7074564-1993_13_15.jpg
Digital In Arbeit

BLASSER GLANZ & LEUCHTENDES ELEND

19451960198020002020

Zum Thema Landesausstellungen fallen mir spontan zwei Aphorismen des großen, hierzulande leider noch kaum bekannten kolumbianischen Denkers Nicolas Gömez Dävila ein: „Die geschwollene Rede des Boten ist gewöhnlich proportional zur Belanglosigkeit seiner Botschaft." Und: „Nur die .Melancholie der Ruinen' wird eines Tages diese neuen Konstruktionen entschuldigen können."

19451960198020002020

Zum Thema Landesausstellungen fallen mir spontan zwei Aphorismen des großen, hierzulande leider noch kaum bekannten kolumbianischen Denkers Nicolas Gömez Dävila ein: „Die geschwollene Rede des Boten ist gewöhnlich proportional zur Belanglosigkeit seiner Botschaft." Und: „Nur die .Melancholie der Ruinen' wird eines Tages diese neuen Konstruktionen entschuldigen können."

Werbung
Werbung
Werbung

Glanz und Elend besagter Großveranstaltungen lassen sich nämlich im Grunde schon an diese beiden Scholien festmachen. Schließlich ist es der quasi imperiale Gestus, welcher mit solchen Expositionen einherzugehen pflegt und sich naturgemäß mit der politischen Sonntagsrede verbindet. Solches Gerede verkündet gemeinhin hartnäckig die „kulturelle Breite" des Landes oder gar dessen ganze Identität.

Diese pralle Selbstdarstellung einer Politiker- und Beamtenkaste feiert sich im festlichen Eröffnen auf Schlössern oder Burgen und sonstigen Ausstel-lungsgeländen, hat also noch einen landesherrlichen Abglanz von einst aufzuweisen. Nur ganz so beliebig waren jene Schauen aus dem 19. Jahrhundert denn doch wieder nicht! Landwirtschaftliche Mustermessen und Kunstexpositionen waren es, später gar Weltausstellungen (etwa Paris oder Wien), die dem imperialen Schein Genüge tun sollten. Immerhin erwuchsen aus ihnen wichtige Anstöße für Kunsthandwerk, Technik und die ethnographische Forschung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren, was die überregionale Identitätsstiftung anbelangte, wohl manche Defizite spürbar geworden. Einige Bundesländer schlössen an die alten Traditionen wieder an; in der Steiermark gab es die erste eigentliche Landesausstellung bereits im Jahr 1959. Bezeichnenderweise war dies eine Erzherzog-Johann-Gedächtnisausstellung. Seitdem wurden diese zunächst gar nicht so publikumswirksamen Schauen im Mehrjahresrhythmus abgeführt. Die Themen reichten vom Bauerntum bis zur Landesliteratur. In den achtziger Jahren schien es eine auch ökonomische Überlegung gewesen zu sein, die Landesausstellungen sozusagen alljährlich zu exekutieren. Ab 1986 ging's daher erst so richtig los damit!

Das Elend war allerdings schon vorher eingezogen. Politische Freunderlwirtschaft, „kollegiales" Hickhack unter Ausstellungsmachern, die periodisch wiederkehrenden Enttäuschungen des Publikums, - und natürlich auch unter den Mitarbeitern-, im Stich gelassene Ausstellungsorte und -re-gionen mitsamt den fast schon üblichen Ausstellungsruinen (renovierte Fassaden und Säle garantieren längst noch kein aufblühendes kulturelles Leben!) sind ein immer noch anschwellendes Ärgernis. Bezeichnenderweise geistern jedoch die handsamen Phrasen vom kulturellen Auftrag bis hin zur sogenannten Umwegrentabilität immer wieder aufs neue durch die Amts- und Gelehrtenstuben. Und natürlich muß hier angemerkt werden, daß ähnliche Probleme und Sottisen auch in anderen Bundesländern mehr oder weniger verschieden gewichtet auftreten.

Wird schon das jeweilige Generalthema nur zu oft von örtlichen politischen Mandataren an die Verantwortlichen (in der Regel ist dies zuvorderst der Landeshauptmann) „herangetragen", so macht sich alsogleich ein nicht eben gerade immer professionell agierendes amtliches „Kulturmanagement" darüber her, das heißt, daß ein wissenschaftlicher Leiter (oder mehrere) und das Architektenteam bestellt werden. Leider sind es öfters dieselben Wissenschaftler, nur Architekten beziehungsweise Gestalter wechseln, was andererseits wieder Unheil bedeuten kann. Die gleichen Mitarbeiter nämlich garantieren für die in ihren Grundstrukturen oftmals nur zu ähnlichen Schauen mit dem schon Gähnen evozierenden, £instund Jetzt-Schema". Auch manche Objekte werden dem Publikum mehrmals vorgesetzt, da größere Museen und sonstige Leihgeber - nicht selten zu Recht -der konservatorischen Obsorge nicht ganz trauen mögen. Außerdem ist die in der Regel alte, eben sanierte Bausubstanz in dieser Hinsicht ein kaum zu unterschätzendes Hindernis. Vielfach fehlt es auch am ernsthaften und koordinierten Umgang mit den Leihgebern.

