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Blind auf dem Mittelamerika-Auge

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Was die Reagan-Regierung vom Militärregime in Polen fordert - die Achtung der Menschenrechte - müßte auch für Zentralamerika gelten. Doch hier scheint Washington blind zu sein.

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Was die Reagan-Regierung vom Militärregime in Polen fordert - die Achtung der Menschenrechte - müßte auch für Zentralamerika gelten. Doch hier scheint Washington blind zu sein.

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„Die Ereignisse in Polen dürfen nicht dazu führen, daß die Menschenrechtsverletzungen in den Ländern der Dritten Welt ignoriert werden", ging der Generalobere der amerikanischen Mary-knoll-Missionare mit der Doppelzüngigkeit der US-Außenpolitik hinsichtlich der Ereignisse in Polen und denen in Mittelamerika ins Gericht. Was den Generaloberen irritierte:

„Die Verhaftungen von Tausenden Polen, die jetzt in Internie-rungslagern festgehalten werden, sind ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte. Aber man

darf darüber nicht das Los der Tausenden von Verschwundenen in Argentinien vergessen oder die Ermordung von Dutzenden von Priestern und Ordensleuten in Guatemala und El Salvador."

Die Zentralamerika-Politik der USA ist in letzter Zeit wieder unter schweren Beschuß der Kritik aus dem In- und Ausland geraten. Und gerade angesichts der harten Haltung der Reagan-Administration zum Militärregime in Warschau, ihrer Forderung nach Aufhebung des Kriegsrechts und der Wiederherstellung der Menschenrechte, weist man die Washingtoner Führung nicht zu Unrecht auf den „wunden Punkt Zentralamerika" hin, wo sie Regime unterstützt beziehungsweise duldet, die in puncto Menschenrechte haarsträubende Bilanzen aufzuweisen haben.

Was man der Reagan-Regierung in dieser Hinsicht vor allem vorwirft: Daß sie in totaler Verkennung der wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Unrast in Mittelamerika die dortigen Ereignisse nur unter dem Blickwinkel des Ost-West-Konfliktes sieht.

So werden für den Bürgerkrieg in El Salvador in erster Linie Kuba, Nikaragua und im Hintergrund die Sowjetunion verantwortlich gemacht, die die Unruhe in Zentralamerika auch ganz gewiß kräftig mitschüren und linke Befreiungsbewegungen unterstützen.

Indes, die Mehrzahl der über 30.000 bisherigen Bürgerkriegstoten—und hier wiederum vor allem Zivilisten — geht auf das Konto rechtsradikaler Mörderbanden und der Sicherheitskräfte, darüber sind sich die katholische Kirche El Salvadors und politische Beobachter einig.

Ähnlich die Situation in Guatemala: 25.000 Morde seit 1954,11.000 allein 1981. Die Opfer: christdemokratische und liberale Oppositionspolitiker, Gewerkschafter, Intellektuelle, Priester, einfache Arbeiter und Bauern.

Denn Opposition wird in Guatemala (ebenso wie in El Salvador) automatisch mit Kommunismus gleichgesetzt Und amnesty international meldete Anfang 1981, daß die Mordaktionen der „Todesschwadronen" und der „Antikommunistischen Geheim-Armee" direkt vom Präsidentenpalast in Guatemala City aus geleitet werden.

Daß sich Reagan auf die Seite dieser innerlich faulen, repressiven Oligarchien stellt, könnte die USA immer mehr in eine Vietnam-ähnliche Situation verstrik-ken. An warnenden Stimmen — gerade auch aus der Kirche (siehe nebenstehenden Kasten) — fehlt es jedenfalls nicht

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