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Bischofswahl durch alle?

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Daß Bischöfe gegen den Willen des Volkes ernannt werden, erscheint heute normaler, als daß das Volk ihrer Ernennung zustimmen muß. Früher war es genau umgekehrt.

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Daß Bischöfe gegen den Willen des Volkes ernannt werden, erscheint heute normaler, als daß das Volk ihrer Ernennung zustimmen muß. Früher war es genau umgekehrt.

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Welche Rolle kann die Ortskirche bei der Bestellung eines Bischofs spielen? Diese grundsätzliche Frage steht hinter der derzeitigen heißen Diskussion darüber, ob der Österreich-Vikar der umstrittenen Vereinigung „Opus Dei“, Klaus Küng, Nachfolger des Feldkircher Diözesanbischofs Bruno Wechner werden soll.

Die kirchenrechtliche Situation ist in Feldkirch wie in fast allen österreichischen Diözesen. Der

Papst kann bei einer Bischofsernennung (FURCHE 22/1985) frei-sogar unabhängig vom obligaten Dreiervorschlag des Nuntius — entscheiden. Der durch ein päpstliches Dekret von 1972 und das neue Kirchenrecht von 1983 (Codex Iuris Canonici/CIO vorgeschriebene Informationsprozeß in der Diözese — einige Würdenträger muß der Nuntius um ihre Meinung fragen, einen weiteren Personenkreis kann er befragen — kann dabei völlig unberücksichtigt bleiben.

Genau hier haken nun die Kritiker ein: In Wien habe der Papst einen Bischof ernannt, der sicher nur von einer winzigen Minderheit als Kandidat präsentiert worden sei (die vom Nuntius Befragten durften einander nicht sagen, wen sie vorgeschlagen hatten, nur, wen sie nicht vorgeschlagen hatten), nun werde in Vorarlberg anscheinend der gleiche Weg beschritten. Wozu habe man dann überhaupt so viele Meinungen eingeholt?

Die Vorarlberger haben zudem in ihrer alemannischen Nachbarschaft eine besondere kirchenrechtliche Situation vor Augen. In den drei Schweizer Diözesen Chur, St. Gallen und Basel darf das jeweilige Domkapitel den neuen Bischof frei wählen; dieser muß nur vom Papst bestätigt werden. In der Schweiz werden auch Pfarrer von den Gläubigen gewählt.

In Österreich genießt nur Salzburg ein gewisses Privileg: Das

Domkapitel darf aus einem Dreiervorschlag des Papstes den neuen. Erzhischof küren. Ähnlich ist die Situation in mehreren deutschen Diözesen, wobei der Heilige Stuhl kürzlich in einem Fall diese Abmachung durch eine „Hintertür“ (die man auch in Salzburg fürchtet und die sicher nicht dem Geist einer solchen Abmachung entspricht) umging: Dem Bischof von Osnabrück wurde — ohne das Domkapitel zu fragen — ein Koad-jutor mit dem Recht der Nachfolge zur Seite gestellt.

Wenn unlängst auf der österreichischen Pastoraltagung in Wien-Lainz die mehr als 200 Teilnehmer dafür plädierten, bei einer Bischofsbestellung die Ortskirche nicht zu übergehen, war dies sicher durch die Feldkirch-Nachfolge-Diskussion begründet. Aber das Unbehagen darüber, daß die Ortskirche vor Bischofsernennungen meist stimmlos und danach mitunter sprachlos ist, schwelt schon länger.

Denn bis ins Mittelalter wurde ein neuer Bischof — auch der von Rom — von Klerus und Volk gewählt — mit durchaus positiven Ergebnissen (wie Ambrosius oder Augustinus). Erst später kämpften immer kleiner werdende Klerikergremien, zuletzt die Domkapitel, und weltliche Machthaber um das Recht der Bischofsbestellung, wobei das Volk noch einige Zeit „zustimmen“ mußte. Erst im Lauf des letzten Jahrhunderts erhielt der Papst (noch 1903 war

auch die Papstwahl Gegenstand einer weltlichen Intervention) die Schlüsselrolle bei der Neubesetzung von Bischofssitzen.

Mit Recht stellt daher der Luzerner Theologe Alois Müller fest: „In der Frage der Bischofsbestellung ist dogmatisch nichts präju-diziert und hat ein dezentraler Modus dogmatisch gleich viel Chancen wie die heute meistverbreitete direkte Ernennung durch den Papst.“ („Diakonia“, Heft 3/ 1986)

Modelle einer stärkeren Einbindung der Ortskirche, auch der Laien, in das Verfahren der Bischof sernennung sind vorhanden. Auch die österreichische Pastoralkommission hat nicht veröffentlichte Vorschläge dazu für die österreichische Bischofskonferenz erarbeitet.

Solche Modelle gehen meist dahin, daß ein qualifiziertes diöze-sanes Gremium — das über das Domkapitel hinausgeht und eventuell auch Laienvertreter umfaßt —, eine Kandidatenliste erstellt, aus der der Heilige Stuhl seine Wahl treffen muß, oder — so die am weitesten gehenden Vorschläge — nur einen Kandidaten wählt, den der Papst bestätigen oder ablehnen kann.

Die direkte „Bischofwahl durch alle“ wird wohl Utopie bleiben, aber eine indirekte Beteiligung des gesamten Volkes Gottes sollte bei genügend Vertrauen in die Mitwirkung des Heiligen Geistes irgendwann möglich sein.

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