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Bleibt nur Warten auf Planierraupen ?
Zwei Beiträge über Initiativen zur Lebensraumgestaltung auf dieser Seite: Im folgenden wird das Anliegen, ein vom Verfall bedrohtes Viertel in Wien zu sanieren, dargestellt.
Zwei Beiträge über Initiativen zur Lebensraumgestaltung auf dieser Seite: Im folgenden wird das Anliegen, ein vom Verfall bedrohtes Viertel in Wien zu sanieren, dargestellt.
Die Gegend um die Mannerfabrik in Hernais ist ein typisches städtisches Problemgebiet: schlechte Sozial- und Wohnungsstruktur, schlechte Infrastruktur, schlechter Gebäudezustand. An einzelnen Daten wird das deutlicher:
9 40 Prozent der Haushalte müssen mit weniger als 7.000 Schilling pro Monat auskommen;
# drei Viertel der Bevölkerung leben in Substandardwohnungen;
# mehr als die Hälfte des Baubestandes des Bezirkes weist zum
Teil gravierende Erhaltungsmängel auf und ist mittelfristig abbruchgefährdet;
# der 17. Bezirk hat im Laufe der letzten Jahre fast ein Drittel an Wohnbevölkerung verloren und zwar überwiegend in den jüngeren Altersklassen;
# 21 Prozent der gesamten Wohnbevölkerung sind Ausländer (Gastarbeiter), bei den Kindern unter 15 Jahren sind es schon 33 Prozent;
# das Durchschnittsalter der Bewohner ist hoch: 32 Prozent der inländischen Wohnbevölkerung sind älter als 60 Jahre.
Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Institut für Höhere Studien in den vergangenen zwei Jahren im Auftrag des
Bundesministeriums für Bauten und Technik vorgenommen hat. Die interdisziplinär zusammengestellte Forschergruppe mußte dabei feststellen, daß die Zukunftschancen des Gebietes eher schlecht aussehen.
Passiert dort nämlich weiterhin nichts im Sinne der stets zitierten „sanften Stadterneuerung” - und seitens der Gemeinde Wien bestehen keinerlei diesbezügliche Absichten -, so lassen sich für das Grätzel zwei realistische Szenarien entwickeln:
• Aufwertung der Ränder entlang der großen Ausfallstraßen (Ottakringer Straße, Hernalser Hauptstraße) und Verdrängung der ärmeren Wohnbevölkerung z. B. in dieses Grätzel.
Dies würde innerhalb kürzester Zeit die Verelendung verstärken; die Entwicklungsspirale nach unten würde sich schneller zu drehen beginnen.
# Bauland wird sehr knapp; die Baugiganten bieten den kleinen Hauseigentümern attraktive Kaufsummen; die Absiedlungs-kosten (Freimachung der Objekte von Mietern) werden subventioniert, dann passiert das, was sich ein kleiner Parteifunktionär des Gebietes unter Stadterneuerung vorstellt: „Das beste wäre, wenn man alle Leute da absiedelt, das Ganze in die Luft sprengt und neu aufbaut.”
Beide Varianten haben eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. Dabei läßt sich eines feststellen. Seitens der betroffenen Bevölkerung besteht durchaus Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Veränderung im Gebiet. Was diese Bevölkerung - in der Mehrzahl Alte, Arme, Ausländer — allerdings nicht kann, ist, solche Veränderungen auch durchzusetzen.
Daraus entstand die Idee einer Bewohnerinitiative. Die „Sanierungsinitiative Hernais”, im April dieses Jahres gegründet, wird von initiativen Einwohnern dieses Gebietes gemeinsam mit Mitgliedern des Forscherteams getragen.
Schon in den nächsten Wochen soll mit einer umfangreichen In-f ormations- und Beratungsaktion im Gebiet begonnen werden, die sie vor allem an zwei Gruppen richten wird: an die Mieter und an die „kleinen” Hauseigentümer.
Gerade diese Gruppen haben nämlich derzeit den schlechtesten Zugang zu unabhängiger, umfassender Information, zu persönlicher Beratung.
Allerdings: Eine solche Beratungsaktion kostet Geld (wenn auch ungleich weniger als die von der Gemeinde Wien eingesetzten Gebietsbetreuungen in anderen Problemgebieten), und daran mangelt es der Initiative. Das Bautenministerium hat zwar prinzipiell seine Unterstützung zugesagt, diese aber von einer etwa gleichhohen finanziellen Leistung der Gemeinde Wien abhängig gemacht.
Dies ist bis jetzt keineswegs gesichert, aber die Bürgerinitiative läßt sich dadurch einstweilen nicht beirren: In der Gschwand-nergasse 13 wurde ein Beratungslokal eingerichtet, das noch im Juni in Betrieb gehen soll.
Die Initiatoren zitieren einstweilen Bürgermeister Helmut Zilk: „Ein besonderes Anliegen ist es mir, den Menschen in Wien Anreize zur Eigeninitiative bei der Stadterneuerung zu bieten.”
Der Autor ist Mitarbeiter des Instituts für Höhere Studien in Wien und stellvertretender Obmann der „Sanierungsinitiative Hernais” (Gschwandnergasse 13,1170 Wien, Tel.: 45 12 283).
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