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Digital In Arbeit

Blindflug oder nicht ?

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„Ich fühle mich wie auf einer Diskussion im Jahre 1495, bei der über die Einführung des Buchdrucks und die möglichen Auswirkungen gesprochen wird.“ Mit diesem Satz drückte ein Teilnehmer der Konferenz „Journalismus aus dem Computer“ in Laxenburg aus, daß der Veranstalter — der mit Medienfragen befaßte Club of Vienna — zu Recht kein Fragezeichen mehr hinter den Titel der Tagung gesetzt hatte, auch wenn manche Redner ein solches andeuteten.

Tatsächlich ist der Zug — so wie 1495 beim Buchdruck — in die vollelektronische Medienzukunft, für die das Wort „Computer“ als Synonym stand, längst abgefahren. Die Frage lautet schon lange nicht mehr: Kommen die Neuen Medien?, sondern: Wie werden wir mit ihnen fertig?

Hugo Obergottsberger, Vorsitzender des Club of Vienna und der Laxenburger Konferenz — ein Beitrag zum Weltkommunikationsjahr der Vereinten Nationen—, verwies schon eingangs auf die explosionsartige Entwicklung auf diesem Gebiet und nannte auch einige der damit verbundenen heiklen Themen: Verarmung der Sprache, Bedrohung der Meinungsvielfalt, Fragen des Datenschutzes und der moralischen Verantwortung der in den Medien Tätigen.

Auch an anderen heißen Eisen hatte die Tagung keinen Mangel:

• Veränderungen bei Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen;

• die wachsende Kluft zwischen denen, die mit den neuen Technologien umgehen können, und denen, die das nicht können (sei es als Kluft zwischen Nord und Süd, aber auch innerhalb der einzelnen Länder);

• die Tendenz zur Zentralisierung und Möglichkeit zur Verwendung moderner Elektronik als Macht- und Kontrollinstru- ment wie in George Orwells „1984“.

Der sich selbst als „Technikoptimist“ bezeichnende Karlsruher Informatiker Prof. Gerhard Krüger schwärmte zunächst von den Möglichkeiten der modernen Medientechnik, speziell von Bildschirmtext und Satellitenkommunikation, während Johann Günther (Philips Data Systems) hervorhob, daß bald Datenbanken in Sekundenschnelle aus 64 Millionen DIN-A-4-Seiten jede gewünschte Information liefern könnten.

Der Salzburger Kommunikationswissenschafter Prof. Hans- heinz Fabris meinte, es drohe Analphabetismus, und die Zeitungen und Journalisten müßten flexibler werden. Er äußerte nur sehr vorsichtig die Hoffnung, die neuen Technologien würden nicht nur Jobs „killen“, sondern mehr Kräfte für Recherchen und Hintergrundberichterstattung freimachen.

Daß ein Computer-Journalismus zwangsläufig eine Sprach- verarmung herbeiführt, darüber waren sich die Experten Prof. Heinz Zemanek — in einem vielbeachteten Vortrag „Vom Wort zur Formel“ — und Prof. Robert Trappl einig. Trappl: „Der Computer kann den Journalisten bei manchem schon ersetzen, etwa beim Umschreiben von Agenturmeldungen.“ Der Computer als Journalist und nicht nur als dessen Helfer, das ist freilich noch ferne Zukunft, und dann, so Trappl, werde man rechnen, „welche Roboter billiger sind, die biologischen oder die technischen“.

Praktische Erfahrungen mit Journalismus an Bildschirmterminals lieferten Stephan W. Conaway (International Herald Tribune), Patrick V. Drotos (Kanada) und Stig Fredriksson (Schweden), der als unvermeidlich ansieht, daß Journalisten „Redak- troniker“ werden.

Sollte freilich von dem Rückgriff auf zentrale Datensysteme zuviel Gebrauch gemacht werden, dann fürchtet Prof. Karl Steinbuch (Karlsruhe) um die Vielfalt der Presse, während der Niederländer Prof. Cees J. Hamelink den plötzlichen Einstieg in den Computer-Journalismus gar als „unverantwortlichen Blindflug“ ansieht.

„Programmieren wir den Menschen auf die Systeme oder die Systeme auf den Menschen?“ fragte UCIP-Präsident Hanns Sassmann, der moralische Forderungen erhob und den Wunsch nach einem, freilich nicht wildwuchernden „Demonopolisie- ren“ beitrug.

Seitens der Dritten Welt wurde der Wunsch nach einer neuen Informationsordnung und mehr Zugang zu den Medien laut, der Kandidat für den Wiener Publizistik-Lehrstuhl, Prof. Wolfgang Langenbucher (München), forderte eine neue Medienpolitik.

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