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Blinder Fleck

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Auf der Suche nach „Schalom für Österreich“ luden die Israelitische Kultusgemeinde, die Katholische Aktion Österreichs und die evangelischen Bildungswerke am Vorabend des Nationalfeiertages zu einer Gedenk- und Feierstunde in die Redouteosäle der Hofburg.

Es ging darum, Wege zur Versöhnung zu finden, die gemeinsame Verbundenheit von Bürgern christlicher und jüdischer Konfession zu jenem Österreich zu bekennen, dessen Auslöschung durch das nationalsozialistische Deutschland sich im März des kommenden Jahres zum 50. Mal jährt.

„Uber das Klagen hinaus der Hoffnung eine Stimme geben“ wollten die Veranstalter, um in gemeinsamer Besinnung „eine Art Berührung über die Grenzen der Religion“ zu erfahren, betonte Paul Schulmeister, Präsident der Katholischen Aktion Österreichs, in seinem Grußwort.

Ein weiterer Gedanke, der im Zentrum der Feierstunde stand, war die Frage nach Schuld und Versöhnung. Der demokratische Grundkonsens der Republik Österreich schließe auch das Wissen um die Vergangenheit mit ein, sagte Paul Grosz, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs.

Dieses Wissen müsse von den moralischen Instanzen verstärkt verbreitet werden, damit man sich von Schuld befreien könne. „Wissen macht frei, Verdrängung macht krank“, betonte Grosz.

Auch Fritz Csoklich kritisierte in seinem Referat die Unfähigkeit vieler Österreicher, Schuld zu bekennen. Er sprach von einem „blinden Fleck der Schuld und des Verhängnisses“, der sich in der Geschichte der Zweiten Republik manifestiert habe. Eine Auswirkung dieses „blinden Flecks“ sei auch das Versäumnis der Zweiten Republik gewesen, Emigranten zur Rückkehr einzuladen, betonte Csoklich. Er wünsche sich eine „Allianz der Gutwilligen“, die einen neuen Anfang für Österreich bewirken könne. Die Katholiken, sagte Csoklich, dürften sich dabei nicht in „fromme Schlupfwinkel“ zurückziehen, sondern müßten „in vorderster Linie die Herausforderung der Zukunft“ annehmen.

Der Beziehung der katholischen Kirche zum Judentum widmete die Schriftstellerin Jutta Schütting ihre „Reflexionen“ (siehe Seite 12).

Schalom - Friede für Österreich könne nicht als Einbahnstraße wirken, meinte General Emü Spanocchi, der als Vertreter der Soldatengeneration des Zweiten Weltkriegs vor der Verurteilung all jener Österreicher warnte, die „nicht braun, sondern feldgrau“ getragen haben. Ein Kollektivschuldurteil könne nicht moralisch sein, sagte Spanocchi (siehe Kasten).

Das Verbindende über das Trennende zu stellen, das Bekenntnis zu einem freien, demokratischen Österreich: im gemeinsamen Beten des 33. Psalms und beim Singen der Bundeshymne dürfte in dieser Feierstunde am stärksten zum Ausdruck gekommen sein, was „Schalom“, Friede für Österreich, für uns bedeuten kann:

Nicht nur die Wurzeln der österreichischen Kultur zu pflegen, die auch unsere jüdischen Mitbürger und ihre Talente entscheidend geprägt haben, sondern auch das Aufeinander-vertrau-en-Können von zwei Kulturen, die seit Jahrhunderten zu einem gemeinsamen Vater beten.

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