützt werden muß, weil sie die Grundsätze der Bergpredigt verwirklicht”) mit dem christlichen Glauben in Konflikt geraten könnte, wird dabei oft nicht in Betracht gezogen, sollte aber vor einem bevorstehenden österreichischen Staatsbesuch in Peking (mit möglicher Gottesdienstteilnahme in der Nantang-Kirche) vielleicht doch auch in Erinnerung gerufen werden.

Durch spektakuläre Reisen hoher geistlicher Würdenträger, die Peking als Gewinn für sich buchen kann, wird im Lande gezielt der Eindruck erweckt, daß der Westen die dem Regime ergebenen offiziellen Kirchenleitungen unterstützt.

So blieb es dem anglikanischen Primas und Erzbischof von Can-terbury, Robert Runcie, vorbehalten, sich während seines China-Besuches in unkritischem Eifer als „Vermittler” zwischen Peking und dem Vatikan anzubieten, um dann von seinen unversöhnlichen Gastgebern erfahren zu müssen, daß sie Kontakte zu „einer weltlichen Macht, die politische Ziele verfolgt”, nach wie vor strikt ablehnten.

Der französische Kardinal Roger Etchegaray vertrat nach seiner China-Reise im Jahr 1980 unumwunden die Auffassung, daß die offizielle patriotische Kirche sehr wenig Rückhalt bei den -nach Angaben der Regierung dreieinhalb Millionen — Gläubigen habe. Gegenüber der „schweigenden” Kirche zeigt sich das Regime aber weiterhin unerbittlich. Nach Berichten von amnesty international wurden noch 1981 mindestens zehn dem Vatikan treue Priester verhaftet und eingekerkert.

Der Autor ist außenpolitischer Redakteur der APA und war 1973/75 österreichischer Austauschstudent in Peking.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung