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Blick nach Brüssel ohne Ängste
Von der Vielzahl der Probleme, die 1994 von der Fremdenverkehrswirtschaft bewältigt werden müssen, ist die Integration das geringste.
Von der Vielzahl der Probleme, die 1994 von der Fremdenverkehrswirtschaft bewältigt werden müssen, ist die Integration das geringste.
Das Denken in größeren Zeiträumen liegt Österreichs Tourismusbranche nicht. Gerade erst wurden die Zahlen aus dem miserablen Sommergeschäft halbwegs verdaut, schon schauen alle gebannt auf die ersten Schneeflocken und multiplizieren geistig die gefallenen Zentimeter mit Zimmerpreis und Bettenanzahl.
Verständlich. Denn seit die Kunden immer später buchen und spontaner entscheiden, ist im Tourismus bestenfalls eine Saison überschaubar.
1992 war ein absolutes Rekordjahr, der Einbruch heuer kam daher doppelt schlimm. Minus 4,1 Prozent im Sommer, die Privatnächtigungen sanken gar um 8,2 Prozent. Minus 2,1 Prozent rechnet die Wirtschaftskammer für das ganze heurige Jahr: da muß allerdings der Winter sensationell gut anlaufen. Die Experten raten daher jetzt schon zur Betreuung des europäischen Umlandes. Egon Smeral, der Fremdenverkehrs-experte des Wifo: „Konzentration aufs Inland und den nahen Gast”. Günter Puttinger, Kammerobmann: „Vor allem auf den deutschen Gast setzen”. Rudolf Peti, Geschäftsführer der Austria Trend Hotels: „Noch stärker um den europäischen Gast werben”. All das hat natürlich zur Folge, daß „die EG für den Tourismus unmittelbar keine Auswirkungen mehr haben wird”, wie Reinhard Mücke, Geschäftsführer der auf Hotelfinanzierung spezialisierten „Hoteltreuhand” die Lage prägnant zusammenfaßt.
Die Hotellerie und Gastronomie dürfte die Auswirkungen des gemeinsamen Marktes tatsächlich eher kalt lassen. Nur eine verschwindende Minderheit von etwa sieben Prozent erwartet gemäß einer repräsentativen Umfrage des Fachmagazins „Gastro” unter 200 Top-Betrieben
Österreichs größere Veränderungen durch einen EG-Beitritt - zum positiven oder negativen. Mehr als die Hälfte, 53 Prozent, glaubten dagegen, daß sich die Situation ihres Betriebes überhaupt nicht verändern wird, der Rest erwartet leichte Schwankungen. Bernhard Musil, Tourismusexperte der Wirtschaftskammer: „Die Österreichische Tourismuswirtschaft ist bereits weitgehend wirtschaftlich in Europa integriert und war bisher schon eine ungeschützte Branche.”
Ungeschützte Branche
Die Schwerpunkte im nächsten Jahr werden daher nicht unbedingt auf die EG hin ausgerichtet sein, wie das in anderen Branchen der Fall ist.
■ Die Spezialisierung der Angebote wird weitergehen. Ohne Zusatznutzen ist kein Hotelbett mehr zu verkaufen. Der Bogen spannt sich hier vom Gesundheitstourismus über In-centiv-Reisen bis hin zur Erlebnisgastronomie und Ökourlaub.
■ Mehr als bisher wird die EDV den Ton angeben. Internationale Reservierungssysteme außerhalb des Betriebes und die Vernetzung aller Angebote zwischen Safe-Schlüssel, Hotelbar und Check-out innerhalb, sollten dem Personal die Hände zur Betreuung des Gastes freispielen.
■ Die finanziell angespannte Lage der Tourismusbetriebe richtet schon jetzt Appelle an die Politik. Beteiligungsmodelle und Steuererleichterungen stehen zu Diskussion.
In einigen Spezialbranchen werden Marktbereinigungen durchgezogen. Nach Branchenschätzungen kommen in Österreich etwa auf ein Beisebüro lediglich 3.000 Einwohner, in Deutschland dagegen sind es 8.000, in der Schweiz gar 11.000. Das bedingte bereits 1992 40 Konkurse und hektische Fusionsverhandlungen. Der Marktieader Österreichisches Verkehrsbüro hat sich etwa in der Steiermark und Oberösterreich die Landesreisebüros unter den Nagel gerissen. Der Busunternehmer Dr. Richard gründete vor einem halben Jahr mit „Cosmos”, „Blaguss” und „Mondial” eine Kooperation, die ihn zum größten Player am Markt machen könnte und auch die deutsche Touristik Union International (TUI) ist bereits - ganz ohne EG - in Osterreich tätig: Dr. Degener, Touropa Austria und Rogners Feriendörfer segeln längst unter deutscher Flagge.
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