Die Gestalter, sprich Architekten, durch recht überzogene Honorare angelockt, lassen sich viel zu selten auch tatsächlich auf das Thema ein. Das vermißte Einfühlungsvermögen wird dann durch umso avantgardistischere Lösungen wettgemacht; es entstehen Ausstellungen gegen das gezeigte Objekt, gegen die darzustellende Zeit. Um „Spannung zu erzeugen" (die Ausrede aller Unsensiblen!) werden viele Stilbrüche begangen, und eine mangelnde Präsentationstechnik (überhandnehmende „Inszenierungen", falsche Objektträger, Lichtführung und Farbgestaltung und so weiter) setzen der ganzen Sache nicht eben ein großes Licht auf. Kurz, am Wissen, historisch-gesellschaftliche Prozesse zureichend visualisieren zu können, herrscht ziemlicher Mangel.

Ist der „breiten Masse" - die oftmals getürkte Besucherstatistik pflegt solches gelegentlich zu unterstreichen - eine derartige Popularisierung mit Holzhammermethoden und peinlichem Schwarzenegger-Touch wirklich willkommen? Mitnichten, denn gerade die letzte Landesausstellung zum Thema Barock auf Schloß Trautenfels hat in bezug auf ihre höchst fragwürdige gestalterische Umsetzung gezeigt, daß sich die „geographische" Ausrede nicht aufrechterhalten läßt. Die mangelnde Qualität hatte sich nämlich im Publikum sehr wohl rasch herumgesprochen. So 1 ange j edenfal 1 s der Landesregierung das Primat der Wissenschaft (fast) nichts gilt, solange scheint der Rat, die ganze Sache doch lieber gleich der Fremdenverkehrswirtschaft zu übertragen, gar nicht so abseitig oder zynisch zu sein. Wenn weiters ein Kulturreferat etwa die an sich löbliche Interdisziplinari-tät dahingehend auslegt, daß man Wirtschaftswissenschafter mit literarischen, Juristen hingegen mit religiösen Projekten betraut, ist damit eigentlich schon genug gesagt.

Außerdem sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die Verantwortlichen in schönster Regelmäßigkeit in ein zeitliches wie organisatorisches Chaos hineintaumeln und darum allzuviel improvisieren müssen. Gerade aber die Ausstellungsarbeit setzt nicht irgendeine sich genialisch gelierende Huberei voraus, sondern verlangt nach Seriosität und geordneter Planung. Leider tun die von Jahr zu Jahr umfangreicher werdenden Begleitkataloge ein übriges dazu, die Konfusion voranzutreiben. Abgesehen davon, daß Expositionen ihrem Wesen nach keine zu literarisierenden Veranstaltungen sein können, sollte ein Katalog eben kein dickleibiges Lesebuch, sondern ein Kurzkommentar zum Gezeigten beziehungsweise eine Beschreibung der präsentierten Objekte sein.

Daß Landesausstellungen auch weiterhin ein Exerzierfeld für Dilettantismus und Eitelkeiten bleiben können, dafür garantieren ganz offenbar die schon angedeuteten landesherrlichen Wünsche und Motive. Diverse nachgeordnete Ämter mit ihren „Profis" an den Schaltstellen wiederholen die Fehler bis zum Überdruß. Und das massenmediale Getö-ne, die zumindest teilweise geschwollene Hofberichterstattung der Lokalpresse, trägt nicht unerheblich zum Wirklichkeitsverlust bei den Verantwortlichen bei. Erst die tatsächliche Inkongruenz zwischen dem kulturellen Anspruch und der eingangs zitierten „Belanglosigkeit seiner Botschaft" hinterläßt die durchaus auch metaphorisch aufzufassende „Melancholie der Ruinen".

Man sehe sich die Landesausstellungsorte nachher an: Spuren der Kirmes, Reste des Volksauflaufes bleiben immerhin für gewisse Zeit noch kennbar-und die Resignation in den Köpfen der Veranstalter.

Eine derartige Fundamentalkritik an einem kulturell sein wollenden Konsumismus verlangt sicherlich auch nach dem Aufzeigen von Alternativen. Einmal abgesehen davon, daß allmählich jedem Bundesland die Themen für solche zirkusartigen Großunternehmungen abhanden kommen müssen, wäre auch die oft verlangte Wiedereinführung einer mehrjährigen Pause einigermaßen sinnlos. Landesausstellungen haben sich einfach abgenützt, sind historisch gesehen überholt. Die beträchtlichen finanziellen Mittel wären weitaus besser in einer dezentralen Kulturförderung bisher bestimmter Regionen einzusetzen. Landes-, Regional- und Ortsmuseen sowie sonstige Institutionen und Initiativen hätten diese Unterstützung vermutlich nötiger.

Vor allem sollte endlich damit aufgehört werden, die mündige Bevölkerung mit einer allgemeinen Vernut-zung der Landeskultur zu traktieren, noch dazu wenn diese mit so schlech-•tem Geschmack präsentiert wird. Kunst und Kulturgeschichte lassen sich eben nicht so einfach aufschwatzen beziehungsweise organisieren, um sie dann einer möglichst volkspädagogisch „richtigen" Konsumation zuzuführen. Kultur sollte zuallererst gelebt, ja vielleicht sogar vorgelebt werden. Und wenn dies manche Politiker, Ausstellungsmacher oder hofrätliche Kulturverwalter jetzt auch nicht wahrhaben wollen, die tendenziell merklich rückläufigen Besucherzahlen sprechen eine klare Sprache, die doch auch für sie verständlich sein dürfte. Dem Elend der Landesausstellungen kann man nicht mit irgendeiner Reform beikommen, sondern lediglich mit deren Abschaffung.

P. S.: Der Verfasser dieser Zeilen hatte die Möglichkeit, eine steirische Landesausstellung (1990) maßgeblich wissenschaftlich vorbereiten beziehungsweise durchführen zu können oder besser zu müssen. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse dienen hier gewissermaßen paradigmenhaft fürs besagte Glanz und Elend.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung