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Blick in Seelentiefen

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Der Hausner-Schüler und scheinbare Photorealist Franz Zadrazil zeigt im Historischen Museum der Stadt Wien bis 13. Februar seine Ölbilder verfallender Wiener Vorstadthäuser. Schäbige Tabak- und Friseurgeschäfte, Lottokollekturen, Greißler, Bars und Kosmetiksalons seiner Kindheit erscheinen auf ihnen als metaphysische Realität. Sie sind stets menschenleer, an den Ladentüren ausgebleichte Werbeplakate, ein immerwährender trostloser Sonntag.

Die häßlichste Häuserfront verspricht „Schönheitspflege”, „Witwenbetriebe” sind hilflos dekoriert, mit bröckelndem Putz, abspringenden Kacheln. Und doch spiegeln sie unsere legitimen Wünsche, unsere tiefe Sehnsucht nach Glück, Reinheit, dem großen Los oder dem entgrenzenden Rauscherlebnis wider, und das Abblätternde, Abgelebte ist nur die Kehrseite der unsterblichen Stadt von jedermanns Träumen.

Die abgeronnene Fassadenpracht von einst, die zu Wahrheit verblaßte Werbeaufschrift noch auf rostigem Rollbalken ist Zivilisationsmüll von gestern, den wir verdrängen mußten. Er entwickelt hier seine eigene Ästhetik, der sich Zadrazil, aber auch die Tiefen unserer Seele nicht entziehen können.

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