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Blau-gelbes Wahlwetten

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In Niederösterreich können derzeit noch Wetten angenommen werden. Ob nämlich die Landtagswahlen im größten Bundesland vom regulären Termin — Frühjahr 1984 - auf den heurigen Herbst vorverlegt werden. Vor allem in der Landes-VP spekuliert man mit enormen Stimmengewinnen durch eine Herbstwahl.

Noch am Abend des National- rats-Wahltages sprachen sich VP-Landesobmann Siegfried Ludwig und sein Herausforderer SP-Chef Leopold Grünzweig für ein Auslaufen der Legislaturpe-riode aus. Einstimmiger Tenor auf Journalistenfragen: Gewählt wird im Frühjahr 1984, näherhin am 8. April.

Wer allerdings am heurigen 24. April im niederösterreichischen Landhaus die Ohren spitzte, konnte auch anderes hören: „Und jetzt wird sofort, im Herbst der Landtag gewählt“, raunten sich „Falken“ im VP-Lager zu. Anlaß dafür war zweifellos der überraschende Stimmengewinn der Ludwig-Partei bei den Nationalratswahlen. Die blau-gelbe ÖVP, die bei den Nationalratswahlen 1979 erstmals von der SPÖ gleich um 11.000 Stimmen überrundet worden war, liegt seit 24. April 1983 wieder um 21.000 Stimmen vor der SPÖ.

Nachdem sich allerdings Landeshauptmann Ludwig für ein Auslaufen der Legislaturperiode ausgesprochen hatte, war es schwer, eine „Absprungbasis“ zu finden. Da lieferte der Arbeiterkammertag eine Gelegenheit. Als Termin für die AK-Wahlen wurde bekanntlich den Länderkammern der 8. April 1984 empfohlen.

Nun wurde offiziell, was von VP-nahen Medien seit 24. April nur gemunkelt wurde. Ludwig erklärte, Kammerwahlen und

Landtagswahlen könnten nur mit „genügendem zeitlichen Abstand“ durchgeführt werden. Und zwar müsse der Abstand mindestens zwei Monate betragen.

Niederösterreichs Arbeiterkammerpräsident Josef Hesoun (SPÖ) reagierte „flexibel“. Bei einem „Politikergipfel“ zwischen Landesspitzen und AK-Präsidi- um erklärte er sich sofort bereit, diesen „genügenden Abstand“ in Niederösterreich einzuhalten.

Das war aber der ÖVP plötzlich nicht genug. Ludwig-Stellvertreter Erwin Pröll forderte plötzlich beim „Gipfel“ die Verlegung der AK-Wahlen in allen Bundesländern. Begründung: Bei den Landtagswahlen in Niederösterreich gehe es um Landesprobleme. Auch wenn in Niederösterreich keine AK-Wahl stattfinde, könnten Bundesprobleme via Medien nach Niederösterreich hereingetragen werden und die Landespolitik überschatten.

Hesoun versprach, sich beim Arbeiterkammertag für eine Verlegung des AK-Wahltermins zu verwenden. „Versprechen kann ich aber nichts“, meinte er. Und so soll der nächste blau-gelbe „Wahlgipfel“ Ende Juni stattfinden. Rechtzeitig vor der letzten Landtagssitzung am 8. Juli, auf der ein Antrag für eine Wahlvorverlegung auf Herbst gestellt werden müßte.

Die Landes-SP hat sich bereits gegen eine Wahlvorverlegung ausgesprochen. SP-Chef Grünzweig: „Es gibt noch genug Arbeit für den Landtag.“ Und er nennt „heiße Eisen“, wie das neue Kanalgesetz, Neuregelung der Spitalsfinanzierung, Kulturförderungsgesetz usw.

In der VP will man nun den „Schwarzen Peter“ für eine Wahlvorverlegung weiterschieben. Man sagt, eigentlich habe Grünzweig bereits am Abend des 24. April mit seinem Plakat, auf dem er den SPÖ-Wählern dankt, den Wahlkampf begonnen. SP-Lan- desparteisekretär Max Strache, der äm 24. April sein Nationalratsmandat verloren hat, bestrei-, tet das. In der VP behauptet man ferner, die Landes-SP hätte auf „Wahlhilfe“ durch die Arbeiterkammer gerechnet. Das ist jetzt' sicher hinfällig.

Und schließlich will man sich in der VP mit dem Argument „reinwaschen“, der Arbeiterkammertag habe den 8. April 1984 als

Wahltermin empfohlen, um einem Verlust des „roten“ Kammerpräsidenten in Tirol vorzubeugen. Dort hat die SP-Kam- merfraktion nur einen knappen Vorsprung, und würde nämlich am 8. April gewählt, wäre der 1. November 1983 Stichtag. Und dann würden einige tausend Saisonarbeiter in Fremdenverkehrsbetrieben nicht erfaßt, die angeblich eher der VP zuneigen ...

Nun soll es aber eine Umfrage der SPÖ Niederösterreich geben, die den blau-gelben „Roten“ einen Verlust von vier Prozent voraussagt, würde im Herbst gewählt. Und dieses Umfrageergebnis wird in der blau-gelben ÖVP eifrig kolportiert. Vier Prozent Verlust bei der SPÖ würde nämlich bedeutenj daß jene zwei Mandate, die die ÖVP 1979 an die SP verlor, wieder zurückgewonnen werden könnten.

Und schließlich spricht für eine Wahlvorverlegung aus Sicht der VP, daß ein Berufungsverfahren im WBO-Prozeß eher fürs Frühjahr zu erwarten ist. WBO-Ange- klagter Walter Zimper war Ludwigs Landesparteisekretär.

Wie immer Anfang Juli entschieden wird, VP und SP stehen Gewehr bei Fuß. Darauf deuten nicht zuletzt die Urlaubssperren in den Landespatteisekretariaten hin.

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