6948125-1984_01_05.jpg
Digital In Arbeit

Blecha machtlos gegen Luzifer

Werbung
Werbung
Werbung

Derzeit sind 142 Parteien in Österreich angemeldet, darunter eine, die eine „Wiederkehr Luzi-fers" und den Abbau aller religiösen Kultstätten anstrebt.

Seit im August 1983 der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, daß eine Partei, die ordnungsgemäß ihre Statuten hinterlegt hat, nicht aufgelöst werden kann (auch wenn ihre Praxis den Statuten widerspricht), hat es eine „Flut von Parteigründungen" gegeben, berichtet Innenminister Karl Blecha.

Der Versuch, Neonazi-Aktivitäten durch ein neues Parteiengesetz besser in den Griff zu bekommen, ist bisher an Parteiendifferenzen gescheitert: Für die SPÖ ist der in einem Unterausschuß des Nationalrats liegende Entwurf das Maximum, für die FPÖ eher das Minimum an Liberalität, und die ÖVP ist überhaupt dagegen. Der zuständige Minister aber ist weiter gegen jede Lösung, die nicht einstimmig verabschiedet wird. Mögliche Konsequenz: überhaupt kein neues Parteiengesetz.

Dafür zählt Karl Blecha locker alles auf, was nach seinem Amtsantritt schon alles verwirklicht oder in Angriff genommen worden ist: „Bürgertelefon", wieder mehr Polizeistreifen zu Fuß („der alte Rayonsinspektor"), Organisationsreformen bei Polizei und Gendarmerie, Beratungsdienst für Zivildiener, Aufruf an die Exekutive zur Menschlichkeit (mehr Abmahnungen statt Strafen, Höflichkeit gegenüber Ausländern).

Das Innenressort soll ein „Bürgerministerium in allen Facetten" werden; neue, „lesbare" und „bürgerfreundliche" Formulare sollen dazu schon seit Jahresbeginn beitragen.

1984 legt die Frage nach Orwell-schem in unserer Verwaltung nahe. Minister Blecha gibt sich zuversichtlich: „Die Computerisie-■ rung des ganzen Meldewesens wird den Zugriff zu Daten sehr beschleunigen", also die Fahndung erleichtern, aber der Kreis der erfaßten Personen soll „radikal auf das vom Gesetz zugelassene Maß eingeschränkt werden."

War denn das Register bisher gesetzwidrig groß? Blecha: „Es gibt Gesetzeslücken. Im Strafverfahren sind Tilgungszeiten genau vorgeschrieben, bei Verwaltungsverfahren nicht." Seine Schlußfolgerung: „Der Staatsbürger soll sich vor dem Computer nicht fürchten, sondern mit mehr Schutz rechnen können."

Für schutzbedürftig hält Blecha vor allem die Privatsphäre des Bürgers: Diese sei auch dann ein höherwertiges Gut, wenn unter deren Schutz unter Umständen die Fahnung leiden müßte.

Um diese Maxime durchzusetzen, ist Blecha notfalls auch zu Gesetzesänderungen bereit. Keine Gesetzesänderung ist beim Demonstrationsrecht geplant, keine bei der Terroristenbekämpfung: „Soweit man überhaupt in einer rechtsstaatlichen Demokratie gegen Terror gerüstet sein kann, ist Österreich gerüstet."

Wie rüstet die SPÖ sich für das Gedenken an Februar 1934? „Daß es zu gemeinsamen Gedenkfeiern kommen wird, ist bereits sicher. Ich weiß aber nicht, ob die Zeit schon reif ist für klare Auseinandersetzungen über die Ursachen der Ereignisse von 1934."

Blecha ist davon überzeugt, daß bei den Sozialdemokraten die Zahl derer, die für eine Uberwindung der „bürgerlichen'^ Demokratie durch eine Diktatur des Proletariats eintraten, ab Ende des Ersten Weltkriegs immer mehr zurückging, während die Zähl der Republik- und Demokratiegegner im bürgerlichen Lager gewachsen sei: Eine Bewältigung der Vergangenheit durch Schuldteilung hält er für „völlig falsch".

Nach wie vor steht der Innenminister zu der Idee, auch die Zivildiener in einer „Grundausbildung" analog zu jener der Wehrdiener auf eine mögliche spätere Einberufung zu einem außerordentlichen Zivildienst in Katastrophensituationen vorzubereiten: „Ursprünglich waren auch alle dem Bundesjugendring angehörenden Organisationen dafür." Nicht aber sei an ein „engeres Zusammenwirken mit militärischen Führungsstellen" gedacht. (Mit Ende 1984 läuft das derzeitige Zivildienstgesetz aus.)

Noch nicht in Angriff genommen hat Blecha den Problemkreis Zivilschutz. „Aber es wird etwas kommen." Hoffentlich. Denn diese Aufgabe hat bisher noch kein Innenminister ernstgenommen, obwohl ein Verfassungsauftrag im Sinn der Umfassenden Landesverteidigung vorliegt.

„Sehr weit" ist der Minister dagegen schon in seinem Bemühen gekommen, in Wien und Niederösterreich einen Taxidienst in Heurigengebieten zu organisieren. Wird die öffentliche Hand den individuellen Heimtransport von munterer Weinseligkeit subventionieren?

Der Innenminister kündigt „sehr, sehr günstige Fahrpreise" an, die auch durch Beiträge der Versicherungen und eine Art Ausfallshaftung der Heurigenwirte ermöglicht werden sollen: „Das wird sicher im Jahr 1984 verwirklicht."

Mit dem Bundesminister für Inneres sprach Hubert Feichtlbauer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung